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Der Beginn der obstbaulichen Forschung in Müncheberg fiel in eine Zeit gravierender Veränderungen des Obstanbaues in Deutschland. Die stark wachsende Nachfrage konnte durch das inländische Aufkommen nicht befriedigt werden; ca. 30 % des Bedarfes an Früchten (ohne Südfrüchte) mußte importiert werden. Dabei gab es in Deutschland ausreichend Obstbäume (86 Apfelbäume je 100 Einwohner, in Nordamerika zum Vergleich 90 : 100), die Erträge waren aber zu gering und instabil. Die Gründe dafür lagen: "... in dem großen Sortenwirrwar, in ungenügender Anpassung der Sorten an die klimatischen Verhältnisse, in züchterischer Rückständigkeit, in ungenügender Auswertung der geernteten Früchte [...] und vielen anderen Fehlern" (Hempel 1929).
Der Übergang des Liebhaberanbaues zur erwerbsmäßigen Obstproduktion erforderte die Züchtung neuer Sorten, die bei geringem Kapitalaufwand sichere und hochwertige Erträge liefern konnten. Diese Notwendigkeit hatte Erwin Baur, seit 1920 Mitglied der Obstbau-Abteilung der DLG und ab 1922 Vorsitzender des Sonderausschusses Obstzüchtung, erkannt und diesen Forschungszweig in sein interdisziplinäres Müncheberger Institut von Anfang an integriert. Als Arbeitsschwerpunkte wurden ab 1928 parallel in Angriff genommen:
Die Arbeit der Abteilung Obstzüchtung wurde schon im Sommer 1928 voll aufgenommen, im Frühjahr 1929 erfolgte die Anzucht des ersten Sämlingsmaterials. Als Kreuzungsmaterial wurden die reichhaltigen Sortimente des Obstgutes Schönerberg vor den Toren von Müncheberg genutzt. Parallel dazu erfolgte der Aufbau von Sortengärten bei den einzelnen Obstarten. "1932 waren im Sortiment enthalten: 352 Apfel-, 131 Birnen-, 62 Pflaumen-, 39 Süßkirschen-, 26 saure und süßsaure Kirschen-, 64 Pfirsisch-, und 26 Aprikosensorten, hinzu kamen noch 143 Spezies. In den Versuchsquartieren waren 1932 vorhanden: 14.858 Apfel-, 2.237 Birnen-, 1.564 Pflaumen- u.a. Sämlinge sowie 35.000 Okulate von Sämlingen. Gesamtfläche 80 Morgen" (Institutsführer 1933).
Einen besonderen Schwerpunkt bei der Beerenobstzüchtung bildete die
Selektion mehltauresistenter großfrüchtiger Stachelbeersorten. Bei
der Obstart Himbeere stand die Problematik des Rutensterbens im Vordergrund.
Die Erdbeerzüchtung wurde in großem Maßstab in Angriff
genommen.
Der große Umfang von Kreuzungen zeigt die hohen Erwartungen, die in die
gezielte Kombinationszüchtung gesetzt wurden.
"Theoretische Erwägungen ebensosehr wie die Erfahrungen aus der
Praxis der Getreidezüchtung lassen auf einen ganz sicheren Erfolg der
Kombinationszüchtung rechnen, wenn nur exakt und in großem
Maßstabe gearbeitet wird" (These von Erwin Baur, zitiert nach
Schiemann 1934).
Die Versuchsflächen wurden 1936 auf 25 ha ausgedehnt. Im Mittelpunkt bei der Obstart Apfel stand die Züchtung winterharter und schorfresistenter Sorten. Umfangreiche Kreuzungen unter Einbeziehung von Wildformen wurden ausgeführt, die Sämlinge mittels neu entwickeltem Massenselektionsverfahren bewertet. 1936 gab es bei der Obstart Apfel 399 Sorten, 27 Arten, 16.876 Sämlinge, 35.868 Okulate (Institutsführer 1936). 1936-1938 standen 80 mehltauresistente Stachelbeerklone in Prüfung, weiterhin 1.400 Himbeer- und 450 Himbeer-Brombeer-Sämlinge, 500 Sämlinge von Sorten- und Artkreuzungen bei Johannisbeere und 30.000 Erdbeerklone (Institutsführer 1936 und 1938).
Die Arbeiten wurden auch während des 2. Weltkrieges weitergeführt.
Dabei standen vor allem Fragen der Fruchtqualität, Lagerfähigkeit und
Frosthärte im Mittelpunkt. Durch die extremen Frostwinter der Jahre
1939-1942 waren in Deutschland katastrophale Schäden an den Obstanlagen
aufgetreten. Deshalb wurde 1941 durch das Müncheberger Institut eine
großräumige Frostschadenerhebung durchgeführt (Rudorf, Schmidt
& Rombach 1942). Die in dieser Studie gemachten Erfahrungen über die
Frostresistenz einzelner Arten und Sorten bestimmten wesentlich die
Züchtungsarbeiten in der Nachkriegszeit mit.
Im letzten Kriegjahr wurden Teile des Zuchtmaterials nach Mittel- und
Westdeutschland verlagert.
Dem Engagement einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern um Martin Schmidt
ist es zu verdanken, daß schon bald nach Kriegsende die Arbeiten wieder
aufgenommen werden konnten. In einem Schreiben vom 10.10.1945 an die russische
Kommandantur legte er den Stand der Arbeiten in der Obstzüchtung offen und
begründete die Notwendigkeit zu ihrer Fortführung. Im Jahre 1946
wurde die Versuchsfläche der Abteilung von 55 ha auf 75 ha ausgedehnt.
Im Jahr 1946 konnten auch Teile der Versuchsunterlagen aus der Auslagerung
wieder beschafft werden. Einen Überblick über die Arbeiten und
Teilergebnisse der ersten 20 Jahre Obstzüchtung gibt Martin Schmidt im
Jahr 1948 und begründet die Langwierigkeit der vorgenommenen Aufgaben.
"Beim Baumobst vor allem sind die ersten zehn Jahre nach dem Aufbau
eines genügend großen Sämlingsmaterials in des Wortes wahrster
Bedeutung ertragslos." (Schmidt 1948).
So war es nicht verwunderlich, daß erst in den Nachkriegsjahren eine Reihe von neuen Sorten zur Zulassung kamen. Besonders aus der Nachkommenschaft der Apfelsorten Cox´ Orangenrenette' (Träger ausgezeichneter Geschmackseigenschaften) und Geheimrat Dr. Oldenburg' (Massenträger) wurden von 1955 bis 1976 viele neue Sorten zugelassen.
Übersicht neuer Apfelsorten aus Müncheberg
Sorte | Jahr | Eltern |
'Alkmene' | 1961 | 'Geheimrat Dr. Oldenburg' x 'Cox´ Orangenrenette' |
'Apollo' | 1976 | 'Cox´ Orangenrenette' x 'Geheimrat Dr. Oldenburg' |
'Auralia' (Syn. 'Tumanga') | 1961 | 'Cox´ Orangenrenette' x 'Schöner aus Nordhausen' |
'Carola' (Syn. 'Kalco') | 1961 | 'Cox´ Orangenrenette' frei abgeblüht |
'Clivia' | 1961 | 'Geheimrat Dr. Oldenburg' x 'Cox´ Orangenrenette' |
'Elektra' | 1961 | 'Cox´ Orangenrenette' x 'Geheimrat Dr. Oldenburg' |
'Erwin Baur' | 1955 | 'Geheimrat Dr. Oldenburg' frei abgeblüht |
'Helios' | 1969 | 'Geheimrat Dr. Oldenburg' frei abgeblüht |
'Herma' | 1961 | 'Jonathan' frei abgeblüht |
'Juno' | 1971 | 'Ontario' x 'London Pepping' |
'Undine' | 1961 | 'Jonathan' frei abgeblüht |
Das als aussichtsreich geltende Zuchtmaterial bei den Obstarten Birne und Hauspflaume war den Frostwintern 1939 - 1942 restlos zum Opfer gefallen. Als ausgesprochen frosthart erwiesen sich dagegen die Nachkommen der 1926 von Erwin Baur aus Anatolien mitgebrachten Kirschpflaumen (Prunus cerasifera L.). Aus diesem Material wurden im Jahr 1955 Anatolia', Certina' Syn. Ceres' und Fertilia' herausgebracht.
Stand in den Anfangsjahren vor allem die Verbesserung der Fruchtqualität im Vordergrund, so kamen durch die Intensivierung des Anbaues neue ökonomische und pflanzenbauliche Aspekte zu den Zuchtzielen hinzu. Es "müssen Voraussetzungen geschaffen werden, um Sorten zu züchten, die eine weitere [...] Erleichterung der Pflege- und Erntearbeiten ermöglichen" (Murawski 1968).
Die von Murawski formulierten neuen Zuchtlinien wurden in den 60er Jahren durch umfangreiche Kreuzungs- und Selektionsarbeiten realisiert, 1968 befanden sich 30.000 Apfelsämlinge verschiedenster Kombinationen in der Anzucht. Die Grundlagenforschung über den Erbwert von Erdbeersorten wurde weitergeführt und bildete die Grundlage für die Zulassung neuer Sorten in den 70er Jahren.
Erdbeerneuzüchtungen aus Müncheberg/ Institut für Obstforschung Dresden-Pillnitz
Sorte | Jahr | Eltern |
'Brandenburg' | 1953 | 'Luise' x 'Deutsch Evern' |
'Müncheberger Frühe II' | 1961 | 'Luise' x 'Deutsch Evern' |
'Havelland' | 1971 | 'Müncheberger Frühe' x 'Georg Soltwedel' |
'Fraginetta' | 1971 | |
'Fracunda' | 1976 | 'Valentin' x 'Senga Sengana' |
'Framura' | 1980 | 'Anneliese' x 'Juspa' |
'Fratina' | 1976 | 'Valentin' x 'Senga Sengana' |
'Framosa' | 1977 |
Mit der Gründung des Institutes für Obstforschung Dresden-Pillnitz im Jahre 1971 bekam die Versuchsstation Müncheberg neue Aufgaben. Neben der Fortführung von Kreuzungen wurde sie ein wichtiger Standort für die Wertprüfung neuer Sorten. Durch das kontinental geprägte Klima und die stark wechselnden Bodenqualitäten sind sehr gute Selektionsmöglichkeiten auf abiotische Resistenzen und Ertragsvermögen auf Grenzstandorten gegeben.
Die politische Wende im Jahr 1989 stellte die Existenz der
Obstbau-Versuchsstation Müncheberg in Frage. Die drohende Schließung
der Station konnte durch den großen Einsatz der Mitarbeiter um Hilmar
Schwärzel (seit 1990 Abteilungsleiter) verhindert werden. Durch die
sofortige Umstellung der Forschungsschwerpunkte auf praxiswirksame Versuche
wurde die Akzeptanz des sich neu entwickelnden Berufsstandes gewonnen.
Seit 1991 ist die Versuchsstation ein fester Bestandteil des Gartenbaus des
Landes Brandenburg mit folgenden Schwerpunkten:
(siehe dazu: Jahresbericht der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Großbeeren/ Werder e.V. 1996)