In: Heimatkalender für den Kreis Prenzlau, 1929 (1928), S. 105-112; Inhaltsverzeichnis
JPGs der Seiten wurden mir freundlicherweise vom Uckermärkischen Geschichtsverein zur Verfügung gestellt. Texterkennung, Korrektur und Gestaltung anhand des Originals hat P-six.de/sign übernommen. (Dokumentation zum Bericht Weinlaublaube bei ichbindannmalimgarten.de)
Vinum Marchica de terra
Transit guttur tamquam serra.
Wein vom märkischen Rebenbeet
Der Säge gleich durch die Kehle geht.
Das Wirtschaftsleben unserer Heimat hat seit dem Mittelalter sehr mannigfache Wandlungen erfahren. Verschiedene ehemals höchst wichtige Wirtschaftszweige sind heute gänzlich verschwunden und haben anderen Platz machen müssen. Neben der Teerbrennerei, Glasfabrikation u. a. gehört auch der Weinbau zu den ausgestorbenen Formen des uckermärkischen Erwerbslebens, der einst eine sehr bedeutungsvolle Rolle gespielt hat, wie sich aus mannigfachen Zeugnissen noch erweisen läßt. — Dieses Verschwinden solcher einst wichtigen Wirtschaftszweige und ihre Ablösung durch die Einfuhr der betreffenden Erzeugnisse von außerhalb ist eine sehr häufig zu beobachtende Tatsache, die sich aus der fortschreitenden Spezialisierung der Länder und Landschaften auf einzelne bestimmte und ihnen besonders zusagende Produktionszweige und aus den verbesserten Verkehrsmöglichkeiten erklärt, die einen lebhafteren Austausch von selbst erzeugten und von anderswo einzuführenden Gütern gestatten. Grade der Weinbau ist ein besonders gutes Beispiel für diese Erscheinung und zeigt auch für unsere Heimat, wie ein lange Zeit hindurch sehr wichtiger Erwerbszweig allmählich durch veränderte Wirtschafts- und Verkehrsmöglichkeiten beeinflußt oder gar vernichtet werden kann.
Schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts begann die Blüte des märkischen Weinbaues, an dem die Uckermark sehr lebhaft beteiligt gewesen ist. Es ist natürlich nicht leicht, ein genaues Bild von der Verbreitung des ehemaligen Weinbaues in der Uckermark zu entwerfen, doch deuten eine Anzahl von urkundlichen Bemerkungen und Eigennamen an, wie ein solches Bild etwa wiederherzustellen ist. Zunächst wird man seine Zuflucht zur Landkarte nehmen, in diesem Falle zu den Meßtischblättern, die wegen ihres großen Maßstabes das ge-
naueste Bild geben können. Die Beschriftung dieser Karten mit Flurnamen ist aber leider nur sehr unvollständig und sehr ungleichmäßig durchgeführt. Darum liegt die Gefahr nahe, zu einem schiefen Bild zu kommen, nach welchem die eine Gegend viel, die andere wenig Weinbau getrieben hätte. So ist also die Landkarte als Quelle der Erkenntnis für unsere Zwecke leider nur sehr bedingt von Nutzen. Immerhin ergibt eine Durchmusterung der die Uckermark umfassenden Blätter eine Auslese von 14 Weinbergen, über die die folgende Zusammenstellung Auskunft gibt:
Bl. 1145 s Rollwitz
Bl. 1235 w Basedow
Bl. 1321 n Blankenburg
Bl. 1322 osö Gramzow
Bl. 1400 n Templin
Bl. 1401 s Groß-Fredenwalde
Bl. 1402 sö Schmiedeberg
Bl. 1402 w Schmiedeberg
Bl. 1403 w Golm
Bl. 1482 s Altkünkendorf
Bl. 1552 sö Zehdenick
Bl. 1555 nö Schmargendorf
Bl. 1556 s Stolzenhagen
Bl. 1626 bei Kloster Chorin
Die aufgezeichneten Weinberge der Karte sind aber sicherlich nicht die einzigen gewesen. Deshalb muß man versuchen, darüber hinaus noch aus anderen Quellen weitere Weinbaugebiete nachzuweisen. Sicherlich lag auch bei Lychen ein Weinberg, dessen Namen die Karte unterschlägt, der sich aber in dem Namen Weinbergstraße in Lychen vor der Vergessenheit gerettet hat. Auch nördlich von Schönermark am Wege nach Schapow soll sich mündlicher Ueberlieferung zufolge ein Weinberg befunden haben, bei dem es sich den Verhältnissen der Karte nach nur um die Höhe 75,5 gehandelt haben kann, die in sehr charakteristischer Form sich aus dem Relief der Umgebung heraushebt. In Jagow führt der rund 40 Meter hohe, im Süden bis zu 45 Meter sich über die feuchte Niederung des Köhntopp erhebende und das Dorf tragende Werder den
Die schwarzen Punkte geben die Oertlichkeiten an, für die aus Urkunden, Namen oder anderen Ueberlieferungen das ehemalige Vorhandensein von Weinbergen bekannt ist:
1. Rollwitz 2. Schönermark 3. Basedow 4. Prenzlau 5. Boitzenburg 6. Lychen 7. Gerswalde |
8. Templin 9. Gr. Fredenwalde 10. Blankenburg 11. Gramzow 12. Golm 13. Westl. Schmiedeberg 14. Südöst. Schmiedeberg |
15. Alt-Künkendorf 16. Schmargendorf 17. Stolpe 18. Stolzenhagen 19. Paarstein 20. Peelitz 21. Plawe |
22. Chorin 23. Nieder.Finow 24. Liepe 25. Oderberg 26. Jagow 27. Zehdenik |
Namen »Schloßberg« oder »Weinberg«, und die örtlichen Bedingungen lassen hier das ehemalige Vorhandensein eines Weinberges durchaus möglich erscheinen. Nördlich von Gerswalde liegt ein weiterer Weinberg, den die Karte verschweigt, und zwar am Nordausgang des Dorfes zur linken Seite der Landstraße nach Haßleben. Für Gerswalde läßt sich der Weinbau auch urkundlich nachweisen, indem er für das Jahr 1568 in einer Urkunde anläßlich einer Beschwerde über eine von Arnim'sche Erbteilung erwähnt wird (1,166). Ferner findet sich in einem Inventarverzeichnis vom 15. 2. 1553 über die vom Landvogt Hans v. Arnim auf Boitzenburg hinterlassene fahrende Habe bei der Aufzählung der Vorräte der Eintrag: »... 23 Viertel Boitzenburger und Gerswalder...«, wodurch nicht nur ebenfalls für Gerswalde, sondern auch für Boitzenburg der Weinbau um diese Zeit bekundet wird (2,66). Weiter wissen wir aus dem Landbuch Kaiser Karls IV. vom Jahre 1375 von Liepe am Oderbruch es »sei daselbst ein Weinberg nahe bei Plawe gewesen« (3,179), sowie auch vom Kloster Chorin, daß es nicht nur am Plagesee, sondern auch in Prenzlau, Oderberg, Pehlitz und Paarstein eigene Weinberge besessen habe (4,13). Wo im einzelnen diese Weinberge des Klosters gelegen haben, ist nicht mehr zu sagen. Genauer wissen wir dagegen über die Lage des dem Rate der Stadt Prenzlau gehörigen Weinberges Bescheid, der hinter dem Landarmenhaus lag, wo sich das Gelände zur Ucker hinabsenkt und wo dieses noch heute den Namen des Weinberges trägt. Nach Kanzow (5,9) umfaßte dieser Weingarten, der von einem kunsterfahrenen Winzer verwaltet wurde, 2 Morgen und lieferte in guten Jahren an 6 Tonnen Weines, deren Ertrag dem Rat der Stadt gehörte. Daß nicht nur bei Liepe Wein gebaut wurde, sondern längs des ganzen Odertalrandes von Niederfinow bis Oderberg und darüber hinaus, ist aus schriftlicher Ueberlieferung und aus Flurnamen bekannt. So heißt der gegen Südosten gerichtete Ausläufer des Pimpinellenberges westlich von Oderberg noch Weinberg. Diese Zone dürfte sich als ein zusammenhängender Streifen bis mindestens in
die Gegend von Stolpe nach Norden erstreckt haben, wo ja noch heute auf der Karte bei Stolzenhagen ein Weinberg eingetragen steht. Reindl erwähnt in seiner Arbeit über die Weininseln Nord- und Mitteldeutschlands (6,74) unter den brandenburgischen Vorkommen die folgenden zur Uckermark gehörenden Plätze: Prenzlau, Kloster Gramzow, Pelitz Stolzenhagen, Stolpe, Kloster Chorin und Oderberg, also im wesentlichen die gleichen Namen, die bisher erwähnt wurden. Während die Namen dieser Weinorte weiteren Kreisen bekannt sind, dürfte es dagegen weniger allgemein bekannt sein, daß der Wein aus dem Oderberger Gebiet sich anscheinend eines guten Rufes erfreute und dementsprechend auch weitere Verbreitung gefunden hat. Eine sehr entlegene Quelle, das Stadtrecht von Wisby auf Gotland tut nämlich einmal des Oderberger Weines Erwähnung, als es von den zu zahlenden Abgaben für die auf Wisby aus dem Süden eingeführten Weine spricht.*) Die betreffende Stelle lautet dort folgendermaßen (7,108/109): van dem oderberghere. Cap. XLII. So we oderberghere bringhet in den keller, de geue van deme vödere, enen haluen verding. / unde van der pipen .II. öre / des ghelik van aller hande wine de in den keller nicht ne mach.« — Der Herausgeber des alten Gesetzbuches hat in Glossar zu obiger Verordnung die Meinung geäußert, daß es sich bei diesem Oderberger Wein um solchen aus Oderberg in Schlesien gehandelt haben könnte, ohne des uckermärkischen Oderbergs Erwähnung zu tun. Doch ist diese Ansicht nicht sehr wahrscheinlich, denn einmal läßt sich für das ehemals österreichische, heute tschechische Oderberg kein Zeugnis für ehemaligen Weinbau beibringen, gegen den eine Reihe von hier nicht näher zu erörternden Tatsachen spricht. Mit dem heutigen schlesischen Hauptweinbaugebiet um Grünberg, von dem es weit entfernt ist, hat es keinerlei Beziehungen. Von dem uckermärkischen Oderberg ist dagegen ein lebhafter Weinbau bezeugt, der sich auch verkehrsgeographisch besonders günstiger Umstände erfreute. Bekanntlich hat im Weinhandel mit dem deutschen
*) Den Nachweis dieser Quelle verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. jur. Leopold Perels von der Universität Heidelberg.
Osten und darüber hinaus zur Hansezeit der Hafen von Stettin eine sehr wichtige Rolle gespielt, das ein großes Gewerbe durch die Einlagerung der märkischen Weine trieb. Stettin und Kolberg sind im Verkehr mit Danzig und auch Königsberg die Hauptausfuhrplätze für den im Mittelalter an der ganzen Ostseeküste und weit im Litauischen und Polnischen verbreiteten Wein aus Guben, Brandenburgs größtem Weinbaugebiet, gewesen. Auch Oderberg lag nun dank seiner Lage am Wasser zu diesem wichtigen Weinexporthafen der Mark besonders günstig, um seine Erzeugnisse nach weithin absetzen zu können. Da Oderberg außerdem als wichtiger Einfuhrplatz nach dem Inneren Brandenburgs und nach Berlin namentlich in der Heringseinfuhr eine sehr wichtige Rolle spielte, ist der Gedanke nahe liegend, daß die Schiffe, die flußaufwärts kamen und in Oderberg ihre Heringsfässer löschten, von dort als sehr begehrte Rückfracht die Weinfässer mit zu Tal nach Stettin genommen haben. Aus solchen Gründen ist es wohl berechtigt, den in Wisby als Oderberger Wein bezeichneten Tropfen als Uckermärker Gewächs in Anspruch zu nehmen. Dabei mag zugegeben werden, daß unter diesem Namen auch Weine aus andern benachbarten Gegenden begriffen wurden, also auch aus Gegenden südlich des Finowtals usw. Nach den Angaben von Hartmeyer (8,50) begann man nämlich erst am Ende des 16. Jahrhunderts den Wein nach dem Orte seines Wuchses zu unterscheiden, wovon zur Zeit des hansischen Weinhandels noch gar keine Rede war. Diese Zusammenfassung verschiedener Weine nach ihrem Verschiffungsplatz ist im Falle Oderberg um so wahrscheinlicher, als das heute so stille Städtchen damals einer der wichtigsten Stapelplätze an der Oder war, indem nur Stettin, Oderberg und Frankfurt als ständig benutzte Stapelplätze in Frage kamen, außer ihnen noch bei gutem Wasserstand und für kleinere Schiffe Krossen (9), über die einzig und allein die Aus- und Einfuhr stattfinden konnte. Immerhin darf bei der Bedeutung, die die Niederfinow-Liepe-Oderberger Gegend für den damaligen Weinbau hatte, sicherlich ein großer Teil als bodenständiges Gewächs angesehen werden. — Neben diesem Weg des Weinhan-
dels oderabwärts nach dem Nordosten bestand noch eine zweite sehr wichtige Linie der Weintransporte, die von Lübeck ausgehend Polen zum Ziel hatte und sich des Wasserweges Oder-Warthe bediente, denn gerade die Wasserstraßen kamen bei der Schlechtigkeit der Landwege und bei der Schwere der zu befördernden Lasten als Transportwege in Frage, soweit sie irgend benutzbar waren. Diese »aufwärtsgeführten« Weine, wie sie ein Stralsunder Zolltarif von 1390 (8,49) nennt, gingen durch das Haff an Stettin vorbei die Oder aufwärts — also auch über Oderberg — nach der Warthe, um von hier aus über die Handelsstraßen nach Krakau und andern polnischen Städten zu gelangen. Möglich, daß auch Oderberg an diesem Weinhandel beteiligt gewesen ist; Beweise lassen sich für einen Verkehr in dieser Richtung nicht beibringen wie für den nach Norden gerichteten Verkehr. Daß der Oderberger auch andernorts bekannt und beliebt war, geht aus der Tatsache hervor, daß Oderberg ebenso wie das nicht sehr weit entfernte Biesenthal jährlich 20 Tonnen weißen und 20 Tonnen roten Weines an das Joachimsthalsche Gymnasium nach Berlin zu liefern hatte (10,560). — Sicherlich ließen sich bei einer gründlichen Durchforschung des vorhandenen Urkundenmaterials durch kundige Historiker zu den genannten Beispielen noch weitere Belege für einen ehemals weit verbreiteten Weinbau und -handel in unserer Uckermark anführen
Die Frage nach der Herkunft dieses Weinbaues läßt sich leicht beantworten, da er aus dem Süden und Südwesten Deutschlands, wo ihn die Römer eingebürgert hatten, mit den nach Ostland wandernden Kolonisten in unsere Gegenden gekommen ist. In erster Linie waren es die Klöster, die sich dem Weinbau mit großem Fleiß und Erfolge widmeten; namentlich die Zisterzienser haben sich um die Anlage von Gartenland und Weinbergen in der vormals slawischen Wildnis sehr bedeutende Verdienste erworben. Wo immer ein Kloster angelegt wurde, suchte man in der Nähe nach einem tauglichen Platz, um sogleich einen Weinberg zu schaffen. Mit scharfem Blick fand man die doch nicht allzu zahlreichen guten Weinlagen bei uns heraus, da man aus dem Südwesten
Deutschlands gute Erfahrungen mitgebracht hatte. So war zum Beispiel neben dem Choriner und dem Gramzower Klosterweinberg auch der Templiner seit jeher Eigentum der Kirche gewesen, der in Erbpacht vergeben wurde, der aber zeitweise auch jahrzehntelang, so von 1500 — 1550 wüst gelegen hat (über die Einzelheiten des Templiner Weinberges Vergl, die Bemerkungen von Philipp (11, 136/446). Aber auch die weltlichen Kolonisten widmeten sich der Anlage von Weinbergen, da auch sie in der neuen Heimat nicht den aus der alten so vertrauten und begehrten Trunk entbehren wollten. Von den Weinbergen auf dem Harlunger Berg bei Brandenburg a. H., von den Krossener wie auch von den Oderberger Weinbergen weiß man, daß sie besonders rheinischen Kolonisten ihren Ursprung verdanken, die sie etwa um das Jahr 1173 angelegt haben (12,870).
Besonderes Interesse verdienen nun die Fragen nach den natürlichen Voraussetzungen des Weinbaues und ihrem Vorhandensein in der Uckermark, weiß man doch, daß gerade der Wein den äußeren, namentlich klimatischen Einflüssen gegenüber höchst empfindlich ist und daß seine Existenz in erster Linie von der Erfüllung dieser Ansprüche abhängig ist. Aus dem tatsächlichen ehemaligen Vorhandensein des Weinbaues in der Uckermark muß man aber schließen, daß diese Ansprüche wirklich erfüllt worden sind — wenn auch vielleicht nur mangelhaft — ohne dabei die unrichtige Folgerung ziehen zu müssen, daß das spätere Verschwinden des Weinbaues aus eine Veränderung der bisherigen natürlichen Voraussetzungen zurückzuführen ist, d. h. besonders, daß eine klimatische Verschlechterung eingetreten sein müsse. — Die besten Anbaugebiete des Weines liegen wesentlich südlicher, wenn aber doch bei uns die Ansprüche des Rebstockes befriedigt wurden, so kann dies deshalb immer nur auf einigen wenigen und besonders begünstigten Oertlichkeiten zugetroffen haben. Die wichtigste Frage des Weinbaues die nach dem erforderlichen Wärmeminimum des Sommers, mit der sich auch schon Alexander von Humboldt beschäftigt hatte, welcher ein Julitemperaturmittel von mindestens 18 Grad Celsius forderte, beantwortet man in der Regel
heute auf Grund langjähriger Erfahrungen dahin, daß der Wein dort am besten gedeihe, wo er im Sommer eine Mitteltemperatur von + 20 Grad Celsius vorfindet und wo die mittlere Wintertemperatur den Gefrierpunkt nicht unterschreitet. Das sind Werte, die bei uns aber nur in Ausnahmefällen erreicht werden, da nach den Beobachtungen der Jahre 1851 bis 1890 die Mitteltemperaturen für Januar und Februar beziehungsweise Juli und August in Prenzlau nur — 1,1 und — 0,5 Grad beziehungsweise + 17,7 und + 17 Grad Celsius betragen (13,6). Der Weinbau kann sich daher bei uns nur auf ganz wenige, klimatisch bevorzugte Wärmeinseln beschränkt haben, über die aber kein statistisches Beobachtungsmaterial vorliegt. Nun erreicht im Süden Deutschlands, noch mehr aber in den Ländern des Mittelmeeres usw. die Sonne einen sommerlichen Hochstand, der einen Anbau des Weines auch im ebenen Gelände gestattet. Schon in der Rheinebene aber beobachtet man ein Zurückweichen des Weines auf die Gebirgshänge, da man durch die Anlage von Weingärten am Berghang hinauf den Einfallswinkel der Sonnenstrahlen vergrößern und damit die intensive Wirkung derselben erhöhen kann, was man bei der größeren Wärme der Südländer nicht nötig hat. Um wieviel mehr muß man da aber in unserm norddeutschen Flachlande bei der größeren Nordbreitenlage darauf ausgegangen sein, solche »Berge« zu finden, die, um Wein tragen zu können, die nötige Steilheit besaßen, welche am besten nach Süden gerichtet sein mußte. Auch West- und Südwestlagen kamen für die Anlage in Frage, weniger die Ost- und Südostlagen, da diese den scharfen winterlichen Ostwinden zu stark ausgesetzt waren. Nur bei solchen Voraussetzungen war es möglich, einen auch bescheidensten Ansprüchen genügenden Einfallswinkel der Sonnenbestrahlung zu erzielen; außerdem bot eine solche Lage noch den weiteren Vorteil, daß die Höhe, an der hinaus der Weinberg angelegt wurde, die kalten Nordwinde von dem empfindlichen Gewächs fernhielt. Betrachtet man einmal daraufhin die heute auf unsern Karten als Weinberge bezeichneten Hügel, so wird man finden, daß sie alle nach Möglichkeit diesen Anforderungen entsprechen. Als ein sehr
charakteristisches Beispiel eines solchen Weinberges kann der Groß-Fredenwalder angesehen werden, dessen stärkste Böschung gegen Süden und Osten gerichtet ist, der dagegen nach Norden und Westen sanfteres Gefälle zeigt, also sicherlich nur an den beiden erstgenannten Seiten Wein getragen hat. Aehnlich weist der Gerswalder Weinberg den steilsten Abfall gegen Süden aus nach der heute großenteils verlandeten Niederung des Haussees hin. Vom Prenzlauer Weinberg gilt das gleiche, denn er liegt auf der nach Süden geneigten, ziemlich steilen Abdachung des Stadthügels, der auf seinem höchsten Punkt Nikolaikirche und -kloster trägt. Sehr schön klar tritt bei dem Templiner Weinberg der Steilabfall nach Süden zum Templiner See in die Erscheinung, ähnlich neigen sich die beiden Schmiedeberger allmählich gegen Süden, der Basedower gegen Ostsüdost usw.
Diese enge Abhängigkeit der uckermärkischen Weinberge von der Bodengestaltung bietet einen wichtigen Fingerzeig für die ehemalige Verbreitung der Weinbauregion. Man darf nicht annehmen, daß die Weinbauparzellen wahllos über die ganze Fläche der Uckermark verstreut gewesen sind, sondern muß eine gewisse Abhängigkeit vom Boden vermuten, die in erster Linie durch seine Höhenverhältnisse bedingt war. Die größten Erhebungen aber und die kräftigste Ausprägung des Bodenreliefs haben wir im Zuge der die Uckermark durchquerenden großen baltischen Endmoräne zu suchen, die in der Tat auf ihren langhinstreichenden Hügelketten eine Reihe der genannten Weinberge trug, nämlich die von Alt-Künkendorf, Chorin, Niederfinow, Liepe und Oderberg. Dieser baltische Moränenzug erlebt bei uns — neben den schönen Hügelbögen von Joachimsthal — eine besonders charakteristische Ausbildung eben in diesen genannten Südostgebieten der Uckermark wo die geschwungenen Hiügelrücken bis dicht an den Steilabfall des Oderbruches herantreten und so für den Weinbau besonders günstige örtliche Verhältnisse bilden, deren Bedeutung wir oben bereits erkannt hatten. Zu beiden Seiten dieser sehr deutlich ausgebildeten, zusammenhängenden, bogenförmigen Hügelzone finden sich Gegenden, die durch mehr gemäßigte, ebenere
Geländeformen ausgezeichnet sind, die aber dennoch nicht als flach bezeichnet werden dürfen. Vielmehr trägt auch dieses Gebiet der Grundmoräne, wie der Boden nordöstlich der Endmoräne genannt wird, und der großen Sandgebiete des Südwestens zahlreiche Höhepunkte, doch ist bei diesen nicht die regelmäßige Anordnung zu beobachten wie bei den Höhen der Endmoräne. Für die Anlage von Weinbergen sind diese Höhen aber von grundlegender Bedeutung geworden, da ohne sie die Anlage überhaupt nicht möglich gewesen wäre.
>Zu den bisherigen Erwägungen, die auf eine enge Gebundenheit des einstigen Weinbaues an bestimmte Merkmale der Oberflächengestaltung schließen ließen, kommt noch eine weitere, wichtige hinzu. Wenn der Wein auch in erster Linie an das Klima seine Ansprüche stellt, so ist er doch auch der Beschaffenheit des Bodens gegenüber nicht ganz gleichgültig, wenn auch weniger empfindlich. Auch in den seinem Anbau günstigeren Gegenden liebt er die leichter zu erwärmenden, lockeren und trocknen Böden und meidet schwere, kalte und nasse Gegenden. Um wieviel mehr wiederum muß er auch im norddeutschen Flachlande auf eine Befolgung dieser Forderungen bedacht sein, um gedeihen zu können. Nun sind aber bei uns die schweren, kalten und nassen Böden im wesentlichen mehr über die nordöstliche Uckermark verteilt, wo der Geschiebemergel oder die Grundmoräne weite Flächen einnimmt. Die beiden südlicheren Kreise haben dagegen, wie jeder Landmann weiß, die mehr leichten, warmen und trocknen Böden und zwar liegt die Grenze zwischen den beiden Bodenarten im allgemeinen in der genannten Zone des baltischen Höhenrückens, dessen Südseite also außer durch günstige Besonnungsverhältnisse auch noch durch geeignete Bodenarten ausgezeichnet ist. Wir gewinnen aus dieser Feststellung aber auch zugleich eine Erklärung für die nicht im Bereich der Endmoräne gelegenen Weinberge, die sich zum größten Teil auf den nördlichen Teil der Uckermark mit ihren schwereren Böden beschränken, was gegen das Naturgesetz verstieße. Man weiß nämlich, daß diese eiszeitlichen Ablagerungen des Prenzlauer Kreises überaus mannigfaltig, nicht aber überall gleichmäßig zu-
sammengesetzt sind. Geologische Untersuchungen haben ergeben, daß wir auch im Norden der Uckermark weitgehend im Boden sandige Ablagerungen haben, die aber von einer früheren als der letzten, baltischen Eiszeit abgesetzt worden sind und dann durch eben diese letzte Eiszeit mit ihren mehr tonig-lehmigen Materialien des Geschiebemergels überlagert wurden. Zahlreiche Bohrungen haben die Gewißheit erbracht, daß diese Geschiebemergeldecke von sehr unterschiedlicher Dicke ist, stellenweise nur sehr dünn die darunterliegenden Sandablagerungen verdeckt und stellenweise sogar Löcher aufweist durch die die Sande des Untergrundes fensterartig durch die Lehmdecke hindurchblicken. Diese fensterartigen Durchragungen des Sandbodens durch den Geschiebemergel finden sich aber besonders häufig auf den höheren Erhebungen für die es eine oft gemachte Feststellung ist, daß sie in ihren unteren Teilen aus Geschiebemergel in ihren oberen dagegen mehr aus Sanden bestehen. Und diese Höhen sind es ja nun aber auch gerade, die nach obiger Darstellung wegen der Sonnenexposition allein für die Anlage von Weinbergen in Betracht kommen. Auf diese Weise ließen sich also auch die mehr vereinzelten unregelmäßigen Vorkommen alter Weinberge im Nordteil der Uckermark zwangslos erklären. Bezeichnenderweise befindet sich heute an der Flanke des nördlich von Schönermark gelegenen Weinberges eine Sandgrube eingetragen, die das soeben Gesagte bestätigt.
Schließlich sind noch einige Worte über das Verschwinden des Weinbaues bei uns zu sagen. Wie erwähnt, hat man oft genug zur Erklärung klimatische Veränderungen, ein Sinken des jährlichen Temperaturmittels herangezogen. Das ist zwar eine einfache und sehr bequeme Behauptung, aber den Nachweis einer Klimaverschlechterung in historischer Zeit, zumal in dem in Rede stehenden Zeitabschnitt hat man nicht erbringen können. Es spricht nach gründlicher botanischer und klimatologischer Untersuchung durchaus nichts für eine Klimaverschlechterung, die als Beweis für das Verschwinden des Weinbaues in unsern Breiten herangezogen werden könnte. Man sollte deshalb nicht immer wieder derartige unbewiesene Behauptungen nachreden und in
Büchern weiterschleppen zumal man andere und durchaus zwanglose Gründe für das Aussterben des Weinbaues bei uns anführen kann. Es brauchen nicht immer Veränderungen der Natur zu sein, die Menschheit ist schließlich auch weitergeschritten und damit haben Technik, Lebensansprüche, Moden usw. auch Veränderungen erfahren, die schon mehr als einen Wirtschaftszweig beseitigt und neue hervorgerufen haben. Die ehemalige weite Verbreitung des Weinbaues bei uns findet zum großen Teil ihre Erklärung in den Verkehrsschwierigkeiten früherer Jahrhunderte, die als Triebkraft nur Menschen- und Tierkraft kannten und im Straßenbau überaus mangelhaft ausgebildet waren. Daraus aber ergaben sich Unsicherheit und Verteuerung des Verkehrs und der Waren, damit verbunden wieder das Streben, den Bezug von außerhalb durch Erzeugung daheim zu ersetzen. Für die Klöster beispielsweise war der Wein unbedingte Notwendigkeit für die Abendmahlsfeier, und es hat dort oft genug Schwierigkeiten dabei gegeben, wo man nicht als Altarwein auf eigenes Erzeugnis zurückgreifen konnte. Darüber hinaus war man aber auch sonst in Klöstern und Laienhäusern dem Weine nicht abgeneigt, zumal das Bier noch nicht die Rolle spielte, die es später eroberte, und damit eine sehr wichtige Konkurrenz noch ganz fehlte. Als sich aber seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts die Verkehrsverhältnisse besserten und damit die Zufuhr fremder und besserer Weine immer billiger wurde, auch Bier und Branntwein immer größere Räume eroberten, wie besonders die Gebiete der nördlichen und östlichen Völker, zu denen früher lebhafter Export bestanden hatte, griff man selbst gern zu dem besseren und billigeren Wein von außerhalb und verlor für seine eigenen Erzeugnisse den bisherigen Markt. Daß man unter solchen Bedingungen den Weinbau aufgab, die Weinberge rodete und zu Obstgärten und Getreide- später auch, Kartoffelfeldern umwandelte, ist ohne weiteres einleuchtend. Zumal die Kartoffel gedieh auf den leichten Böden der bisherigen Weinkulturen recht gut und gab einen sichereren Ertrag als die oft unter der Ungunst des Klimas leidenden Weinstöcke. Auch kriegerische Ereignisse, die die schwere Arbeit von Generationen
vernichteten, die Säkularisation der Klöster, die die eifrigsten Pfleger der Rebe gewesen waren, wirkten in der gleichen Richtung. So erklärt sich das Verschwinden der Rebkultur ganz zwanglos und man braucht nicht seine Zuflucht zu Klimaschwankungen und andern Veränderungen der Naturbedingungen zu nehmen.
Man beobachtet denn schließlich ein immer größer werdendes Abklingen des einst so weit verbreiteten Weinbaues und ein notwendiges Fehlschlagen von Versuchen, die natürliche Entwicklung aufhalten zu wollen, wie es der Prinz Heinrich von Brandenburg-Schwedt versuchte, indem er 1735 den alten Ratsweinberg in Prenzlau noch einmal neu besetzen ließ, der aber nach wenigen Jahren schon wieder einging (14,30). Es schien, als ob auch die Natur das Ihrige zu einer völligen Ausrottung beitragen wollte, denn in ganz Brandenburg hat der berüchtigte lange und besonders harte Winter 1739/40 dem Rebbau den Rest gegeben, da er so streng war, daß die Reben bis auf die Wurzeln erfroren und so lang, daß noch im Juni Schnee auf den Feldern lag. So verschwand in diesem Winter der Weinbau in Liepe völlig, auch im ehemaligen Klosterweinberg am Plagesee erfroren alle Rebstöcke. Die Weingärten wurden nun aber natürlich nicht wieder neu besetzt. Nach Angaben von Hansen (6,77) war dann der Weinbau in der Uckermark wie auch in der Altmark, Priegnitz usw. 1782 völlig ausgestorben. 1730 noch nennt das Lieper Kirchenbuch einen Weinmeister Rabböse, 1789 verstarb dort der letzte Lieper Weinbauer Martin Goldbeck »des hiesigen Weinberges Erbpächter« (3,199). In andern Gegenden der Uckermark wird es ähnlich gewesen sein. Heute ist die Uckermark gänzlich ohne Weinbau, die wenigen Rebstöcke die sich im Schutze der Südwände von Häusern und Ställen hier und da noch finden, oder die vereinzelt noch an den Nieder-Finower Bergen und Hügelabhängen zu findenden, verwilderten Weinreben sind die letzten kümmerlichen Zeugen einer Zeit, die noch nicht den verwöhnten Geschmack hatte wie die heutige, die über die natürlichen Schön-
heitsfehler des einheimischen Tropfens hinwegsah, die den Wein durch Beimengung von Honig, Ingwer, Nelken und andern Gewürzen »schönte« und schließlich auch einmal mit einem Gewächs zufrieden war, wie es Hans Nikolai Block im »Stadtknecht von Prenzlau« schildert:
»Der unsrige schmeckt nicht wie Malvasier,
Er ist ein wenig sauer, wie 'ne Holzbirn.
Man sagt, er zieh' das Loch im Strumpf zusammen,
Jedoch wir trinken ihn, ist er doch besser
Als trübes Wasser aus dem Rathausbrunnen.«
Literatur: 1. Karl Nagel, Gerswalde, eine Geschichte Fleckens G. und der einigepfarrten Ortschaften. Mitt d. Uckerm. Mus.- u. Gesch.-Ver. VI. — 2. v. Arnim-Densen, Ein Beitrag zur Lebensweise der Vornehmen im 16. Jahrhundert. Mitt d. Uckerm. Mus.- u. Gesch.-Ver. I. — 3. Rudolph Schmidt, Liepe am Finowkanal Fitioi1vkanal. Mitt d. Uckerm. Mus.- u. Gesch.-Ver. III. — 4. Schultze, O., Die Uckermark unter dem Krummstab der Zisterzienser: Prenzlau 1911. A. Mieck — Kanzow, Prenzlau in alter Zeit. Vortrag, 1885. E. Vincent. — 6. Reindl, J. Die Weininseln Nord- und Mitteldeutschlands. Mitt. d. Geogr. Gesellschaft München, Bd. I. — 7. Corpus Juris Sueo-Gotorum Antiqui. Vol. VIII: Codices Juris Visbyensis urbici et maritimi. Herausgegeben von E. J. Schlyter, Lund 1853. — 8. Hartmeyer, H., Der Weinhandel im Gebiet der hanse im Mittelalter. Philosoph. Dissertation, Leipzig, Jena 1904, G. Fischer. — 9. Klöden, K. F., Beiträge zur Geschichte des Oderhandels, 1. Stück, Berlin 1845. — 10. Fischer, Fr. Chr. J., Geschichte des Teutschen Handels, IV. Bd., Hannover 1792. — 11. Phillip, H., Die Geschichte der Stadt Templin, Templin 1925, A. Kortes. — 12. Buschau, G., Zur Geschichte des Weinbaus in Deutschland. »Das Ausland« , 63. Jahrgang, 1890. — 13. Landeskunde der Provinz Brandenburg, herausgegeben von E. Friedel und R. Mielke, Bd. I. Berlin 1909. Dietrich Reimer. — 14. Dobbert, E., Prenzlau, die Hauptstadt der Uckermark. Prenzlau 1910. A. Mieck.