Achtung, Tütchen-Kontrolle!
oder: Wie gut ist das Profi-Saatgut in Baumärkten und Onlineshops wirklich?
Interessiert das jemanden? Wissen die Verbraucherzentralen oder die Kleingartenvereine das? Wer weiß darüber überhaupt bescheid?
Wer ist denn ein Profi? Wie arbeitet er und wie kommt sein Saatgut in die „Bunten Tütchen“, die wir in Baumärkten kaufen?
Wer prüft das Saatgut der Online-Shops, die laufend neu auf meinem Bildschirm aufpoppen?
Wer weiß, wie und wo Profi-Saatgut erzeugt wird?
Wer weiß, was all die Aufdrucke auf den Tütchen bedeuten?
Wer weiß, wie alt sein neu gekauftes Saatgut ist?
Wer weiß, welche Betrugsmöglichkeiten es beim Saatgut gibt?
Eine Menge Fragen, denen ich in diesem Beitrag ein wenig nachgehen möchte. Den Hauptteil habe ich jedoch der „Qualitätskontrolle“ gewidmet; denn ich wollte einfach mal ganz genau wissen, ob, von wem und wie „unser“ Hobby-Saatgut kontrolliert wird und was bei möglichen Kontrollen herausgekommen ist.
Eine Frage will ich gleich vorweg beantworten: Unter „Profi“ verstehe ich all diejenigen, die Saatgut gewerblich verkaufen; diese müssen nicht zwangsläufig professionell arbeiten und über eine entsprechende Ausbildung oder Erfahrung verfügen. Jede:r darf Saatgut verkaufen, so lange es vorgeschriebene Normen einhält…
Wer prüft, wie gut Saatgut ist?
Jede:r kann Saatgut verkaufen – und jede:r kann es auch prüfen.
Ich hätte mir z. B. eine große Menge Saatgut-Tütchen von verschiedenen Anbietern kaufen und die Qualität des Saatguts selbst überprüfen können; aber eine solche Prüfung wäre entweder nur total laienhaft gewesen oder hätte einen (außer)ordentlichen Aufwand an Zeit und Kosten verursacht, den ich als Privatmensch kaum leisten kann; außerdem wäre es nur eine einmalige Stichprobe ohne wirkliche Aussagekraft gewesen.
Natürlich könnten das auch unabhängige Verbände oder Institionen tun; aber wozu wird schließlich beim Saatgut von Staats wegen ein gewaltiger Aufwand an Vorgaben und Kontrollen betrieben?
Wahrscheinlich wisst Ihr, dass es das Saatgutverkehrsgesetz (SaatG), eine Saatgutverordnung (SaatV) und das Sortenschutzgesetz (SortenSchG) gibt. Die meisten von Euch werden diese gesetzlichen Regelungen im Zusammenhang mit ihrem negativen Einfluss auf die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen kennen – und sie deshalb eher negativ bewerten.
Nicht alle werden jedoch die Einrichtungen kennen, die sich mit der Umsetzung dieser Regeln befassen, wie die Sortenzulassungstelle, das Bundessortenamt, die staatlichen Saatgutanerkennungsstellen sowie die amtliche Saatgutverkehrskontrolle.
Für Hobby-Saatgut gelten all diese Regeln ebenfalls, wenn es gewerblich hergestellt und in Verkehr gebracht, also verkauft wird. Obwohl „gutes“ Saatgut für uns Freizeitgärtner:innen nicht (über)lebenswichtig ist, wollte ich die oben gestellte Fage doch einmal, so gut es ging, beantwortet haben; deshalb sagte ich mir: „Frag doch einfach mal bei der obersten Stelle nach, welche Ergebnisse die amtlichen Kontrollen der „Bunten Tütchen“ in den letzten Jahren so erbracht haben?“
Frohgemut ging ich ans Werk in der Meinung, auf diese Weise die gewünschten Auskünfte zur Saatgut-Qualität schnell und effektiv erhalten und Euch hier präsentieren zu können.
Vorbeugende Enttäuschung
Wer jetzt den Beitrag hoffnungsvoll aufgerufen hat, um Klarheit über die qualitative Beschaffenheit des Hobby-Saatguts zu gewinnen, den muss ich leider gleich enttäuschen.
Glaubt mir, ich hätte gern verkündet, dass Profi-Saatgut alle gesetzlichen Anforderungen übererfüllt. Ich hätte natürlich auch gerne einen Skandal aufgedeckt oder amtlich bestätigt gefunden, dass Hobby-Saatgut von viel miserabler Qualität als selbst gewonnenes Saatgut ist; aber leider kann ich Euch fast nichts Konkretes vermelden: Ich konnte nur wenige Angaben ausgraben, aus denen sich auch nur sehr vage die Qualität unseres Saatguts ablesen lässt (siehe unten).
Die meisten zuständigen Behörden ignorierten meine Anfragen, ließen den Amtsschimmel wiehern, speisten mich mit nichtssagenden Hinweisen auf die Gesetzeslage ab oder erklärten mir mehr oder weniger wortreich, dass sie keine Kontrollergebnisse mitteilen dürften, weil wir Verbraucher:innen – und jetzt Achtung! – „(ggf. auch falsche) Rückschlüsse auf einzelne Saatgutunternehmen“ ziehen könnten.
Mir bleibt also hier nicht anderes übrig, als Euch zu berichten, was ich bei meinen Bemühungen alles erfuhr und erlebte. Das ist zwar auch interessant und recht aufschlussreich, aber es ist nicht das, was ich wollte: Konkrete Informationen über die Ergebnisse unabhängiger Kontrollen.
Vielleicht ändert sich das Behördenverhalten ja, wenn sich mehr Gärtner:innen (und ihre Verbände) für die Qualität ihres Saatguts interessieren und ebenfalls mal nachfragen (die Adressen der zuständigen Landesbehörden habe ich deshalb unten zusammengestellt)…
Der Weg des Saatguts in ein „Buntes Tütchen“
Züchtung von Sorten
Das gesamte, gewerblich vertriebene Saatgut stammt ursprünglich von Züchtern.
Züchter sind diejenigen, die neue Sorten in einem mehrjährigen Prozess kreieren, bei einem Amt anmelden (und damit schützen lassen) und diese während der Schutzzeit (zumeist 25 bis 30 Jahre; in dieser Zeit können Lizenzgebühren gefordert werden) in dem (äußeren) Zustand erhalten (sollten), der bei der Anmeldung festgestellt wurde.
Mittlerweile sind die vielen Züchter von früher zu wenigen großen Saatgut-Konzernen zusammengeschmolzen.
Früher hatte jeder Züchter so genannte Zuchtgärten, in denen er seine Sorten in einem mehr oder weniger großen Bestand rein erhielt. Er baute sie jedes Jahr an, achtete darauf, dass keine ungewollten Kreuzungen stattfanden, entfernte während der Wachstumsperiode alle Pflanzen mit unerwünschten Merkmalen und nutzte am Ende nur die besten zur Saatgutgewinnung, sprich: für die Erhaltung. Heute findet diese Form der Erhaltung zumeist in Form von Gewebekulturen in Laboren statt.
Vermehrung von sortenechtem Saatgut
In den Zuchtgärten gewann der Züchter nicht nur das Saatgut für die Erhaltung seiner Sorte, sondern auch so genanntes Vorstufen-Saatgut, das der Ausgangspunkt für das Saatgut ist, das die Verbraucher:innen später in Händen hielten. Heute wird dieses Saatgut zumeist von Pflanzen gewonnen, die aus einzelnen, „echten“ Zellen im Labor erzeugt werden.
„Die Saatgutvermehrung organisieren die Vermehrungsorganisationen (VO-Firmen) oder Vermehrungs- und Vertriebsfirmen (VV-Firmen). Ausgehend von der Ermittlung des Saatgutbedarfs für ihr jeweiliges Erzeugungsgebiet steuern die VO-Firmen die Saatgutproduktion der für die Regionen optimal geeigneten Sorten.“ lese ich beim Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter.
Die Züchter wählen Firmen als VO-Firmen aus; die VO-Firmen wiederum suchen sich landwirtschaftliche Betriebe, die Saatgutpflanzen anbauen, und Betriebe, die das Saatgut anschließend aufbereiten (reinigen und beizen); Züchter von Gemüse-Saatgut organisieren die Vermehrung zumeist selbst.
Ausgehend von amtlich zugelassenen Sorten, über amtlich anerkanntes Vorstufensaatgut, amtlich anerkanntes Basissaatgut wird letztlich Z-Saatgut (Z steht für „zertifiziert“) für den Endverbraucher vermehrt. Dieser Weg ist jedoch nur für Saatgut vorgeschrieben, das in großen Mengen (siehe Kasten unten) verbraucht wird.
Gemüsesaatgut wird zwar über die gleichen Stufen produziert, jedoch muss das Saatgut der einzelnen Stufen nicht auf dem Feld amtlich begutachtet und anerkannt werden.
So wie die Züchtungsunternehmen heute ihre Züchtungslabore über die ganze Welt verteilt haben können, so kann auch das Saatgut in allen Teilen der Welt vermehrt werden. Häufig wird die Vermehrung beschleunigt, indem Nord- und Südhalbkugel der Erde zum Anbau genutzt werden.
Alle, die geschützte Sorten vermehren, zahlen Lizenz- oder Nachbaugebühren an die Züchter, deren Höhe diese selbst festlegen.
Der Saatgut-Handel
Beim Saatgut-Handel sind wiederum Groß- und Einzelhandel zu unterscheiden. Die Großhändler ordern bei den VO-Firmen oder, was beim Gemüse-Saatgut häufiger der Fall sein wird, direkt bei den Züchterfirmen Saatgut der Sorten, die sie für verkäuflich halten.
Der Einzelhandel wiederum, z. B. ein Discounter, bestellt bei einem Großhändler eine bestimmte Menge Saatgut in bestimmten Verpackungen; der Großhändler liefert ein fertig verpacktes Sortiment an den Discounter, der es wiederum in seine Filialen verteilt.
Auch Händler, heute vor allem Internet-Händler, die ein größeres Sortiment an Saatgut anbieten, beziehen dieses von verschiedenen Großhändlern, die teilweise auch selbst noch züchten/vermehren (Chrestensen, Quedlinburger Saatgut, Volmary, Nebelung, Dürr-Samen, Carl Pabst), sowie direkt von (kleineren) Züchterfirmen, die selbst auch Handel treiben. (Bingenheimer Saatgut, Dreschflegel, Sativa, ReinSaat)
Odyssee durch den Behördendschungel
Als ich anfing, mir Gedanken über die Qualität das Saatguts für uns Freizeit-Gärtner:innen und Halb-Profis zu machen, war die erste spannende Frage: An wen wende ich mich überhaupt, um qualifizierte Aussagen über die Qualität von Gemüse-Saatgut in „Bunten Tütchen“ zu bekommen?
Könnte der Bundesverband der Verbraucherzentralen hier nicht bescheid wissen? Auch der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde könnte ein brennendes Interesse an dieser Frage haben. Wie siehts mit der Stiftung Warentest aus, käme die nicht für eine solche Untersuchung in Frage?
Oder ist dafür auch die amtliche Saatgutverkehrskontrolle zuständig, die meines (damaligen, begrenzten) Wissens nach das Saatgut der gewerblichen Groß-Erzeuger- und -verbraucher im Auge hat? Ich wusste damals noch nicht, dass Hobby-Saatgut zu großen Teilen mit dem Saatgut identisch ist, das die gewerblichen Anbauer nutzen.
Ich kann verkünden, dass ich versucht habe, alle genannten Institutionen zu befragen; aber ich fange mal mit der wichtigsten an, dem Gesetzgeber.
Das Saatgutverkehrsgesetz ist ein Bundesgesetz; also sollte das zuständige Ministerium, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), über die Ergebnisse von Saatgut-Kontrollen informiert sein; dachte ich.
Auf meine Anfrage wurde mir jedoch nur mitgeteilt, was ich bis dahin schon wusste: „Die Kontrolle des Saatgutverkehrs obliegt nach § 28 des SaatG den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Insofern können zum Umfang der Kontrollen von hier aus keine Aussagen getroffen werden.“
Auch eine Bundestagsfraktion erhielt auf eine ähnliche Kleine Anfrage eine ähnliche Antwort: „Der Bundesregierung liegen diese Daten nicht vor.“
Bundesregierung und Parlament erlassen also Gesetze, lassen sich aber von den Stellen, die für die Umsetzung der Gesetze zuständig sind, nicht über die Auswirkungen und Ergebnisse informieren? Das finde ich ein bisschen merkwürdig…
Mein nächster Versuch richtete sich an das Bundessortenamt, hatte ich doch auf seiner Webseite gelesen: „Koordinierungsstelle des Bundes zu den Saatgutanerkennungs- und Saatgutverkehrskontrollstellen der Bundesländer und des Auslandes“.
Dort liefen also die Fäden zusammen und somit hoffentlich auch die Ergebnisse von Kontrollen…
Tja, doch auch das Bundessortenamt konnte mir die gewünschten Informationen nicht liefern, da es nicht „Verantwortliche des Verfahrens“ sei, wie es mir mitteilte.
Immerhin erfuhr ich: „Zur Feststellung der Sortenechtheit und Sortenreinheit werden jährlich Proben der Nachkontrollstellen und der Saatgutverkehrskontrollstellen beim Bundessortenamt angebaut und geprüft.“
Das machte doch wenigstens Hoffnung auf ein paar Hinweise…
Und außerdem: „Für weitere Informationen wenden Sie sich an die Vorsitzende der AG Saatgutverkehrskontrollstellen.“
Das klang sogar nach einem richtig heißen Tipp!
Vom Bundessortenamt sollte ich also wenigstens erfahren können, welche Ergebnisse die Prüfungen auf Sortenechtheit und Sortenreinheit erbrachten.
Und die „AG der Saatgutverkehrskontrollstellen der Bundesländer“ hörte sich nach einer Stelle an, über die ich vielleicht direkt die Kontrollergebnisse aller Bundesländer erfahren konnte.
Na, prima!
Fragen an die Vorsitzende der AG Saatgutverkehrskontrollen
Also stellte ich der Vorsitzenden der AG meine Fragen. Sie beantwortete sie praktischerweise in „blau“, so dass ich sie hier sehr übersichtlich im Original wiedergeben kann:
Ihr einführender Satz lautete: „bei uns, der Saatgutverkehrskontrolle (SVK) steht der Verbraucherschutz an erster Stelle.“
Aha, das beruhigte mich schon mal ungemein; musste ich da überhaupt noch weiterlesen?
Ich halte es am liebsten mit dem Grundsatz: Glauben ist gut, Wissen ist besser (oder hieß der Satz anders?), und fragte deshalb unbeeindruckt:
Wird Gemüse-Saatgut für den Hobby-Bereich von den zuständigen Landesbehörden auf die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsnormen geprüft?
Ja. Es wird geprüft, ob das Standardsaatgut die gesetzlichen Anforderungen an die Beschaffenheit des Saatgutes, wie Keimfähigkeit, Besatz und Reinheit nach der Saatgutverordnung, Anlage 3 erfüllt. Den Begriff „Qualitätsnormen“ gibt es so nicht im Saatgutrecht.
An welcher Stelle werden diese Kontrollen durchgeführt, beim Saatgut-Erzeuger, Großhändler und/oder beim Einzelhandel?
Die Kontrollen der Saatgutverkehrskontrolle (SVK) in Bezug auf Standardsaatgut (Gemüse) beziehen sich auf den Handel, sprich das Inverkehrbringen von Saatgut. Es werden Kontrollen durchgeführt bei den Herstellern von Kleinpackungen, Großhändlern und im Einzelhandel.
Wie oft finden derartige Prüfungen bei den einzelnen Stellen durchschnittlich pro Jahr statt?
Das ist unterschiedlich vom Bundesland zu Bundesland. Bei uns in Niedersachsen sind es 0,9 % der SVK-Proben im Jahr.
Welche Merkmale werden bei Kleinpackungen geprüft?
Neben den Mindest-Anforderungen an die Beschaffenheit des Standardsaatgutes, wie zum Beispiel Keimfähigkeit, werden die Kleinpackungen auf eine ordnungsgemäße Kennzeichnung überprüft.
Vorgeschriebene Kennzeichnung von Saatgut-Kleinpackungen
Alle „Bunten Tütchen“ (Kleinpackungen Gemüse) müssen mit bestimmten Angaben versehen sein; nur diejenigen Tütchen, die direkt von Saatgut-Erzeuger:innen an Endverbraucher:innen verkauft werden, sind davon (warum auch immer) befreit.
Die Angaben richten sich sowohl nach den Vorgaben der SaatV, hier: § 40, als auch nach den EU-Vorgaben zum „Pflanzenpass“ (seit 2019).
Angaben laut Pflanzenpass
In der linken oberen Ecke muss die EU-Flagge (in Farb- oder Schwarz/Weiß-Druck), in der rechten oberen Ecke der Begriff „Plant Passport“ (ggf. ergänzt durch „Pflanzenpass“) erscheinen; darunter die vier Buchstaben A bis D mit folgenden Angaben:
- A: der botanische Name (Gattungs- und Artname) der betreffenden Pflanzenart, zusätzlich optional der Name der Sorte
- B: Registriernummer des ausstellenden Unternehmers
- C: Rückverfolgbarkeitscode für die Handelseinheit
- D: Zwei-Buchstaben-Code für das Ursprungland der Ware
Angaben nach §40 SaatV
- EG-Norm
- Name und Anschrift des Herstellers der Kleinpackung oder seine Betriebsnummer
- Art- und Sortenbezeichnung
- Bei Saatgutmischungen von Sorten einer Gemüseart die Angabe „Saatgutmischung aus Sorten der Art…“
- Kategorie (dabei kann Zertifiziertes Saatgut durch den Buchstaben „Z“, Standardsaatgut durch die der Partienummer angefügten Buchstaben „St“ abgekürzt werden)
- Kennnummer (s. u.; nur teilweise erforderlich)
- Von dem abfüllenden Betrieb festgesetzte Partienummer (bei Standardsaatgut) oder die vergebene Mischungsnummer
- Wirtschaftsjahr der Verschließung oder der letzten Prüfung der Keimfähigkeit
Das Wirtschaftsjahr wird zumeist mit einem Buchstaben verschlüsselt, den das Bundessortenamt jährlich neu festlegt und höchst amtlich bekanntmacht.
Wer trotzdem wissen möchte, wann das Saatgut ins Tütchen kam, das in einem Saatgutständer steht, muss sich nur die folgenden Buchstaben merken; sie werden meist in der März-Ausgabe des „Blatt für Sortenwesen“ unter dem Titel „Bekanntmachung Nr. XX/XX des Bundessortenamtes vom 1. März XXXX über den bei der Verschließung von Kleinpackungen mit Standardsaatgut im Wirtschaftsjahr XXXX/XXXX [01.07. bis 30.06. des Folgejahres] anzuwendenden Jahresschlüssel“ veröffentlicht):
H: 2024/2025
W: 2023/2024
B: 2022/2023
G: 2021/2022
A: 2020/2021
Z: 2019/2020
R: 2018/2019
O: 2017/2018
L: 2016/2017
N: 2015/2016
K: 2014/2015
F: 2013/2014
D: 2012/2013
T: 2011/2012
(ich habe im Frühjahr 2020 bei einem Discounter in Angermünde noch eines mit dem Buchstaben O bekommen)
Leider muss bei Packungen mit einem Gewicht unter 500 Gramm nicht angegeben werden, wie viele Samen in einer Packung enthalten sind. Dadurch sind die Preise der Tütchen nicht vergleichbar; außerdem kann die Menge jederzeit verringert werden, ohne dass es auffällt. Man kann deshalb oft so unsinnige Angaben wie „Inhalt reicht für ca. 1 – 1,5 lfm.“ lesen (s. o.; lfm = laufende Meter = Meter).
Wie sind die Ergebnisse der Prüfungen in den letzten drei Jahren ausgefallen, für die Ihnen Daten vorliegen?
Ergebnisse von Prüfungen sind, gemäß den rechtlichen Vorschriften nur für den internen Gebrauch bestimmt. Im Rahmen von Beanstandungen geben wir Ergebnisse nur an das betroffene Unternehmen weiter.
Welcher Art waren die Beanstandungen, die es möglicherweise gab?
Keimfähigkeit, Besatz und Sortenechtheit.
Liegen Ihnen die Prüfungsergebnisse der Nachkontrollen aller Bundesländer vor?
Über die Ergebnisse des Nachkontrollanbaues der Nachkontrollstelle kann ich nicht verfügen, weil ich für die SVK zuständig bin. Im Rahmen der SVK lassen wir auch SVK-Proben überprüfen mittels des Nachkontrollanbaues durch das Bundessortenamt auf Sortenechtheit und Sortenreinheit. Allerdings sind diese Daten nur für den internen Gebrauch bestimmt und im Rahmen von Beanstandungen geben wir, wie bei der Überprüfung der Beschaffenheit, Ergebnisse nur an das betroffene Unternehmen weiter.
Na ja, diese Auskünfte waren zwar für meine Weiterbildung wertvoll, aber wenig ergiebig für die Erweiterung meiner Kenntnisse über die Qualität von Hobby-Saatgut. Außer der Angabe, dass in Niedersachsen 0,9 % der SVK-Proben im Jahr auf Kleinpackungen entfallen, erfuhr ich nichts – und selbst mit diesem Wert konnte ich nicht viel anfangen, wenn mir die Gesamtzahl der SVK-Proben nicht bekannt war.
Hartnäckig oder aufdringlich weiterfragen
Obwohl es mir wirklich schwer fiel, die Vorsitzende weiter zu quälen, fragte ich noch einmal nach; denn ich wollte es nun mal wirklich wissen…
Können Sie die absolute Zahl der Proben nennen, auf die sich die 0,9% beziehen? Entfallen in jedem Jahr 0,9% auf „Hobby-Saatgut“ oder ist das die Zahl des letzten Jahres (welches?) oder ist dies ein Durchschnittswert (aus wie viel Jahren)?
Sie schreiben, dass Sie nur für die SVK zuständig sind. Wer ist für die Nachkontrolle zuständig, welche Einrichtung fungiert also als Nachkontrollstelle, d. h., wer veranlasst die Nachkontrolle? Findet eine Nachkontrolle außerhalb der SVK statt?Wie viele Hersteller von Kleinpackungen und Großhändler kontrollieren Sie? Welche Firmen sind das?
Überprüfen Sie auch Händler*innen, die ihr Saatgut über das Internet vertreiben?
Ich kann nicht sagen, dass die Vorsitzende nicht bemüht war, meine Fragen ausführlich zu beantworten:
Von den Saatgutverkehrskontrollstellen werden Kontrollen durchgeführt bei den Inverkehrbringern von Saatgut, wie wir schon erläutert haben. Dies umfasst die Abpackbetriebe von Kleinpackungen, Großhandelsbetriebe, Einzelhandel einschließlich Handelsbetriebe, die Saatgut über das Internet vertreiben. Stellt sich heraus, dass eine Partie nicht die Beschaffenheitsnormen erfüllt oder nicht sortenecht ist, halten wir uns in der Regel an den Abpacker der Kleinpackung, also den, der das Saatgut abfüllt, im Ordnungswidrigkeiten-Recht.
Wie Sie vielleicht selber wissen, ist die Anzahl der Abpacker von Kleinpackungen in dem Bereich Gemüse-Saatgut für den Hobbybereich in der Bundesrepublik sehr überschaubar. Von daher werden in Niedersachsen und in den anderen Bundesländern keine Zahlen zu Kontrollen und deren Ergebnissen in dem Bereich veröffentlicht. Zu groß ist die Gefahr, dass (ggf. auch falsche) Rückschlüsse auf einzelne Saatgutunternehmen gezogen werden.
Wir bitten Sie deshalb um Verständnis, dass wir keine konkreten, näheren Auskünfte über die Kontrollen geben.
Als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Saatgutverkehrskontrollstellen kann ich Ihnen nur noch mal versichern, dass bei uns, den Saatgutverkehrskontrollstellen der Bundesländer, der Verbraucherschutz an erster Stelle steht.
Der Nachkontrollanbau der Saatgutverkehrskontrollstellen ist über den § 28 SaatG abgedeckt. Wie schon erläutert, lassen wir SVK-Proben mittels des Nachkontrollanbaues durch das Bundessortenamt auf Sortenechtheit und Sortenreinheit, wie die Nachkontrollstelle, überprüfen.
Jetzt wusste ich zumindest eindeutig, dass ich nichts wissen sollte…
Falls jemand noch nicht ganz verstanden hat, wie das System der Kontrollen funktioniert, habe ich versucht, es im folgenden Kasten übersichtlich darzustellen.
Die Arbeit der amtlichen Saat- und Pflanzgutkontrolle
Der größte Aufwand wird naturgemäß für das Saat-/Pflanzgut der Pflanzenarten betrieben, die den größten Teil des gewerblichen Anbaus ausmachen: Getreide, Mais, Gräser, Klee, Raps, Ackerbohne, Futtererbse, Lupine, Zuckerrübe und Kartoffel (Gemüse-Arten zählen in Deutschland nicht dazu).
Saatgutanerkennung
Das Saat- und Pflanzgut dieser Arten darf nur verkauft werden, wenn es zuvor amtlich zugelassen, sprich: zertifiziert worden ist. Dafür sind die Anerkennungsstellen für landwirtschaftliches Saat- und Pflanzgut zuständig.
Bei diesen Stellen müssen alle Flächen angemeldet werden, auf denen Saat-/Pflanzgut der oben genannten Arten angebaut werden soll.
In Laufe des „Wuchsjahres“ finden dann auf allen gemeldeten Flächen so genannte Feldbesichtigungen statt; speziell geschulte Menschen beurteilen die Samenpflanzen und ihre Felder nach den vorgegebenen Kriterien (die in den oben genannten Gesetzen/Verordnungen festgelegt sind).
Vor der Ernte des Saatguts wird dann bescheinigt, ob die besichtigten Bestände die Normen erfüllt haben.
Nach der Ernte wird das Saatgut noch einmal, aber nur stichprobenartig geprüft. Ausgebildete Probennehmer:innen entnehmen Proben bei den Firmen, die das Saatgut aufbereiten (reinigen, beizen), abpacken und lagern. Diese Stichproben werden dann auf die Beschaffenheit (Keimfähigkeit u. a.) untersucht und teilweise an das Bundessortenamt übergeben, das in dem so genannten Nachkontrollanbau die Sortenechtheit und Sortenreinheit der Samen ermittelt.
Das alles findet im Rahmen der Saatgutanerkennung statt und wird von den dafür zuständigen Stellen veranlasst.
Saatgutverkehrskontrolle
Darüber hinaus gibt es die so genannte Saatgutverkehrskontrolle; diese prüft das Saatgut beim Handel, also an den Stellen, an denen es die Endverbraucher:innen kaufen können. Auch hier wird vorrangig das „Massensaatgut“ geprüft, das die gewerbliche Landwirtschaft verbraucht.
In diesen Bereich fällt aber auch das gesamte Gemüse-Saatgut; dieses wird als Standard-Saatgut bezeichnet und bedarf keiner Anerkennung bei der Vermehrung (während des Anbaus). Vorrangig wird auch hier wieder das Saatgut geprüft, das gewerbliche Gemüseanbau- und Gartenbaubetriebe verwenden.
Das Hobby-Saatgut, das einen Bruchteil des gewerblich verbrauchten Saatguts ausmacht, stammt zu großen Teilen ebenfalls aus dieser Quelle und unterscheidet sich deshalb nicht von diesem.
Diese „Endkontrollen“ finden ebenfalls stichprobenartig statt; die Prüfung gleicht derjenigen, die bei zertifiziertem Saatgut nach der Ernte durchgeführt wird: Beschaffenheitsprüfung im zuständigen „Landeslabor“ und Prüfung auf Sortenechtheit und -reinheit beim Bundessortenamt (ebenfalls als Nachkontrollanbau bezeichnet).
Fragen zum Nachkontrollanbau des Bundessortenamtes
Ja, da war ja noch der Nachkontrollanbau zur Prüfung von Sortenechtheit und Sortenreinheit beim Bundessortenamt! Diese Daten könnten zumindest ein paar Informationen über die Sortenechtheit und -reinheit unseres Saatguts liefern; diese sind zwar für Hobby-Gärtner:innen kaum relevant, aber was blieb mir anderes übrig, wenn ich überhaupt etwas erfahren wollte…
Also fragte ich das Bundessortenamt:
„Ich wäre nun sehr an den Ergebnissen dieser Prüfungen, soweit sie sich auf Standardsaatgut für den Hobby-/Freizeitbereich beziehen, interessiert.“
Nach mehrmaligen Nachfragen wurde mir lediglich beschieden: „zuständig für Nachkontrolle und Saatgutverkehrskontrolle sind die Länder, die somit auch Verantwortliche des Verfahrens sind.“
Nun gut, bei den Zentralstellen gab es also nichts zu holen; dann tingele ich eben über die Dörfer und versuche mein Glück bei den einzelnen Landesbehörden, „den Verantwortlichen des Verfahrens“.
Klinkenputzen bei den Saatgutverkehrskontrollstellen der Bundesländer
Selbst wenn man weiß, wie das ganze Saatgutsystem aufgebaut ist und funktioniert (siehe Kasten oben), weiß man damit noch lange nicht, wer letztendlich vor Ort für die Kontrolle des Saatguts zuständig ist, das sich im Verkehr, sprich: im Handel, befindet.
Jedes deutsche Bundesland hat eine eigene Behörde beauftragt, sich darum zu kümmern (wer sie alle kennenlernen will, kann die Liste am Ende des Beitrags studieren). Somit war auch hier wieder Forschungsarbeit fällig; doch die hätte ich mir sparen können: Die meisten zuständigen Länderstellen sind über die AG Saatgutverkehrskontrollen bestens miteinander vernetzt und waren schon vor Eintreffen meiner Anfrage von der Vorsitzenden über die gemeinsame Sprachregelung informiert worden.
Die Antworten lauteten dann so:
Nach meiner Kenntnis wurden Ihre Fragen bereits von der Vorsitzenden der AG der Saatgutverkehrskontrollstellen der Länder … vollumfänglich beantwortet.
Daher bitte ich um Ihr Verständnis, wenn ich hier auf eine erneute Darstellung der Zusammenhänge verzichte.“
Diese Antwort bekam ich aus Hessen; aber auch Baden-Württemberg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern äußerten sich ähnlich.
Falls ich doch eine eigenständige Antwort bekam, endete diese zumeist mit der bekannten Formel:
Antwort aus Sachsen; Antworten im gleichen Tenor kamen aber auch aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Thüringen.
Die Behörden können auch anders
In Rheinland-Pfalz sind die rechtlichen Vorschriften, mit denen andere Bundesländer ihre Auskunftsverweigerung begründeten, anscheinend nicht bekannt; auch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg scheinen sie nicht so ernst zu nehmen und veröffentlichen Übersichten der Kontrollergebnisse auf ihrer Webseite bzw. in einem Jahresbericht für Landwirtschaft (S. 64).
Die „Amtliche Saatqutverkehrskontrolle Rheinland-Pfalz“ schickte mir als einzige Stelle bereitwillig die folgende Übersicht:
Anfrage von Herrn Müller-Lütken (10.02.2020)
Zu Frage 1: Gewerbliche Betriebe
Es sind in Rheinland-Pfalz bei Gemüsesaatgut derzeit insgesamt 12 Betriebe registriert.
Zu Frage 2: Umfang der Probenahme
Im Rahmen der Beschaffenheitsprüfunqen wurden in den letzten 5 Jahren die folgenden Probenahmen durchgeführt: | |||
---|---|---|---|
Jahr | Saatgutproben insgesamt | davon Gemüseproben | Prozent |
2015 | 220 | 38 | ca. 17 % |
2016 | 246 | 51 | ca. 20 % |
2017 | 228 | 26 | ca. 11 % |
2018 | 201 | 32 | ca. 16 % |
2019 | 200 | 32 | ca. 16 % |
Im Rahmen des Nachkontrollanbaues wurden in den Jahren 2015 bis 2019 insgesamt 10 Sorten überprüft (ca. 5 % der Gemüseproben).
Zu Frage 3: Beanstandungen
Die Untersuchungen der Beschaffenheit ergaben die folgenden Ergebnisse: | |||
---|---|---|---|
Jahr | Gemüseproben | Beanstandungen Anzahl |
Beanstandungen Art |
2015 | 38 | 1 | Fremdbesatz |
2016 | 51 | 2 | Keimfähigkeit |
2017 | 26 | 2 | Keimfähigkeit, Schaderreger |
2018 | 32 | 0 | |
2019 | 32 | 1 | Keimfähigkeit |
In den Jahren 2015 bis 2019 wurden somit insgesamt 179 Gemüseproben untersucht.
Hierbei gab es 6 Beanstandungen, was einer statistischen Beanstandungsquote von 3,3 % entspricht.
Im Rahmen des Nachkontrollanbaues wurde 1 Beanstandung festgestellt (statistisch 10 %).
Die überlieferte Statistik bezieht sich vollumfänglich auf den Hobbybereich.
Nach meinen „Ermittlungen“ werden also in Rheinland-Pfalz pro Jahr ca. 35 Proben von Standard-Gemüsesaatgut untersucht, in Thüringen 35 bis 40 (siehe Beitrag „Die Saatgutfrage“), 82 Proben im Jahr 2018/19 in Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern keine.
Wenn ich den Durchschnitt auf 50 Proben pro Bundesland ansetze, wären das bei 13 „Flächenländern“ ungefähr 650 Proben, die untersucht würden. Laut einer Pressemitteilung des Industrieverband Garten (IVG) e.V. vom 15. April 2019 betrug der Absatz an „Bunten Tüten“ in Deutschland im Jahr 2018 etwa 85 bis 90 Millionen Einheiten.
Rein statistisch gesehen ist eine solche Prüfung also völlig wertlos, wenn – ja, wenn nur die „Bunten Tütchen“ des Einzelhandels direkt geprüft würden.
Der überwiegende Teil des Hobby-Saatguts stammt jedoch von den wenigen Großhändlern, die das Saatgut für den Profi-Anbau liefern, ist also mit diesem vollkommen identisch. Wie die Tütchen aussehen, spielt am Ende keine Rolle: In allen steckt das gleiche Saatgut von den wenigen, großen Züchtern.
Die Beanstandungen halten sich meines Erachtens in Grenzen, wenn auch die Frage interessant wäre, wer von den Händlern beanstandet wurde?
Aus diesem Grund beschäftigt mich noch die Frage, warum die meisten Behörden dermaßen verschlossen reagierten?
Behördliche Geheimniskrämerei und ihre Folgen
Wenn ich die mitgeteilte Begründung „Zu groß ist die Gefahr, dass (ggf. auch falsche) Rückschlüsse auf einzelne Saatgutunternehmen gezogen werden“ ernst nehme, folgt daraus:
Gibt es unter diesen etwa Schwarze Schafe? Was geht da ab im Dunkel der Amtsstuben?
Wir als Verbraucher:innen von gewerblich erzeugten Produkten könnten falsche Schlüsse aus amtlichen Untersuchungsergebnissen ziehen? Würden wir vielleicht die Erzeugnisse von auffälligen Saatgutunternehmen zu Unrecht meiden, weil die festgestellten Mängel in Wahrheit gar keine Mängel sind?
Nein, so etwas Schandhaftes sollen wir nicht tun; wir sollen unseren Behörden vertrauen, die regeln das schon für uns (unter der Hand). Für die steht der Verbraucherschutz doch an erster Stelle. Wir Bürger:innen sollen einfach vertrauen und uns nicht mit Dingen belasten, die wir nicht verstehen; das verunsichert uns nur.
Ich kann mir nicht helfen: Eine solche Geheimniskrämerei macht mich eher misstrauisch. Ich frage mich: Für wen arbeiten die Behörden, wem dienen sie? Arbeiten sie im Interesse und im Auftrag der Staatsbürger:innen oder im Interesse der gewerblichen Wirtschaft?
Das Schlimme an dieser Sache ist, dass durch ein solches behördliches Schweigen die gesamte Saatgutbranche in Misskredit gebracht wird: Wenn man nämlich nicht weiß, ob es Schwarze Schafe gibt und wer diese sind, kauft mensch vielleicht gar kein Saatgut mehr (sondern tauscht es privat und erzeugt es selbst); dann leiden auch die Unternehmen darunter, die sich nichts vorzuwerfen haben.
Jedes Unternehmen, das Top-Saatgut in Tütchen füllt, sollte ein Interesse daran haben, dass unabhängige Untersuchungsergebnisse öffentlich bekannt werden; es sollte sie sogar selbst veröffentlichen. Das würde dazu führen, dass ihr Absatz steigt, die Schwarzen Schafe dagegen unter Druck geraten und sich bessern müssen – oder vom Markt verschwinden.
Wie schon gesagt: Der Laie hat heutzutage keine Chance mehr, die „Qualität“ von Produkten zu prüfen – beim Saatgut ist das ohnehin kaum möglich.
Nur Transparenz schafft Vertrauen.
Außerdem möchte ich nicht in Versuchung geraten, irgendjemandem irgendetwas zu unterstellen: Der „Goldene Handschlag“ ist zwar in Deutschland nicht so verbreitet, aber ausgeschlossen ist er nicht. Im Dunkeln ist er auf jeden Fall leichter auszuführen als im hellen Licht der Öffentlichkeit.
Es könnte natürlich auch alles ganz anders gewesen sein: Die angefragten Behörden waren einfach völlig überrascht, dass irgendjemand mal nach den Kontrollergebnissen von Hobby-Saatgut fragt.
Dem Hobby-Saatgut wurde bisher keine Bedeutung beigemessen, macht es doch nur einen winzigen Teil des verbrauchten Saatguts aus; außerdem hat anscheinend niemand jemals danach gefragt. Die Kontrollbehörden hätten die notwendigen Daten deshalb erst mühsam zusammentragen müssen und haben sich diese Mühe lieber gespart, indem sie mich Nobody abwimmelten.
Nun, vermuten kann ich viel; eindeutiges Wissen wäre mir lieber.
Ich werde an diesem Thema noch ein Weilchen dranbleiben. Nachvollziehbares und transparentes Handeln „meiner“ Behörden ist mir genauso ein Anliegen wie die Vermehrung der genetischen Vielfalt durch eigene Saatgutgewinnung oder die bewusste Schreibung von Wörtern.
Wenn ich auf direktem und indirektem Wege keine konkreten Angaben über die Mängel des Profi-Saatguts für Hobby-Gärtner*innen in Erfahrung bringen kann, werde ich versuchen, die Informationsfreiheitsgesetze in diesem Fall einmal in Anwendung zu bringen; ich bin gespannt, ob mir das weiterhilft und wohin das führt.
Berichten will ich auch noch kurz die Antworten der oben genannten Institutionen, von denen ich ein Interesse an diesem Thema erwartet hätte:
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. antwortete: „Uns liegen zu dem Thema keine Informationen vor bzw. fällt der Bereich nicht in unsere Zuständigkeit.“
Der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V. teilte mir mit: „Informationen zur Qualität von Saatgut für den Freizeitgartenbau sind derzeit leider kein Thema für uns.“
Die Stiftung Warentest schrieb mir: „wir danken für Ihre Anfrage und müssen Ihnen leider gleichzeitig mitteilen, dass wir uns mit Gemüse-Saatgut im Rahmen von Untersuchungen noch nicht befasst haben, so dass wir Ihnen keine Informationen zur Verfügung stellen können…“; sie machte mir jedoch Hoffnung, dass dies in Zukunft vielleicht einmal der Fall sein könnte…
Königlich-Bayerischer Amtsschimmel
Zum Schluss und zur Auflockerung dieses ernsten Themas möchte ich Euch eine kleine, fast bin ich geneigt zu sagen, amüsante Episode aus Bayern nicht vorenthalten.
Ich hatte bei meinem ersten, spontanen Auskunftsersuchen für „Die Saatgutfrage“ schon 2018 bei der zuständigen Behörde, der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Abteilung Verkehrs- und Betriebskontrollen (IPZ 6b) nach Ergebnissen ihrer Untersuchungen gefragt.
Die Antwort kam postwendend:
Ich danke für Ihr Verständnis.
Das war mir neu; aber in Bayern ticken die Uhren bekanntlich anders…
Ich übermittelte pflichtgemäß meine postalischen Kontaktdaten.
Nun stieg die Auskunftsfreude deutlich an:
Sehr geehrter Herr Müller-Lütken,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Bezüglich Ihrer Anfrage schließe ich mich sinngemäß den Ausführungen meiner Kolleginnen aus Baden-Württemberg und Thüringen an.
Bitte wenden Sie sich für zukünftige Anfragen zur Saatgutverkehrskontrolle ausschließlich an die für Berlin zuständigen Kollegen des Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Zossen (OT Wünsdorf)…
Mit freundlichen Grüßen
Ich hatte mich nun im Laufe meiner Nachforschungen mehrmals von einer Stelle zur anderen verweisen lassen; aber dass ich die bayerischen Kontrollergebnisse ausgerechnet in Brandenburg bekommen würde, das wollte ich dann doch nicht mehr glauben…
Die Saatgutverkehrskontrolle der deutschen Bundesländer
Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
Fachbereichsleitung Pflanzenbau: Saatgutanerkennung, Saatgutverkehrskontrolle
Grüner Kamp 15-17
24768 Rendsburg
Henning Brogmus
hbrogmus@lksh.de
lksh@lksh.de
04331 / 9453-350
Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern
Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut, Saatgutverkehrskontrolle
Thierfelderstraße 18
18059 Rostock
Nadine Ließ, Dezernatsleiterin
nadine.liess@lallf.mvnet.de
poststelle@lallf.mvnet.de
0381 / 4035-468
0381 / 4035-0
Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung Brandenburg
Abteilung 4 – Landwirtschaft; Saatenanerkennung
Steinplatz 1
15806 Zossen OT Wünsdorf
Norbert Näther
norbert.naether@lelf.brandenburg.de
poststelle@lelf.brandenburg.de
033702 / 211-3654
Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Prüfdienste Saatgutverkehrskontrolle
Mars-la-Tour-Straße 11
26121 Oldenburg
Heike Wolters-Becker
heike.wolters-becker@lwk-niedersachsen.de
info@lwk-niedersachsen.de
0441 / 801 771
Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG) Sachsen-Anhalt
Abteilung Landwirtschaftliches Untersuchungswesen (Saatgutprüfung/Saatgutanerkennung)
Schiepziger Straße 29
06120 Halle (Saale)
Ulrich Gierke
peterulrich.gierke(at)llg.mule.sachsen-anhalt.de
poststelle@llg.mule.sachsen-anhalt.de
0345 / 5584 120
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) Nordrhein-Westfalen
Verbraucherschutz – Marktüberwachung – Saatgutverkehrskontrolle
Leibnizstr. 10
45659 Recklinghausen
LANUV Duisburg
Aufgabenbereich Düngemittel und Saatgut
Wuhanstraße 6
47051 Duisburg
Hendrik Rösmann
Hendrik.Roesmann(at)lanuv.nrw.de
poststelle(at)lanuv.nrw.de
02361 / 305-2293
02361 / 305-0
Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum
Referat 23 | Pflanzenschutz und Saatgut, Bereich Saatgutprüfung
Naumburger Straße 98
07743 Jena
Lutz Rödiger
lutz.roediger@tlllr.thueringen.de
poststelle@tlllr.thueringen.de
0361 / 57 40 41-356
Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut
Schlossstraße 1
36251 Bad Hersfeld
Gabriele Käufler
gabriele.kaeufler@llh.hessen.de
zentrale@llh.hessen.de
06621 / 9228-15
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Abteilung 9 Bildung, Hoheitsvollzug Ref. 94 | Referat Saatenanerkennung, Sortenwesen
Waldheimer Straße 219
01683 Nossen
Egbert Thierbach
Egbert.Thierbach@smul.sachsen.de
poststelle.lfulg@smul.sachsen.de
035242 / 631 9400
Aufsichts- und Dienstleitungsdirektion (ADD) Rheinland-Pfalz
Referat 42 – Saat- und Pflanzgutüberwachung
Friedrich-Ebert-Straße 14
67433 Neustadt
Martin Busche
martin.busche@addnw.rlp.de
poststelle(at)add.rlp.de
Tel.: 06321 / 99-2597
Landwirtschaftskammer für das Saarland
Pflanzenschutzmittel-, Düngemittel-, Saatgutverkehrskontrolle
In der Kolling 310
66450 Bexbach
Eileen Schön
eileen.schoen(at)lwk-saarland.de
info@lwk-saarland.de
06826 / 82895 22
Baden-Württemberg, Regierungspräsidium Karlsruhe
Referat 33 – Saatgutverkehrskontrolle
Schlossplatz 1 – 3
76131 Karlsruhe
Dr. Andreas Maier
andreas.maier@rpk.bwl.de
poststelle@rpk.bwl.de
0721 / 926-5172
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung
Verkehrs- und Betriebskontrollen (IPZ 6b)
Am Gereuth 8
85354 Freising
Peter Geiger
Verkehrskontrolle@LfL.bayern.de
poststelle@LfL.bayern.de
08161 / 71-3137
Hallo, ich finde diesen Beitrag sehr informativ, obwohl er schon etwas älter ist. Ich hatte diesjahr beim Ernten der von uns gezogenen Tomaten aus gekauftem Saatgut (Netto, Quedlinburger, Chrestensen) bei allen Anbietern die Erfahrung gemacht, daß in den Saatguttüten gemischte Samen enthalten waren, sodaß wir zum Beispiel vom Saatgut der Buschtomate Balkonstar zwei verschiedene Pflanzen hatten, die zum ersten keine Buschtomaten waren, da 1 m hoch und auch nur 3 Früchte bildeten die nicht rot wurden und innen wie vertrocknet aussahen. Also die Qualität ist unter aller Kanone. Das war auch das erste mal, daß wir diese Erfahrung gemacht haben. Die Quintessenz ist, daß ich auf Anbieter samenfester Sorten ausweiche und dann mitunter sogar noch günstiger wegkomme, als bei den Großanbietern. Gruß Carola Taubert und weiterso
Liebe Carola, danke für Deinen Kommentar!
Leider muss ich Dir sagen, dass Du auch bei den Kleinanbietern schlechte Erfahrungen machen kannst; ich habe auch von ihnen schon gemischte und nicht keimfähige Samen bekommen…
Das beste ist, Saatgut zu tauschen, selbst zu vermehren und auf Kreuzungen durch Hummeln zu hoffen, um mehr Vielfalt zu bekommen; dann ist zumindest der Spaß an der Freude sichergestellt!
Liebe Grüße, J:)rgen
Komme zu keinem Schluss… Macht es Sinn, wenn Du deine Arbeit der Verbraucherzentrale mitteilst ???
Ina
Ach ja, nochwas…Wer legt eigentlich die Preise fest und warum kosten 4 Kerne Zucchini beinahe doppelt soviel wie 15 Buschbohnen Samen. Ein Tütchen mit Dill, 0,20 Gramm kostet im gleichen Laden vom gleichem Händler in diesem Jahr 3,75 Euro (SWKR) und eine Grosspackung davon mit 2,0 Gramm auch so viel….
Versteh ich nicht.
Ina
Hallo Jürgen!
Das war ja ein Mega Referat! Wirklich Super! Och, ich denke mit dem Hobby Saatgut wird ganz gut Geld verdient. Hier kostet so eine Freude mit Tomaten im Durchschnitt ca. 2,20 Euro mit 5-9 Kernchen drin. Auf der Verpackung steht allerding das es für 30-34 Pflanzen ausreichen soll…. Heissen die Tomaten deswegen Moneymaker ??? Es gibt schon seltsame Rechenwege…. Hier hat sich auch vieles verändert. Vor 11 Jahren war ich froh überhaupt etwas Saatgut im späten April zu bekommen und nun wird man vollgeworfen damit. Auch im Winter kann man Sommerausaat kaufen. Ist das Gesetz aufgehoben worden? Mussten nicht alle unverkauften Sämereien vor dem Winter zurück geschickt werden an den Vertrieb? Hat mir mal ein Verkäufer von einem Blumenladen erzählt.
Lieben Gruss von Ina
Moin Jürgen. Hut ab vor Deinem Fleiß und Deiner Hartnäckigkeit! Als ehemaliger Journalist kann ich nachvollziehen, wieviel Arbeit in Deiner Recherche steckt. Und ich wünsche Dir, dass Dein Beitrag möglichst viele Leser findet, die über die Inhalte ernsthaft nachdenken. Wie heißt es so schön? „Verarschen können wir uns alleine!“ Dafür brauchen wir eigentlich keine Behörden und keine Bürokratie!
Lieber Gerd, danke für Deine aufmunternden Worte!
Wir brauchen schon Behörden, Verwaltung und unabhängige Kontrollen; nur, wer ist „wir“?
Ich möchte einfach das Gefühl haben, dass auch ich mit „wir“ gemeint bin, auch ich möchte von der Tätigkeit „meiner“ Behörden erfahren. Wenn sie für mich, also für alle Staatsbürger:innen, arbeiten, dann sehe ich keinen Grund, warum ich nicht erfahren darf, was sie machen.
Ich bin ja Gärtner; also säe ich… und sehe dann, was ich ernte…
Viele Grüße, J:)
Wow, das ist schon beeindruckend, wie viel Aufwand du in die Recherche solcher Themen steckst. Wie lange hast du gebraucht, um diesen Beitrag zu schreiben?
Hallo Yvonne,
ja, dieser Beitrag hat schon seine Zeit gebraucht.
Von der ersten, noch völlig naiven Idee, die Kontrollbehörden einfach nach Ergebnissen anzuschreiben, bis zur Veröffentlichung heute, sind gut zwei Jahre vergangen. Anfang November 2018 habe ich angefangen; aber zwischendurch gab es lange Phasen des Nichtstuns.
Zusammengeschrieben und bearbeitet habe ich ihn hauptsächlich in den letzten zwei Wochen, auch nur stundenweise.
Genau kann ich Deine Frage also garnicht beantworten; es war auf jeden Fall einer der aufwändigsten Beiträge bisher – und es kommt ja noch ein zweiter Teil, der die erzwungenen Auskünfte per Informationsfreiheitsgesetz verarbeitet…
Ich hoffe, ich kann damit die Aufmerksamkeit der „Garten-Szene“ mal auf die nicht bekannte Saatgut-Qualität und die mangelnde Behörden-Transparenz richten – und hier Veränderungen anstoßen…
Viele Grüße, J:)