Beerbeetuum mobile
oder: Wie sich Beerenbüsche und Obstbäume selbst ständig vermehren und warum man sich darüber freuen sollte.
Vielleicht rätselst Du, was der Titel bedeuten soll. Vielleicht scheinen Dir die Worte „Beere“ und „Beet“ darin zu stecken. Vielleicht denkst Du auch, ich versuche zu sächseln und meine eigentlich das berühmte „Perpetuum mobile“, das sich „Immerwährend Bewegende“, die von der Menschheit schon lange erträumte Maschine, die ohne jede Zufuhr von Energie ewig für uns arbeitet.
Ja, damit bist Du auf der richtigen Spur; denn es geht in diesem Beitrag wirklich um eine solche „Maschine“, um die „Pflanze“ nämlich, ihren stetigen Kreislauf von Befruchtung, Same, erwachsene Pflanze und Blüte, der zwar nicht ohne Energiezufuhr rundläuft, aber doch von einer (hoffentlich) noch ewig lang scheinenden Sonne angetrieben wird.
Im heutigen Fall geht es speziell um diesen Kreislauf bei bestimmten Pflanzenarten, die Sonnenlicht zu Obst verarbeiten: zu Aprikosen, Stachelbeeren, Roten, Rosa und Weißen Johannisbeeren, Schwarzen Johannisbeeren, Himbeeren, Äpfeln, Birnen, Süß- und Sauerkirschen, Brombeeren und Erdbeeren natürlich.
O, fast hätte ich noch Pfirsiche vergessen – und Weintrauben.
Gibt es noch mehr köstliches Obst, das niemals aus unserer Welt verschwinden darf?
Falls ich noch eine Obstart vergessen habe, weist mich bitte darauf hin!
Pflaumen! Wie konnte ich die nur vergessen!
Ja, Vergessen ist wie Aussterben, beides kann ruckzuck passieren, nur, dass Aussterben endgültig ist…
Mit diesem kunstvollen Gedankensprung komme ich zu meinem Lieblingsthema: Damit die wenigen, noch verbliebenen, genetisch einheitlichen Sorten unserer Obstarten nicht plötzlich, z. B. durch einen dramatischen Klimawandel, aussterben, plädiere ich dafür, unsere Obstarten genetisch möglichst unendlich zu vervielfältigen.
So, wie es früher, in der 10.000-jährigen Geschichte des menschlichen Pflanzenbaus, geschehen ist; bis vor ca. 200 Jahren standen bei fast jedem Familienanwesen genetisch einzigartige Büsche und Bäume (die Johannisbeeren, die Ihr auf dem Beitragsbild oben seht, stammen alle von Sämlingen, von genetisch einzigartigen Büschen also)
Oder wie es auch auf alle wild vorkommenden Pflanzenarten zutrifft, die sich durch Befruchtungen fortpflanzen; auch sie bestehen zu 100% aus genetisch einzigartigen Individuen.
Diesen früheren Zustand aus möglichst vielen, einzigartigen Obstbäumen und -büschen wiederherzustellen (parallel zum heutigen, ertragsorientierten Obstbau), darum geht es…
…damit wir auf der sicheren Seite sind, wenn sich die Klimaverhältnisse einmal radikal ändern – und uns wenigstens ein paar der vielen Obstbaum- und Beerenbusch-Individuen erhalten bleiben, die hoffentlich in den kommenden Jahren auch unter Euren Händen sprießen werden (meine paar Hundert reichen bei weitem nicht!).
Achtung, Infektionsgefahr!
Ich gebe zu, es geht um meine liebste Leidenschaft, alle Arten von Beeren sowie Stein- und Kernobst aus Samen zu ziehen (bald ist ja wieder Erntezeit!), oder noch besser: sie sich selbst ständig vermehren zu lassen…
Nur durch die Anzucht aus Samen entstehen genetisch einzigartige Obstgewächse (ja, Ihr sollt Beete anlegen, in die Ihr Beerensamen sät!)
Wenn man erst einmal eine gewisse Anzahl an Obstbäumen und Beerensträuchern im Garten hat, fallen so viele Früchte an – und ab, dass sich diese Sträucher und Bäume ganz von selbst vermehren, so, als seien sie Wildkraut…
…dann keimt eine derartige Vielfalt, dass es schwer ist, nicht von diesem Keimen infiziert zu werden.
Ich will auf jeden Fall mein Bestes tun, Euch zu gefährden, Euch mit dem Virus der Neugier auf überaschende Obst- und Beerenvielfalt zu infizieren (noch lieber will ich Euch natürlich von der Notwendigkeit individueller Vielfalt überzeugen!), damit sie wieder ins Unendliche wächst, zu Eurer Freude und möglicherweise auch zur Rettung der Menschheit…
Ich weiß, Ihr seid vorsichtig, Ihr traut der Sache (noch) nicht! Lieber tragt Ihr mit jedem gekauften Bäumchen oder Büschchen ein Sortenechtheits- und Seuchenfreiheitszertifikat wie ein geweihtes Schutzzeichen in Euren Garten. Noch wollt Ihr sicher sein, dass Euch später die Früchte in den Schoß fallen, die die bunten Bildchen an den Büschen und Bäumen versprechen…
Aber ich sage Euch: Es gibt keine Garantie für die Zukunft – außer unendliche Vielfalt, außer einer unendlichen Zahl einzigartiger Individuen (ein paar „alte“ Sorten mit genetisch ziemlich einheitlichen Individuen zu erhalten, ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein).
Außerdem: Zu 95% bekommt Ihr von Sämlingen sehr wohl schmeckende Früchte geschenkt (wie mein, zugegebenermaßen nicht repräsentatives, statistisch nicht abgesichertes Beispiel zeigt – ein paar Fotobeweise sind im Beitrag verstreut) und zu 99% sind die Büsche und Bäume, die aus Samen gezogen werden, krankheitsfrei (das heißt nicht, dass sie gegen alle Krankheitserreger widerstandsfähig sind, die um sie herum gedeihen; aber sie könnten es sein, im Gegensatz zu den angeblich resistenten „Veredelten“ oder Neuen)
Deshalb: Seid mutig! Habt keine Angst vor Sämlingen! Wagt es, einem einzigartigen Baum oder Busch das Leben zu schenken (so, wie Ihr vielleicht einem einzigartigen Kind das Leben geschenkt habt oder schenken wollt)!
Nehmt dazu einfach die Samen, Kerne und Steine von dem heimischen Obst, das Ihr gerade genüsslich verzehrt! Frisch in die Erde damit!
Gut, besser ist es, keine Samen von Früchten aus dem gewerblichen Intensiv-Obstanbau zu verwenden, vor allem nicht von Äpfeln und Birnen; denn diese sind vielfältig inzüchtig und werden oft von Wildobst befruchtet, das in die Plantagen gepflanzt wird – keine guten Voraussetzungen für brauchbare Früchte…
Am besten ist es – wenn Ihr Früchte mit wirklich einzigartigen Samen haben wollt – in meinen Garten zu kommen! Dort mischen und mengen sie sich schon seit ein paar Jahren bunt miteinander. Ich schicke Euch auch gerne ein paar Früchte zu!
Ansonsten: Pflückt Obst vom Straßenrand, in Streuobstwiesen oder von alten Büschen und Bäumen in Nachbars Garten…
Lasst uns die Obstvielfalt wieder vermehren, auch wenn Obst nicht so lebenswichtig ist wie Getreide; aber was wäre das Leben ohne Stachelbeeren, Aprikosen und Pflaumen? (die Aronia- und Goji-Beeren, die angeblich unserer Gesundheit förderlicher sein sollen als die einheimischen Früchte, werden uns das Leben nicht retten)
Ich gebe Euch deshalb nachfolgend eine kurze
Anleitung zur einfachen Anzucht von Beerensträuchern und Obstbäumen aus Samen
Anleitungen, wie Du die Samen (Kerne, Steine) einiger Obstarten aussäst, habe ich schon in die Beiträge „Keine Angst vor Sämlingen“, „Stachelbeeren aus Samen“ und in „Der Aprikose Kern“ eingestreut; aber Du kannst es am besten einfach immer so machen:
Übergebe einige Samen möglichst ungetrocknet dem Erdboden (evtl. in einem eingegrabenen, großen Blumentopf), bedecke sie zwei Mal samendick mit Erde, halte die Stelle beikrautfrei und feucht; schütze sie wirksam gegen Tierbesuch. Nach kurzer Zeit, spätestens nach einem Winter solltest Du genügend neue, einzigartige Pflänzchen erscheinen sehen…
That’s it!
wunderbar! Du hast mich angesteckt! Das werde ich probieren!
Liebe Daniela, gerade überfliege ich den Beitrag noch einmal, um seine Infektionsfähigkeit evtl. noch zu vergrößern, da vermeldest Du Deine Ansteckung…
…ich muss anscheinend nichts mehr ändern…
Ich hoffe, Du leidest nicht unter irgendwelchen, von mir nicht bedachten Nebenwirkungen…
… wie z. B. einem Überangebot von Früchten…
Viele Grüße
J:)