Besser wissen

oder: Welche fünf Ansichten möglicherweise auf Vorurteilen beruhen.

Fünf, ziemlich weit verbreitete, meines Erachtens irrige Ansichten von Gärtner:innen – ich habe sie suchmaschinenfeindlich im Bild dargestellt – würde ich gerne korrigieren.

Ich habe mich zwar mit allen Themen schon detailliert beschäftigt; aber nicht jeder liest gern lange Beiträge.

Ergebnis einer Bohnenkreuzung: Bohnen-Hülsen von fünf verschiedenen Nachkommen einer F1-Pflanze

Aus diesem Grunde und weil zurzeit z. B. die Verwendung unreifer Tomaten sowie die Samenernte (bei Kürbissen) wieder ansteht, fasse ich meine Sichtweise auf die obigen „Glaubenssätze“ noch einmal überblicksartig zusammen; außerdem werde ich zu jedem Thema bei Gelegenheit noch eine Kurzfassung veröffentlichen.

In der Überschrift eines jeden Kapitels formuliere ich meine Richtigstellung zu den Aussagen, die im Beitragsbild gezeigt werden:

Ich verzichte hier auf die Textform der irrigen Sichtweisen, um zu verhindern, dass die Suchmaschinenprogramme die dargestellten Zeilen als „Tatsachen“ werten. Fragt nämlich jemand: „Kann man unreife Tomaten essen?“ präsentiert die Suchmaschine die erste Bildzeile (oder eine ähnlich gerichtete) höchstwahrscheinlich als Antwort. Wer dann nicht weiterliest, bleibt in (s)einem Irrglauben befangen.
Manchmal wird dieser allerdings auch bestätigt, wenn man weiterliest; dazu weiter unten mehr.

Vielfalt 2019: Namenlose Gurken, teilweise schon aus eigener, aber insgesamt für die eigene Saatgutproduktion

Unreife Tomaten kann man ohne Bedenken essen

Darauf habe ich schon in meinem letztjährigen Beitrag „Wahn und Wirklichkeit“ hingewiesen und die Gründe dafür ausschweifend dargelegt; hier noch einmal eine Zusammenfassung:

Ja, unreife Tomaten enthalten Solanin! Und ja, Solanin ist giftig!
Das sind die Tatsachen.

Ja, Produkte aus Weizenmehl enthalten Gluteen und ja, Gluteen löst allergische Reaktionen aus!
Ja, Flugzeuge stürzen ab und ja, Flüge enden tödlich!
Auch das sind Tatsachen.

Aber welche Schlüsse ziehen wir aus dem Wissen über diese Tatsachen?

Sollten deshalb alle Menschen auf Weizenmehlprodukte verzichten?
Sollte aus diesem Grund niemand mehr ein Flugzeug besteigen?

Wer solche Ratschläge gäbe, würde wohl nur milde belächelt.

Aber bezogen auf den Verzehr unreifer Tomaten dürfen „Expert:innen“ solch unreifen Rat ungestraft in die Welt setzen.

Unreife Tomaten: Zum Wegwerfen einfach zu schade

In einer irgendeiner Untersuchung wurde wohl einst festgestellt, dass in 100 Gramm unreifen Tomaten 9 bis 32 Milligramm Solanin enthalten sind (so wird der Solaningehalt unreifer Tomaten zumeist – und wohl korrekt – angegeben, doch immer ohne die Quelle anzugeben, aus der diese Information stammt).

In fast reifen, aber noch grünen Tomaten wurde ein Solanin-Gehalt von 9 Milligramm pro 100 Gramm Fruchtfleisch festgestellt, bei kleinen, noch lange nicht reifen Tomaten ein Gehalt von 32 Milligramm pro 100 Gramm Fruchtfleisch.
So sollte die obige Untersuchung m. E. interpretiert werden; das wird durch andere Untersuchungen bestätigt, die ich in „Wahn oder Wirklichkeit?“ näher beleuchte.

Angst- und Panikmache durch falsche Expert:innen

Kein:e der „Expert:innen“, die im Netz vor dem Genuss unreifer Tomaten warnen, nennt die Original-Untersuchung, aus der dieser ominöse Wert „9 bis 32 Milligramm“ stammt.

Es gibt sogar „Expert:innen“ (z. B. auf Berlin.de, Das offizielle Hauptstadtportal), die die Angabe „9 bis 32 mg / 100 g“ auch noch haarsträubend verfälschen; sie behaupten, „Unreife Tomaten enthalten laut Bundeszentrum für Ernährung pro 100 Gramm bis zu 32 Milligramm (mg) giftiges Solanin.“ (In: Unreife Tomaten sind giftig; diese Fehlinformation wurde bei GOOGLE auf die Frage „Kann man unreife Tomaten essen?“ an erster Stelle angezeigt!)

Große, unreife Tomaten, die 100 Gramm wiegen, können nach dieser Umdeutung also 32 Milligramm Solanin enthalten – wofür es aber keinen einzigen Messwert als Beleg gibt. (Das Bundeszentrum für Ernährung schreibt dagegen korrekt: Unreife Tomaten enthalten 9-32 mg Solanin je 100 g…“)

Vorsorge und Vorsicht sind richtig

Eine große unreife Tomate, die 100 Gramm wiegt, kann bis zu 9 Milligramm Solanin (9 mg / 100 g) enthalten.
Eine kleine, sehr unreife Tomate, die 10 Gramm wiegt, enthält im Höchstfall 3,2 Milligramm Solanin (32 mg / 100 g).

Dazu im Vergleich:
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schreibt: Im Allgemeinen wurden Kartoffeln mit einem Glykoalkaloidgehalt [u. a. Solanin] von bis zu 200 mg pro kg Frischgewicht bisher [bis 2018] als unbedenklich angesehen. (das sind 20 mg / 100 g!!!)

Wer dann noch weiß, dass Menschen 0,5 Milligramm Solanin pro Kilogramm Körpergewicht (ab 2018, davor waren es sogar ein Milligramm) bedenkenlos jeden Tag essen können (laut BfR), der kann sich sehr leicht ausrechnen, wie viele große oder kleine unreife Tomaten er ohne Angst essen kann.

Grüne-Tomaten-Pickels

Ich, mit meinen knapp 80 Kilogramm Körpergewicht, dürfte demnach 40 Milligramm Solanin am Tag zu mir nehmen (das sind ungefähr vier normal-große, unreife Tomaten!), ohne die geringsten gesundheitlichen Probleme befürchten zu müssen.

Selbstverständlich gibt es Menschen, die extrem empfindlich auf Solanin reagieren und die auch bei geringeren Mengen problematische Symptome entwickeln. Diese Menschen sollten selbstverständlich keine unreifen Tomaten essen. Genau so, wie manche Menschen aus diesem Grunde kein Gluteen essen dürfen/sollten.

Das gute, alte Vorsorge-Prinzip verlangt Vorsicht und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen (Erst einmal vorsichtig probieren! Nicht zu viel davon essen!); es verlangt aber auf keinen Fall, sämtlichen Menschen vorsichtshalber vom Genuss unreifer Tomaten abzuraten.

Über solche Ratschläge kann ich nur den Kopf schütteln – und sie hier mal wieder anprangern.

Also bitte: Verarbeitet Eure grünen, unreifen Tomaten zu leckeren Zubereitungen, zu sauer Eingelegtem, Marmelde, Chatney und anderem.

Die meisten Kürbisse können sich nicht mit giftigen Zierkürbissen kreuzen

Auch im Hinblick auf „Kürbisse“, „Vergiftung“ und „Kreuzung mit giftigen Zierkürbissen“ herrscht große Verwirrung, die zumeist auf Unkenntnis beruht; diese im obigen Bild genannte, begrenzte Kenntnis verhindert, dass Gärtner:innen die Samen ihrer Kürbisse (auch Zukkini gehören zu den Kürbissen) für ihren nächsten Anbau verwenden.

Beispiel gefällig?

„Von Samen, die aus dem eigenen Anbau von Zucchini oder Kürbisgewächsen entstehen, sollten Sie generell die Finger lassen, da es auch hier zur Rückkreuzungen oder -mutationen kommen kann.“ steht in der Online-Ausgabe der Tageszeitung „(Münchner) Merkur“

Manchmal wird dieses Halbwissen auch gezielt eingesetzt, um den Neukauf von Saatgut anzukurbeln. So heißt es z. B. auf der Webseite von „Italienische Samen“: „Von selbstgezogenen Samen wird bei Zucchini ausdrücklich abgeraten, weil sich der giftige Bitterstoff Cucurbitacin bilden kann.“

Blüte eines „Lunga di Napoli“ („Langer aus Neapel“)

Ich versuche, bei der Kürbiskreuzung jetzt einmal kurz und knapp Klarheit zu schaffen (ausführlich habe ich das schon in „Kürbisse und Sex“ getan).

  1. Es können sich nur Kürbis-Sorten miteinander kreuzen, die zur selben Kürbis-Art gehören.
  2. Nur Zierkürbisse enthalten in der Regel den giftigen, bitter schmeckenden Stoff „Cucurbitacin“; in Kürbissen anderer Sorten kann dieser Giftstoff nur nach extrem seltenen Mutationsereignissen entstehen.
  3. Es gibt fünf Arten von Kürbissen, deren Exemplare vom Menschen gegessen werden, weil sie den Giftstoff „Cucurbitacin“ nicht (mehr) enthalten; die drei häufigsten Arten sind hierzulande: Garten-Kürbisse (Cucurbita pepo), Moschus-Kürbisse (Cucurbita moschata) und Riesen-Kürbisse (Cucurbita maxima). „Cucurbita“ ist die wissenschaftliche Bezeichnung für die Gattung; „pepo“, „moschata“ und „maxima“ sind die wissenschaftlichen Bezeichnungen für einzelne Arten der Gattung „Cucurbita“.
  4. Eine Kürbissorte aus der Art „C. moschata“ kann sich demnach nicht mit einer Kürbissorte der Art „C. pepo“ mischen (verkreuzen).
  5. Zierkürbisse gehören der Art „C. pepo“ an. Der Rote Hokkaido z. B. wird zur Art „C. maxima“ gerechnet; Die Sorten „Musquée de Provence“ und „Butternut“ fallen unter die Art „C. moschata“.
  6. „Zukkini“ und „Patissons“ gehören ebenfalls zur Kürbis-Art „C. pepo“; deshalb können sich nur Zukkini und Patissons mit Zierkürbissen mischen, die zuvor genannten Kürbissorten aber nicht. Dazu müssen aber Zierkürbisse in deren näherer Umgebung wachsen.

Und noch etwas: Gurken (Cucumis sativus) und Melonen (Cucumis melo) gehören zwar ebenfalls, wie die Kürbis-Arten, zur Familie der Kürbisgewächse (Cucurbitaceae), aber sie können sich niemals (niemals! nicht einmal mit technischen Hilfsmitteln im Labor) mit Zierkürbissen (Cucurbita pepo) kreuzen; dazu sind sie einfach nicht nah genug mit diesen verwandt, wie das an ihrer wissenschaftlichen Bezeichnung zu erkennen ist.

Wie schon gesagt: Um sich kreuzen zu können, müssen zwei Pflanzen zur selben Art gehören, also denselben wisschenschaftlichen Namen tragen.

So viel Wissen sollte man besitzen, wenn man über Kreuzungen von Kürbissen/Zukkini und daraus entstehende Gefahren spricht.

Der „Lange aus Neapel“ (zur Art C. moschata gehörig) ist nach drei Monaten gewaltig angeschwollen

Ich habe das Monster besiegt und in meinen Bau geschleppt; jetzt geht’s ans Verwerten…

Außerdem sollte man wissen, dass eine Gabel voll Zukkini (oder auch von anderen Kürbissen), die man im Mund zerkaut und die bitter schmeckt, keinerlei Gesundheitsgefahr darstellt. Man spuckt sie aus und gut iss.
Aber genau so sollte man eine Zukkini auf Cucurbitacin-Gehalt testen, bevor man sie zubereitet.

Indem man nur ganz zaghaft und hastig mit der Zunge über das Fruchtfleisch leckt, kann man nicht sicher schmecken, ob die Frucht Cucurbitacin enthält. Entweder bildet man sich einen bitteren Geschmack nur ein – und wirft den Kürbis voreilig weg – oder man schmeckt es nicht eindeutig und muss später das zubereitete Essen entsorgen.

Also bitte: Zum Testen einen ordentlichen Happen „Kürbisfleich“ in den Mund nehmen und zerkauen!

Kürbisgewächse 2019: Zukkini, Melonen und Gurken – überreif, aber lecker

Samen von F1-Pflanzen sind ohne Probleme als Saatgut zu verwenden

Was es mit F1-Saatgut wirklich auf sich hat, habe ich neulich im Beitrag „F1, F2, F3, hybridfrei ist die Paprika“ langatmig behandelt; im folgenden fasse ich als Quintessenz zusammen:

Viele denken, F1-Saatgut sei grundsätzlich schlecht, da man die Samen der daraus entstehenden Pflanzen grundsätzlich nicht als Saatgut verwenden könne.

Paprika-Früchte einer F3-Pflanze (Ursprungssaatgut entstammte einer gekauften Paprika)

Auch hier mischt sich Wissen mit Halbwissen.

Sicher ist:
Samen von F1-Pflanzen keimen immer (es sei denn, die Früchte der F1-Pflanzen wurden radioaktiv bestrahlt oder das F1-Saatgut mit einem „Terminator“-Gen ausgestattet, das die Keimung verhindert; das ist aber nicht die Regel); denn „F1“ bedeutet erst einmal nur „1. Kind-Generation von zwei (reinerbigen/homozygoten) Eltern“.

Nun kann es allerdings sein, dass heutige F1-Pflanzen teilweise keine fruchtbaren/keimfähigen Samen bilden.

Das liegt aber nicht daran, dass diese Pflanzen F1-Saatgut entstammen, sondern dass dieses Saatgut möglichst rationell erzeugt wird.

Wenn F1-Saatgut agro-industriell in großem Maßstab erzeugt wird, muss ein Elternteil unfruchtbaren (sterilen) Pollen besitzen, damit eine sichere „Fremdbefruchtung“ der „Mutter“-Linie durch Wind bzw. Insekten mit dem Pollen der „Vater“-Linie stattfindet (und die Pflanzen der „Mutter“-Linie sich nicht untereinander befruchten).

Diese genetisch bedingte Unfruchtbarkeit des (männlichen) Pollens wird jedoch von der Mutterpflanze weitervererbt, weshalb die F1-Pflanzen diese Unfruchtbarkeit ebenfalls in sich tragen (können).

Wenn die F1-Pflanzen unfruchtbaren Pollen besitzen, können sie sich nicht mehr selbst oder untereinander befruchten und somit auch keine fruchtbaren Samen bzw. Früchte mehr bilden.

Bei Nutzpflanzenarten, deren Früchte wir essen wollen, wie Tomaten, Paprika oder Bohnen, wäre das natürlich ein schwerwiegender Nachteil; deshalb müssen die Züchter in diesen Fällen darauf achten, dass die F1-Pflanzen auf jeden Fall fruchtbaren Pollen besitzen.

Bei Pflanzenarten, von denen wir nicht die Früchte nutzen, wie Zwiebeln, Kohl und Möhren, können die F1-Pflanzen allerdings unfruchtbaren Pollen haben, so dass sich keine fruchtbaren Samen bei ihnen entwickeln, wenn man nur F1-Pflanzen gemeinsam blühen lässt.

In solchen Fällen kann man ein paar Pflanzen mit fruchtbaren Pollen zusammen mit diesen „unfruchtbaren“ F1-Pflanzen zusammen blühen lassen, um fruchtbaren Samen auch von den männlich sterilen F1-Pflanzen zu gewinnen; aber leider tragen alle Pflanzen, die diesen Samen entspringen, wieder die cytoplasmatische, männliche Sterilität (CMS) der Mutter in sich, wenn diese sie besaß.

Wenn die Züchter die männliche Sterilität auf andere Art und Weise erzeugt haben, kann es sogar sein, dass diese Sterilität in den Folgegeneration garnicht wieder auftritt oder nur bei einem Teil der Nachkommen.

Sicher ist auch:
F2-Pflanzen, also die Kinder der F1-Pflanzen, besitzen nicht die einheitlichen Eigenschaften ihrer Eltern; die Eigenschaften der Eltern spalten sich in der F2-Generation maximal auf, so dass völlig neue, unvorhersehbare Eigenschaftskombinationen entstehen können.

Man kann also nicht genau und im Vorhinein wissen, wie die F2-Pflanzen aussehen und welche Eigenschaften sie haben werden (wie das bei sortenechtem/samenfestem Saatgut immer der Fall sein sollte).

Diese Unsicherheit und die Ungleichheit der Früchte ist für den agro-industriellen Ackerbau, der auf maximalen Ertrag ausgerichtet ist, nicht tragbar; deshalb kann die industrielle Landwirtschaft beim Einsatz von F1-Saatgut kein selbst gewonnenes Saatgut nutzen, sondern muss immer wieder neu erzeugtes F1-Saatgut kaufen, das möglichst einheitliches Erntegut garantiert.

Die Früchte einer anderen F3-Pflanze aus dem gleichen Ursprungssaatgut

Für Hobby-Gärtner:innen ist dieses Problem jedoch völlig unerheblich: Hobby-Gärtnerinnen brauchen keinen Höchstertrag und auch keine völlig einheitlichen Früchte.

Erfolgreich Früchte und fruchtbaren Samen von F1-Pflanzen gewinnen

Bei F1-Saatgut gibt es also zwei Probleme, die Pollensterilität und die Ungleichheit der Pflanzen, die in den Nachfolge-Generationen entstehen. Das erste Problem entsteht durch die heutige, rationelle Erzeugung von F1-Saatgut, das zweite ist ein grundsätzliches Problem, das in den Vererbungsabläufen begründet liegt.

Der Unfruchtbarkeit des männlichen Pollens, die bei F1-Pflanzen auftreten kann, wird durch folgende Maßnahmen begegnet:

  • „Selbstbefruchter“-Pflanzen mit magerem oder ohne Fruchtansatz nicht für die eigene Samengewinnung verwenden!
  • „Fremdbefruchter“-Pflanzen, von denen Pflanzenteile verwendet werden, mit Pflanzen zusammen blühen lassen, die sicher fruchtbaren Pollen besitzen!

Die Ungleichheit der Pflanzen, Früchte und Samen der F2-Generation kann man zu seinem Vorteil nutzen:

  • Aus den uneinheitlichen F2-Pflanzen können diejenigen mit besonders guten Eigenschaften für die eigene Saatgutgewinnung ausgewählt werden!
  • Aus F1-Saatgut können mit der Zeit auch eigene, samenfeste Sorten gezogen werden (Stichwort: Dehybridisierung)!

Also bitte, liebe Hobby-Gärtner:innen, verwendet auch die Samen von F1-Pflanzen!
Gewinnt auf jeden Fall eigenes Saatgut!

Wer Saatgut nur kauft und kein eigenes Saatgut gewinnt, der sollte möglichst auf F1-Saatgut verzichten und sortenechtes/samenfestes Saatgut verwenden; denn F1-Saatgut ist für den agro-industriellen Anbau gezüchtet und optimiert und sollte deshalb auch nur dort verwendet werden. Hobby-Gärten sollten ein letztes Refugium der genetischen Vielfalt sein.

Eigenes Saatgut zu gewinnen, ist ein Kinderspiel

In vielen Fällen denkt die neue Generation der „Selbstversorger:innen“ nicht an die Selbstversorgung mit Saatgut oder wird davon durch den Überfluss an billigen „Bunten Samentütchen“ in Baumärkten, bei Discountern und Online-Anbietern abgehalten.

Manchmal kursiert aber auch die Befürchtung, die Saatgutgewinnung bei Gemüse sei viel schwieriger und aufwändiger als dessen Anbau.

Die zahlreichen Bedenken, die in dieser Hinsicht im Umlauf sind, habe ich in meinem Beitrag „Die Saatgutfrage“ in allen Einzelheiten dargelegt. Ich glaube, ich habe dort deutlich machen können, dass die wenigen Probleme, die tatsächlich auftreten können, ohne große Mühe zu beheben sind.

Ansonsten ist die Gewinnung von Saatgut nichts anderes als das, was man ohnehin tut: Ernten.
Bohnen, Erbsen, die Samen von Paprika, Mais, Kürbis, Zukkini, Melonen u. a. werden kinderleicht den geernteten, ausgewachsenen Hülsen bzw. Früchten entnommen.

Andere Arten muss man nur blühen und Samen bilden lassen, um diesen dann ohne Mühe abzunehmen (Salate, Radieschen).

Gereinigter Radieschensamen

Bei wieder anderen muss man nur wissen, wie die Samen entnommen und behandelt werden müssen (Tomaten, Kartoffeln, Gurken, Melonen, Auberginen/Melanzani)

Bei einigen Arten, wie z. B. Zwiebel, Möhre, Rote Bete, Mangold, Kohl und Rettich ist allein die Überwinterung der „Früchte“ ein gewisses Problem; aber auch hier kann man relativ einfach Lösungen finden – entweder gemeinsam mit anderen oder durch technische Hilfsmittel.

Zumeist ist es nur eine Frage des Willens und gewisser Kenntnisse und Erfahrungen; aber Kenntnisse und Erfahrungen bei der Saatgutgewinnung lassen sich ebenso leicht gewinnen wie beim Anbau von Nutzpflanzen.

Eigenes Saatgut zu ernten, sollte im Hobby- und Bio-Anbau wieder selbstverständlich werden.

Das eigene Saatgut ist in der Regel besser als gekauftes, weil es zumeist frischer ist und man alle Einflussfaktoren selbst kontrollieren kann.

Wenn man darüber hinaus noch auf die Sortenreinheit pfeift, Sorten munter kreuzt und sich so „Landsorten“-Saatgut herstellt, können unter den vielen, unterschiedlichen Individuen, die man dadurch in die Hand bekommt, ein paar sein, die optimal an die eigenen Anbaubedingungen und Klimaverhältnisse angepasst sind.

Zwiebelblütenstand, bereit zur Ernte des Samens

Mit Saatgut, das man von auswärts zukauft, kann man sich dagegen Probleme einhandeln:

  • Man kann neue Krankheiten in seinen Garten einschleppen; auch amtlich geprüftem Saatgut dürfen zahlreiche Krankheiten bis zu bestimmten Grenzwerten anhaften.
  • Auch zertifiziertes (amtlich geprüftes) Saatgut schützt nicht vor Betrug; bei nicht (von unabhängigen Stellen) geprüftem Saatgut hat man überhaupt keine Gewähr für hochwertiges Saatgut.
  • Kleinerzeuger, die eigenes Saatgut von vielen Arten und Sorten anbieten (vor allem über das anonyme Internet), können jede Sorte nur alle paar Jahre vermehren, um Kreuzungen mit anderen Sorten derselben Art auszuschließen. Dabei kann es leicht passieren, dass die Keimfähigkeit des Saatguts unter einen vertretbaren Wert fällt.
    Dies musste ich leider in den letzten Jahren teilweise erleben; von einigen Sorten keimte von 10 Samen keiner mehr.

Diese Probleme vermeidet man, wenn man sein Saatgut selbst gewinnt.

Also bitte: Gewinnt eigenes Saatgut! Versucht es wenigstens mal (dazu fordert auch Andreas von der Bingenheimer Saatgut AG im folgenden Video auf).

Video mit vielen interessanten Infos über die Arbeit eines gewerblichen Saatgut-Erzeugers; doch das Beste kommt zum Schluss…

Früchte von Büschen und Bäumen, die aus Samen entstanden sind, schmecken (gut)

Auch die Ansicht, die der Überschrift dieses Kapitels widerspricht, habe ich schon ausgiebig im Beitrag „Keine Angst vor Sämlingen“ diskutiert und mit Beispielen widerlegt; deshalb wiederhole ich nur das wichtigste:

  1. Alle Obstsorten, die heute existieren, wurden irgendwann aus einem Samen gezogen (die „Sorten“, die mittlerweile durch gen-technische Manipulationen erzeugt werden, lasse ich mal außer Betracht).
  2. Alle Sämlinge, die aus Samen von „guten“ Obstsorten entstehen, tragen ohne Ausnahme genießbare Früchte.
  3. Die Früchte von Sämlingen sind nicht in jedem Fall besser als die Früchte der „Muttersorte“; sie können aber möglicherweise besser schmecken oder auch sonstige Eigenschaften aufweisen, die besser als diejenigen der „Muttersorte“ sind.
  4. Die genetische Vielfalt wird durch die Aufzucht von Obstbäumen und Beerensträuchern aus Samen deutlich vermehrt.
  5. Die Eigenschaften der Sämlinge werden von den gegenwärtig herrschenden Umweltbedingungen geprüft; sie müssen sich unter realen Verhältnissen behaupten. Das ist ein unschätzbarer Vorteil gegenüber den „Laborprüfungen“ der Profi-Züchter.

Der Rat, keine Sämlinge (mehr) aufzuziehen und zur Obst- und Beerengewinnung zu nutzen, gilt ausschließlich für den industriell-gewerblichen Anbau; nur hier macht (und machte) er Sinn.

Im Hobby-Bereich (sowie in der Bio-Landwirtschaft) ist dieser Rat extrem kontraproduktiv und sogar gefährlich; denn Hobby-Garten und Bio-Landwirtschaft sind die einzigen Bereiche, in denen die genetische Vielfalt lebendig erhalten bzw. vermehrt werden kann, eine Vielfalt, die selbstverständlich nicht für den heutigen agro-industriellen Anbau von Nutzen ist, sondern allein für zukünftige, heute noch unbekannte Verhältnisse – und dann vielleicht auch für die gewerbliche Landwirtschaft und den gewerblichen Obstbau.

Alle Fachberatungen von Kleingarten-Vereinen sowie staatliche Stellen, die Empfehlungen für Hobby-Gärtner:innen herausgeben, sollten deshalb zum Anbau von „alten“ Sorten (Sorten, die nicht mehr gewerblich genutzt werden), neuen „Landsorten“, zur eigenen Saatguternte und zur Anzucht von Sämlingen raten.

Auch wenn Euch diese Stellen (noch) nicht dazu raten, zieht bitte trotzdem ein paar Obstbäume und Beerensträucher aus Samen auf! Ich sage Euch: Ihr werdet es nicht bereuen!

Mischzwiebeln. Ausgangsformen meiner eigenen, zukünftigen Zwiebelsorten