Das Kartoffelkäfer-Dossier I
oder: Alles, was Du nie über den gestreiften Krautfresser wissen wolltest.
Hunderte Kartoffelkäferlarven, die unermüdlich an den eigenen Kartoffelpflanzen nagen, sind fürwahr kein schöner Anblick, und es ist verdammt schwer, mitansehen zu müssen, wie sie die Pflanzen rasant in Gerippe verwandeln. Trotzdem weigere ich mich, die Tiere als Schädlinge zu bezeichnen und sie rücksichtslos zu vergiften; aber auch wenn ich mit ihnen in friedlicher Koexistenz leben möchte, will ich ihre ungehemmte Vermehrung so weit wie möglich beschränken: Ich will ja auch möglichst viele Kartoffeln ernten.
Ausrotten lässt sich dieses, doch eigentlich niedliche, gelb-schwarz gestreifte Pummelchen ohnehin nicht (mehr), wie die kartoffelbauende Landwirtschaft, die Pflanzenzucht- und Chemiekonzerne, aber auch wir Hobby-Gärtner:innen alle paar Jahre leidvoll erfahren müssen.
Ich präsentiere heute nichts wirklich Neues über den Kartoffelkäfer (außer vielleicht das Geheimnis seiner „Anpassungsfähigkeit“) – das meiste ist schon zig-mal ausgebreitet worden; doch ich lege den Schwerpunkt anders: Ich stelle nicht die Bekämpfungsmöglichkeiten und – mittel in den Vordergrund, sondern sein Wesen, seine Art und seine Lebensumstände.
Manchmal lernt man jemanden lieben, wenn man ihn kennenlernt. Auch, wenn man ihn nicht gleich liebhaben will, kann es nicht schaden, seine Lebensgewohnheiten zu kennen – sei es auch nur, um eine Schwäche bei ihm zu entdecken, die man für seine Beschränkung nutzen kann.
Ansatzweise hatte ich schon seit einiger Zeit ein paar Ideen, wie dieser Mitesser vielleicht in die Schranken zu weisen ist; aber erst vor kurzem verdichteten sie sich zu konkreten Maßnahmen. Diese werde ich der Welt, also Euch, jedoch erst in einem nächsten Beitrag präsentieren (damit das hier nicht wieder endlos wird); aber erhofft Euch nicht zu viel für die Praxis des Hobby-Gärtnerns.
Immerhin eine tröstliche Nachricht will ich vorausschicken: Im schlimmsten Fall soll eine Kartoffelkäferplage die Kartoffelernte um fünfzig Prozent niedriger ausfallen lassen, als sie im besten Falle einzubringen wäre. Das bedeutet für uns Hobby-Gärtner:innen, dass uns selbst ohne jeden Widerstand immer noch die Hälfte der maximalen Menge bleibt.
Das ist doch auch gut zu wissen, oder?
Erst einmal serviere ich also, als Vorspeise sozusagen, jede Menge Informationen über das Krabbeltier (die zumindest mir noch nicht bekannt waren); denn Wissen ist Macht, wie es so schön heißt – und wer mehr weiß, kann auch mehr tun.
Also, auf gehts, tief Luft holen, um dem Käfer tief in die Augen zu blicken und tief einzutauchen in sein Leben…
Kurze Beschreibung des Kartoffelkäfers
Er ist durchschnittlich nur 10 (9 bis 11) Millimeter lang, von ovalem Umriß, halbkreisförmig gewölbtem Rücken, unbehaartem, etwas glänzendem Körper und von rothgelber Grundfarbe. Von schwarzer Färbung sind die fünf verdickten Endglieder der Fühlhörner, am Kopf die Augen und ein herzförmiger Stirnfleck, am Halsschilde außer dem Vorder- und Hinterrande elf Fleckchen, deren mittelster größer und von der Form einer Römischen V ist, auf der Bauchseite zahlreiche, in Querreihen angeordnete Punkte und Flecken, an den Beinen die Kniee und die viergliedrigen Füße. Die lichtgelb gefärbten Flügeldecken zeigen zusammengenommen elf schwarze Längsstreifen, deren mittelster die Naht einnimmt; von den übrigen sind der dritte und vierte jederseits nach hinten mit einander verbunden, der dem Außenrand zunächst verlaufende ist der schmälste. Die im Zustand der Ruhe unter den Flügeldecken zusammengeschlagenen häutigen Flügel sind von lebhaft rosenrother Farbe.
Die Herkunft des Kartoffelkäfers
Wo kommt der Bursche überhaupt her?
Ich hatte wirklich fest geglaubt, dass der Kartoffelkäfer aus der Heimat der Kartoffel, aus Südamerika, stammt, dass er mit der Kartoffel also aufgewachsen ist; aber da war ich auf dem Holzweg: Dieser Kartoffelfreund wurde im Nordwesten der USA, an den östlichen Hängen der Rocky Mountains, viele tausend Jahre nach der Geburt der Kartoffel geboren.
Wie sein englischer Name „Colorado Potato Beetle“ schon andeutet, liegt sein Geburtsort – oder sagen wir besser: sein vermuteter Herkunftsort – im US-Bundesstaat Colorado; zumindest wurde 1861 im nord-östlichen Nachbarstaat Nebraska ein erstes massenhaftes Auftreten auf Kartoffelfeldern vermeldet und von dort auf seine Heimat geschlossen.
Nun wird immer mal wieder behauptet, dass der üble Bursche aus Mexiko in die USA eingewandert sei (Ex-US-Präsident Trump wollte deswegen sogar eine unüberwindliche Mauer an der mexikanischen Grenze errichten lassen).
Mit dieser Geschichte hat es jedoch folgende Bewandtnis: Leptinotarsa decemlineata, wie der Käfer von der Wissenschaft heute genannt wird (ursprünglich wurde er von Thomas Say Doryphora decemlineata benannt, weshalb er im Französischen noch heute „Doryphore de la pomme de terre“ heißt), lebte einst von einem Nachtschattengewächs namens „Büffelklette“ (Solanum rostratum); dieses Gewächs breitete sich nach dem Ende der Eiszeit vom warmen Mexiko in den wärmer werdenden Norden aus, in die nordamerikanischen Trockensteppen östlich der Rocky Mountains – und mit ihm natürlich sein Freund (der es zum Fressen gern hatte), besagter Käfer.
Heute ist durch genetische Untersuchungen erwiesen, dass der Kartoffelkrautfresser nicht vor kurzem direkt aus Mexiko eingewandert ist, und auch keine Kreuzung einer nordamerikanischen mit einer mexikanischen Variante dazu geführt hat, dass er sich Kartoffelblätter einverleiben konnte. Der Vergleich der Gene von Käfern, die sich an den östlichen Hängen der Rocky Mountains noch heute von Solanum rostratum ernähren, mit solchen, die an anderen Orten innerhalb der USA als Kartoffel-Schädiger auftreten, sowie mit mexikanischen Artgenossen, hat gezeigt, dass sich die US-Amerikanischen Käfer untereinander am meisten ähneln.
So viel zu dem üblen Gerücht, der Übeltäter stamme aus Mexiko.
Übrigens hat ein naher Verwandter des Kartoffelkäfers, Leptinotarsa juncta, der auch der „Falsche Kartoffelkäfer“ genannt wird, weil er diesem zum Verwechseln ähnlich sieht, in den wärmeren Gebieten des US-Amerikanischen Südostens (Florida) die Eiszeit überlebt und sich von dort aus nach Norden ausgebreitet; nur ist dieser nie zur Kartoffel konvertiert und deshalb unbekannt geblieben.
Doch zurück zum echten Kartoffelkäfer: An den östlichen Hängen der „Felsigen Berge“ lebten Käfer und Klette dann lange Jahre mehr oder weniger einträchtig zusammen, bis… ja, bis die europäischen Einwanderer in diese Gegend eindrangen und dort Kartoffeln pflanzten, die ja ebenfalls zu den Nachtschattengewächsen gezählt werden, wie jede:r weiß: Solanum tuberosum lautet deren lateinischer, wissenschaftlicher Name; Büffelklette und Kartoffel sind ziemlich eng miteinander verwandt.
Die menschlichen Ureinwohner jener Gegenden waren über die Veränderungen ihrer Lebensumwelt weniger erfreut; einige Exemplare von Leptinotarsa decemlineata hingegen waren außerordentlich angetan von der Erweiterung ihres Nahrungsangebots. Die zähe, stachelige Büffelklette war ihnen schon längst zuwider, so dass sie sich am nördlichen Rand ihres Verbreitungsgebietes auch schon zuvor von anderen Nachtschattengewächsen genährt hatten. Die zarte, nur mäßig behaarte Kartoffelpflanze wurde aber dann zum Renner und machte es ihnen möglich, sich geradezu explosionsartig zu vermehren – zusammen mit den Kartoffelanbauflächen in den USA.
Diese Varianten überfluteten dann die Kartoffelfelder des US-Amerikanischen Ostens, wie die nachfolgende Grafik sehr schön verdeutlicht: Nicht einmal 20 Jahre brauchten sie, um den Norden der USA vollständig zu besiedeln.
Dabei drängt sich die Frage auf:
Wie schafften sie das?
Können Kartoffelkäfer fliegen?
Das nachfolgende, bekannte Schlaflied für ahnungslose, kleine Kinder gibt darauf eine klare Antwort:
Kartoffelkäfer, flieg!
Der Vater ist im Krieg (gegen den Kartoffelkäfer),
die Mutter ist im Kartoffelland (und versucht dort, noch Kartoffeln zu kriegen)
Und Kartoffelland ist abgebrannt (weil die Käfer alles aufgefressen haben).
Kartoffelkäfer, flieg!
Ich hatte, ehrlich gesagt, noch nie in meinem Leben einen Kartoffelkäfer fliegen sehen (Maikäfer dagegen schon häufiger, obwohl diese viel seltener sind) und dachte deshalb, dass sie garnicht fliegen können, bestenfalls ein kleiner Teil von ihnen, so wie bei den großen Laufkäfern, den Carabiden, die ich für meine Diplomarbeit näher untersuchen durfte: Bei manchen Laufkäfer-Arten entwickeln nur einzelne Exemplare funktionsfähige Flügel.
Um den Schleier der Unwissenheit zu lüften, habe ich im Internet nach Informationen geschürft; aber ich musste tief graben, denn in Deutsch ist dazu kaum etwas zu finden. Wissenschaftliche Arbeiten in Englisch haben mich letztlich aufgeklärt: Kartoffelkäfer können tatsächlich (sehr gut) fliegen und zwar ausnahmslos alle.
Ich fand sogar das Bild eines startenden Kartoffelkäfers (ja, auf einer deutschen Seite), dass mir sein Fotograf, Herr Volkmar Brockhaus, freundlicherweise für diesen Beitrag zur Verfügung stellte.
Etwas später sollte ich sogar selbst erleben, wie ein Käfer abhob.
Doch ich wollte gerne noch wissen:
Wann fliegen Kartoffelkäfer?
Normalerweise suchen Kartoffelkäfer ihre Futterpflanzen und Geschlechtspartner per pedes, also zu Fuß auf, wobei sie sich bevorzugt von ihrem Geruchssinn leiten lassen (riechen tun Insekten übrigens vor allem mit den beiden Antennen, die den meisten Arten vorn am Kopf ansitzen).
Denn die Natur hat seit Urzeiten bestimmt: Dort, wo im letzten Jahr ihre Nahrungspflanzen wuchsen, sollten auch in diesem Jahr aus den Knollen wieder neue Pflanzen gewachsen sein; die Überbrückung weiter Strecken ist aus diesem Grunde nicht unbedingt im Verhaltensrepertoire der Käfer vorgesehen.
Wenn sie aber nach längerem Herumirren nichts Fressbares (oder einen Geschlechtspartner) finden, erheben sie sich doch gezwungenermaßen in die Lüfte und kreisen die nähere Umgebung nach Futter für sich und ihre Nachkommen ab.
Wenn auch das nichts hilft, schalten sie auf Langstreckenflug um und fliegen so lange geradeaus, bis ihnen Kartoffelkrautduft in die Riechorgane dringt – oder sie vor Erschöpfung zur Erd- bzw. Wasseroberfläche niedersinken.
Kartoffelkäfer fliegen also in der Regel, wenn sie Hunger haben oder allein sind und dringend Geschlechtsverkehr haben wollen; manche Exemplare fliegen auch, um Abenteuer oder neue Lebensräume zu finden, also einfach so ins Blaue hinein.
So steht das in den wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen, die ich zum Flugverhalten fand und mir kostenfrei zugänglich waren; aber das hätte ich mir auch denken können…
Wie ich einen Kartoffelkäfer fliegen sah
Dass Kartoffelkäfer fliegen, wenn sie hungrig sind, durfte ich dann auch noch selbst erleben: Ich hatte einige Exemplare von einer einzeln stehenden Kartoffelpflanze abgesammelt, deren Ausgangsknolle vom letzten Jahr im Boden geblieben war („Durchwuchskartoffel“) und auf der sie sich häuften (ich sah sie reihenweise zu Fuß anmarschieren); ich wollte ihren individuell gemusterten Brustschild (Thorax) zu Hause in Ruhe fotografieren, um Euch damit ihre genetische Vielfalt zu beweisen.
Das klappte nicht direkt, so dass sie eine Weile in dem Gefängnis ausharren mussten, in das ich sie gesperrt hatte.
Nach dieser Weile startete ich einen erneuten Versuch, ihre unterschiedlichen Brustpanzer zu dokumentieren, und holte zu diesem Zweck ein Exemplar aus seinem Gefängnis.
Kaum hatte ich es in der Hand, als es auch schon eine merkwürdige Pumpbewegung des Hinterleibes machte, woraufhin ein Flügelspitzchen sichtbar wurde.
Nachdem sich das Käferlein ein kurzes Weilchen, erstarrt auf dem Rücken liegend, still verhalten hatte – wie es seine Art bei Bedrohung ist – drehte es sich um und begann der höchsten Erhebung meiner Hand zuzustreben, einer ausgestreckten Fingerspitze. Kaum war es oben angelangt, breitete es blitzschnell seine Flügeldecken (Elytren) aus, entfaltete die Flügel und schwirrte davon.
Es erreichte dann zwar kein Kartoffelfeld, aber den Vorhang, der ungefähr einen Meter von uns entfernt am Fenster hing.
Ich griff ihn mir erneut, machte die Kamera klar und ließ ihn abermals krabbeln: Schwupps, war er wieder losgeflogen, bevor ich den Auslöser drücken konnte.
Beim dritten Mal fotografierte ich dann, so oft es ging – und hatte das Glück des Glücklichen: Ich bekam den Schnappschuss eines abhebenden Kartoffelkäfers.
Womit auch diese Frage beantwortet wäre; doch es steht noch die Frage im Raum:
Wie kam der Kartoffelkäfer nach Europa?
Kartoffelkäfer können also ausgezeichnet fliegen; aber reichte das für einen Langstreckenflug von der Ostküste der USA nach Europa aus eigener Kraft?
Nun ja, Insekten fliegen (meist unter Zuhilfenahme von Rückenwind) kilometerweit aufs Meer hinaus; aber für Strecken über hundert Kilometer nehmen sie doch auch lieber das Schiff (oder das Flugzeug).
Mehrfach erreichten sie mit den schwimmenden Vehikeln den europäischen Kontinent. Auch Deutschland wurde schon vor 1900 mehrfach besucht; doch immer wieder gelang es, ihn auszuweisen und abzuschieben. Großbritannien konnte sogar bis heute seine Einwanderung verhindern.
Um 1920 herum hatte er aber in Frankreich, in der Gegend um Bordeaux, einen Brückenkopf bilden können (manche behaupten, mit Hilfe der US-Amerikanischen Armee) – und von da an ging es wieder sehr schnell, bis er auch Europa im Sturm erobert hatte; im Moment versucht er, sich in China einzuleben.
Auch, wenn hier und da das Gerücht gestreut wurde, er sei als biologische Waffe eingesetzt und per Luftlandefracht abgesetzt worden, so unterschätzt man den Ausbreitungsdrang dieses Gesellen doch mächtig. Grenzanlagen und Flüsse lässt er locker hinter sich; auch rechtliche Regelungen, wie Staatsbürgerschafts- oder Asylrecht interessieren ihn wenig: Er geht und fliegt überall dorthin, wo Kartoffeln wachsen.
Wir leben nun seit über 80 Jahren mit ihm zusammen; aber deshalb wissen wir noch lange nicht im Detail,
Wie Kartoffelkäfer ihr Leben verbringen
Was wir wissen, ist dies:
Ei-, Larven- und Puppenstadium
Geboren werden sie in einem gelben, länglichen Ei, das die Mutter in Päckchen von 10 bis 60 Stück an die Unterseite von Kartoffelblättern heftet. Wohlgenährte Käferweibchen können während der Wachstumszeit von Kartoffelpflanzen bis zu 1500 Eier an ihnen verteilen; im Durchschnitt sollen sie sich aber auf ungefähr 500 gelbe Tönnchen beschränken.
Nach sieben bis 15 Tagen (je nach Temperatur und Witterung) befreien sich die winzigen, rötlichen Larven, wie die Vorstadien von Käfern genannt werden, aus den Eischalen, futtern diese auf und fangen an, ihr Geburtsblatt zu benagen.
Nach weiteren zwei bis fünf Tagen streifen sie das erste Mal ihre Außenhülle aus Chitin ab, um ihrer Größenzunahme gerecht zu werden (die Außenhaut eines Insekts kann nicht mitwachsen und muss deshalb während des Wachstums immer wieder gewechselt werden); nach einer Häutung sind sie zumeist sehr kräftig rot, da die schwarzen Stellen erst ausfärben, wenn die Chitinhülle trocknet.
Zwei bis fünf Tage dauern ungefähr auch die nächsten beiden Stadien. Nur das 4. und letzte Stadium frisst länger, ungefähr sechs bis neun Tage lang (bei 29°C kann sich eine Larve in acht Tagen vollständig entwickeln, bei 14°C braucht sie dafür 28 Tage).
Nach jeder Häutung und vollständiger Größenzunahme wird die Larve etwas heller rot und der Brustschild etwas weniger schwarz. Drei Mal muss dieser Vorgang wiederholt werden, bis sich die Larve genug Körperfülle angefressen hat, um sich in einen ausgewachsenen Käfer verwandeln zu können.
„Obwohl die Gesamtmenge an Blattmasse von der Pflanzenart abhängt, konsumiert das 1. Larvenstadium ungefähr 3% dieser Menge, das zweite 5%, das dritte 15% und das vierte und letzte 77%“, heißt es im entsprechenden Datenblatt der European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO); nur damit Ihr mal einen Anhaltspunkt dafür habt, welches Larvenstadium man auf keinen Fall auf seinen Kartoffelpflanzen fressen sehen sollte.
Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, verlässt das vierte Larvenstadium die Kartoffelpflanze, krabbelnd oder fallend, und vergräbt sich ein wenig ins Erdreich unter der Pflanze. Dort erstarrt es und bekommt eine harte Außenhaut: Es wird zur Puppe, wie das Verwandlungsstadium derjenigen Insekten genannt wird, die sich vollständig von der Larve in eine Imago, das „fertige“ Insekt, verwandeln (andere Insekten nähern sich in mehreren Einzelschritten dem Endstadium an, wobei sich die verschiedenen Stadien ähneln; Heuschrecken und Wanzen sind z. B. solche Insekten).
Das Puppenstadium dauert beim Kartoffelkäfer, je nach Temperatur, 12 bis 21 Tage; dann presst sich der Käfer aus der Puppenhaut heraus und beginnt ein neues Leben.
Ich werde bei Gelegenheit mal gezielt nach einer Puppe buddeln, um Euch auch von ihr ein Foto zeigen zu können.
P.S.: Im Jahr 2023 habe ich ein paar Kartoffelkäferlarven, die kurz vor der Verpuppung standen, in einen Eimer mit einer Kartoffelpflanze eingesperrt und gewartet, bis sie sich verpuppen. Die folgenden Bilder zeigen den Erfolg…
Der erwachsene Kartoffelkäfer
Sobald der erwachsene Käfer das Licht der Welt erblickt, macht er sich auf die Suche nach Kartoffelkraut, wie schon gesagt, immer den Antennen nach. Er muss erst einmal Kraut knabbern, damit sich Geschlechtsorgane und Muskeln vollständig entwickeln. Erst dann können Männchen und Weibchen geschlechtlich aktiv werden.
In hiesigen Breiten gelingt der Zyklus vom Ei bis zum Käfer in der Regel nur einmal; nur in besonders warmen Jahren können sie zwei oder sogar drei Generationen auf die Beine stellen.
Wenn es also im Sommer nichts Frisches mehr zu fressen gibt, begeben sich die Käfer direkt in den Untergrund: In der Nähe ihrer Kartoffelpflanzen suchen sie andere Pflanzen, Büsche oder Bäume auf, unter denen sie sich ordentlich (angeblich bis zu 50 Zentimeter tief) eingraben, um den Winter zu überstehen.
Sobald die Erde im Frühjahr eine gewisse Temperatur erreicht hat – diese Temperatur geht zumeist mit der Wachstumszeit der Kartoffelpflanze einher – befreien sie sich aus dem Erdreich und trippeln in der Gegend herum, um mit der „Nase“ auf eine anziehende Speisepflanze zu stoßen; denn diese sollten (normalerweise) wieder dort wachsen, wo sie im letzten Jahr auch gewachsen sind.
Wenn sie auf eine Pflanze stoßen, die einen verlockenden Duft verströmt, beginnen sie ihren Reifefraß – und locken damit weitere Käfer an; denn ein angebissenes Kartoffelblatt verströmt mehr Duft und ist somit für Käfer noch besser riechbar.
Sobald sie sich entsprechend entwickelt und verpaart haben (ein Weibchen muss wenigstens mit drei Männchen verkehren, um genügend Samen für die Saison gespeichert zu haben), machen sich die Weibchen wieder auf den Fußweg – zu neuen, unberührten Kartoffelpflanzen, um ihre Eipäckchen loszuwerden und einen neuen Kreislauf in Gang zu setzen.
Ich glaube, hier ist eine gute Stelle, um ein paar Worte über die „Anpassungsfähigkeit“ des Kartoffelkäfers loszuwerden, die immer mal wieder staunend erwähnt wird, wenn es z. B. um die Ausbildung von Resistenzen gegen Insektizide geht.
Bemerkungen über die besondere „Anpassungsfähigkeit“ des Kartoffelkäfers
Schon der Begriff „Fähigkeit“ verleitet zu der Annahme, dass es sich um eine aktive Handlung von Individuen handelt, die zur Anpassung führt; dies ist aber mitnichten der Fall.
Wie ich hoffe, schon in meinem Beitrag „Wettlauf zwischen Hase und Igel“ deutlich gemacht zu haben, ist für eine erfolgreiche Anpassung einer Organismengruppe einzig und allein ihre genetische Variabilität von Bedeutung; nur eine hohe genetische Unterschiedlichkeit der Individuen garantiert, dass in dieser Gruppe überlebensfähige Exemplare vorhanden sind, wenn sich die äußeren Bedingungen ändern.
Das Besondere am Kartoffelkäfer ist also nicht seine „Anpassungsfähigkeit“ sondern seine hohe genetische Variabilität.
Wenn es zuvor hieß, dass ein Kartoffelkäferweibchen die Spermien von mindestens drei Männchen für ihren Nachwuchs nutzt, so ist ein Faktor für die besonders große genetische Variabilität des Kartoffelkäfers schon benannt; möglicherweise genügt dieser für eine Erklärung seiner hohen „Anpassungsfähigkeit“.
Weil die Käfer gerne zu Fuß unterwegs sind, raten schlaue Berater den dummen Kartoffelbauern, ihre neuen Kartoffelfelder immer wenigstens 500 Meter von den vorjährigen entfernt anzulegen und auf letzteren möglichst alle „Durchwuchskartoffeln“ gewissenhaft zu beseitigen; aber was tun die Käfer in diesem Fall?
Nun, wer bis hierher gelesen hat, wird es wissen – und diesen Ratschlag entsprechend anpassen.
Aber halt! Von erfolgreichen und weniger Erfolg versprechenden Strategien gegen den Kartoffelkäfer soll erst im folgenden Beitrag die Rede sein, dann aber wieder ganz ausführlich. Bis dahin lasse ich ein bisschen Spannung bei der Frage aufkommen, welche Schlauheiten ich mir wohl wieder ausgedacht habe…
Super Beitrag!
Vielen Dank!
Regenwetter mit Starkregen haben meinen Kartoffelpflanzen gut überstanden und nun habe ich heute meinen ersten Kartoffelkäfer abgelesen :/
Ihn weggetragen, weil auch ich nicht alles töte was kreucht und fleucht (außer Stechmücken).
Ein paar Tage vorher Raupen von den Gurken, Salat und Kohl abgesammelt (Trotz Netz).
Ehrlich gesagt, macht so das Gärtnern wenig Freude.
Ich teile gern, dann aber im kleinen Rahmen.
Ich habe einen Naturgarten, in dem sich immer mehr Bewohner einfinden. Mauswiesel, Siebenschläfer, Zaunkönig, Tauben, Amsel, Drossel, Meisen, Molch, Kröten, Feuersalamander, Echsen, Blindschleichen, Wühlmaus, Spitzmaus, Hausmaus…, Hase, Waschbär, Schmetterlinge, Falter, Bienen, Wespen, Hornissen, Schnecken, Ameisen, Eichhörnchen, Käfer,… u. v. m.
Seit ein paar Tagen auch Greifvögel.
Einfach schön in-mit-ten der Natur zu leben.
Hallo,
das Beste, was ich je über Kartoffelkäfer gelesen habe, illustriert mit ganz tollen Bildern.
Großes Kompliment dafür.
Letztes Jahr war ich das ständige Absammeln der Käfer leid. Die Lösung: Netze über meine Kartoffelreihen
und ich habe Ruhe. Dieses Jahr habe ich wieder nach dem Sichten des ersten Käfers die Netze ausgebreitet
und freue mich über prächtig wachsende Kartoffeln.
Liebe Taphrina, danke für Dein großes Lob! Das freut mich…
Netze sind auf jeden Fall (bei kleiner Anbaufläche) eine Hilfe, so lange die Käfer nicht in der Fläche überwintern; denn dann sind sie natürlich schon unter dem Netz und können es sich dort gut gehen lassen. Dieses Problem hast Du aber anscheinend noch nicht gehabt…
Ich werde die „Benetzung“ der Kartoffeln in meinem nächsten Beitrag auf jeden Fall als eine Möglichkeit auflisten, den Kartoffelkäfer in die Schranken zu weisen…
Weiterhin viel Erfolg beim Kartoffelanbau
und liebe Grüße
Jürgen