Der Gärtner und Gott
oder: Was Gott mit dem Allmächtigen zu tun hat.
Als Gärtner habe ich mit „Gott“ immer wieder zu tun und bin ihm so zumeist besonders nah; deshalb finde ich es naheliegend, über „Gott“ auch mal ein paar Worte in meinem Gartenblog zu verlieren.
Einige Leute werden jetzt lachen und denken: „Gott? Lächerlich! Wer redet denn heute noch von Gott!? Gott ist tot! Gott ist sowas von tot, toter geht’s gar nicht! Also hör‘ auf!“
Ja, Ihr lacht und denkt, Gott ist tot; aber mal sehen, ob Ihr wirklich nicht mehr an Gott glaubt oder ob Euer Gott heute vielleicht nur anders heißt?!
Vielleicht verstehe ich unter „Gott“ auch nur etwas ganz anderes als Ihr; deshalb lest weiter, seid gespannt und empört Euch meinetwegen in den Kommentaren!
Gott, der Allmächtige
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Wort „Gott“ bei den meisten Menschen (immer noch) bestimmte Assoziationen, bestimmte Bilder auslöst, vielleicht sogar nur ein bestimmtes Bild: Das Bild von einem (zumeist männlichen) Wesen, das die Welt erschaffen hat, sie lenkt und regiert, das uns helfen, beschützen und im Bedarfsfall auch retten kann.
„Gott“ ist für die meisten Menschen gleich bedeutend mit „DER Allmächtige“. Korrekt?
Doch dieser „Gott“, dieser „Allmächtige“ ist nur ein Bild, das in den Köpfen vieler Menschen entsteht (gebildet wurde/wird, vorhanden ist). Dass „ER“ nur ein Bild ist, kann man leicht daran erkennen, dass dieses Bild von „IHM“ zu allen Zeiten und in allen Kulturen unterschiedlich aussieht bzw. ausgesehen hat.
Alles, was mit dieser VORSTELLUNG von „Gott“ zusammenhängt, ist Glaube (manche sagen auch „Aberglaube“), dieser Gott ist reine Ein-bildung, er ist nicht mit wissenschaftlichen Methoden nachweisbar.
Also, über diesen „alten Mann“, den so genannten „Allmächtigen“ will ich kein weiteres Wort verlieren, der ist wirklich ziemlich tot – zumindest in der „Westlichen (industrialisierten, technisierten) Welt“; da stimme ich Euch vollkommen zu.
Gott, das Allmächtige
Mir geht es um die Ursache, um den Grund dafür, dass dieses zuvor beschriebene Bild von „Gott“ überhaupt entstanden ist; denn wozu brauch(t)en Menschen überhaupt einen Gott, einen Allmächtigen?
Weil es „DAS Allmächtige“ gibt.
„DAS Allmächtige“ umfasst für mich alles, was für uns Menschen unerklärlich und unbeherrschbar ist.
Dieses Unerklärliche und Unbeherrschbare übt Macht über uns Menschen aus. Wenn wir etwas nicht erklären, verstehen und beherrschen können, bekommen wir es (häufig) mit der Angst zu tun.
Aus dieser Angst heraus entsteht der Wunsch nach einem Allmächtigen, nach jemandem, der die Angst nimmt, der aus der Patsche, aus der Not hilft, der eine Erklärung für Alles bietet und zumindest theoretisch aus jeder (Not)Lage retten könnte.
DER Allmächtige ist, wie gesagt, eine Einbildung, ein Wunschtraum; doch DAS Allmächtige ist real, ist existent, ist keine Glaubensfrage; DAS Allmächtige ist wissenschaftlich nachweisbar.
Nachweise für DAS Allmächtige
Ich finde, die folgenden fünf Punkte sind ein hinlänglicher Beweis für DAS Allmächtige; ich könnte auch formulieren: Sie sind das Allmächtige:
- Das Lebendige, das Leben an sich.
Die Entstehung des Lebens wird niemals erklärt werden können; deshalb wird es niemals möglich sein, „neues“ Leben zu schaffen. Es ist möglich, Lebendiges zu manipulieren und zu verändern, aber es werden immer „Samen“ oder lebende Zellen gebraucht, um das Leben fortpflanzen zu können. Auch das Ende des Lebens, der Tod, unser Tod, wird nicht aus der Welt geschafft werden können; denn ohne Tod kann nichts Neues entstehen.
- Das Fehlerhafte.
Es wird niemals möglich sein, den „Fehler“ auszuschalten. Es wird immer unberechenbare Abweichungen von der „Norm“ geben. Ich behaupte sogar, dass die Fehlerhaftigkeit das Wesen der „Natur“, des Lebens ist. Ohne Fehler, ohne Abweichungen gäbe es keine Veränderung, kein Anders-Werden, keine Entwicklung, keine Evolution – hätte es also auch uns Menschen nie gegeben.
- Das Erdklima.
Es wird niemals möglich sein, das „Wetter“, das Klima der Erde gezielt zu beeinflussen. Dazu müssten mindestens die Energieeinstrahlung der Sonne sowie die Erdumdrehung strikt reguliert werden können; beide sind mit Schwankungen, mit „Ungenauigkeiten“, mit „Fehlern“ behaftet; trotzdem wird auch das tatsächlich versucht, es wird daran geforscht, das Klima zu ändern: GEO-ENGINEERING wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn?
- Das Erdinnere.
Die Prozesse im glühenden Erdinneren werden niemals kontrolliert werden können.Nur zur Verdeutlichung: Die Erdkruste ist durchschnittlich 35 Kilometer dick, der Radius der Erde, d. h., die Strecke bis zu ihrem Mittelpunkt, beträgt rund 6400 Kilometer – wir leben folglich auf einer hauchdünnen Schicht, die über eine gewaltige, glühende, rotierende Masse gespannt ist.
Der Vergleich zwischen 35 und 6400 ist doch krass, oder? Die Kruste der Erde beträgt gerade mal 0,55 Prozent des gesamten Erdradius‘.
- Das Weltall, das Universum.
Falls bis hierher noch jemand glaubt, der Mensch werde irgendwann einmal bestimmenden Einfluss auf die genannten Faktoren gewinnen können, so bin ich mir doch sicher, dass er bei den folgenden Prozessen zumindest von einem gewissen Zweifel befallen werden muss: Werden wir Menschen jemals die Bewegung der Erde, der Sonne, der Milchstraße steuern können?Hier ein paar Fakten dazu: Wir in Deutschland drehen uns auf der Erde mit „mehr als 1000 km pro Stunde! Und natürlich bewegt sich die Erde auch um die Sonne und zwar mit knapp 30 Kilometern pro Sekunde. Und die Sonne selbst saust mit 220 km pro Sekunde um das Zentrum der Milchstraße. Und auch die Milchstraße steht natürlich nicht still…“ (Quelle: Scienceblogs.de).
Gott ist tot, es lebe der „Wissenschaftlich-technische Fortschritt“
„Gott“, DER Allmächtige, der den Menschen gegen die fürchterlichen Tatsachen bisher beistand, ist in unserem Kulturkreis, wie schon gesagt, mittlerweile ziemlich tot, weil er von einem neuen „Gott“ abgelöst wurde, dem Glauben an den „Wissenschaftlich-technischen Fortschritt“.
Größere Teile der „aufgeklärten“ Menschheit knüpfen an den „Wissenschaftlich-technischen Fortschritt“ die Hoffnung, mit seiner Hilfe alles erklären und beherrschen zu können und bei Bedarf auch aus Krankheit und Not gerettet zu werden.
Die Frage aber bleibt: Kann wirklich alles, kann DAS Allmächtige erklärt und jemals beherrscht werden?
Ich behaupte NEIN.
Wenn jemand der Meinung ist, DAS Allmächtige, „Gott“, die fünf genannten Punkte seien keine Tatsachen – oder sie ließen sich doch (wenigstens eines Tages) mit naturwissenschaftlich-technischen Möglichkeiten nach menschlichen Vorstellungen steuern oder kontrollieren, auf dessen Begründung bin ich sehr gespannt (jedem steht die Kommentarfunktion unten zur Verfügung).
Es ist nicht so, dass ich die wissenschaftlich-technische Entwicklung nicht großartig und beeindruckend finde (und ihr noch gewaltige Erkenntnisse und Möglichkeiten zutraue).
Ich erschaudere manchmal vor den Leistungen des menschlichen Geistes und der menschlichen Kooperation.
Himmelwärts ragende Autobahn-Brückenpfeiler, die Hochhausschluchten New Yorks, die Riesen-Baustellen Berlins oder manche Tunnel-, Kanal- oder Brückenbauwerke beeindrucken mich gewaltig. Die Ingenieur-Technik dient hier nur als Beispiel; auch auf anderen Gebieten wie z. B. Chirurgie, Raumfahrt, Informatik bis hin zur Gen-Technik lassen sich genügend imposante, menschliche Leistungen feststellen.
Doch sind und bleiben sie meines Erachtens unendlich schwach und hilflos gegen DAS Allmächtige, das ich in den fünf Beispielen oben nur angedeutet habe.
Das Allmächtige und ich
Als Gärtner weiß ich: ich kann nichts (oder nur sehr begrenzt etwas) gegen Trockenheit, Hitze und Kälte, gegen Regen und Überschwemmung und nur wenig gegen tierische, pflanzliche, pilzliche, bakterielle und virale Konkurrenten ausrichten.
Wenn mir nun von keinem „Gott“ Hilfe zuteil wird, was kann ich dann tun?
Bleibt mir nur ewiges Gejammer über die Schlechtigkeit der Welt oder muss ich deswegen gar verzweifeln? Oder muss ich nur fester an den wissenschaftlich-technischen Fortschritt glauben? Oder ist es vielleicht eine Lösung, zum alten Gott-Glauben zurückzukehren?
Leider sind das alles keine ernsthaften Alternativen für mich.
Mein Entschluss lautet: Ich möchte mit den Unwägbarkeiten des Lebens leben und mein Bestes tun, sie in Grenzen zu halten.
Ich folge in dieser Hinsicht dem Weisen, der gesagt hat: Ich möchte das ändern, was zu ändern ist, und das mit Gleichmut ertragen, was nicht zu ändern ist; aber es ist nicht immer leicht und erfordert Weisheit, beides zu unterscheiden.
Manchmal rate ich mir außerdem, hin und wieder innezuhalten und mir mein Ausgeliefertsein vor Augen zu führen, mir in Erinnerung zu rufen, dass mein Leben, mein Glück auch jederzeit mit einem Schlag zu Ende sein oder langsam dahinsiechen kann. Ich möge akzeptieren, dass auch dies zum Leben gehört.
Ich halte mir dann vor Augen, dass ich öfter dankbar dafür sein sollte, dass ich gesund bin und bis zum heutigen Tage so gut leben durfte – wenn ich die Dinge optimistisch sehe, oder dass ich wenigstens dafür danken sollte, dass nicht alles noch viel schlechter ist – wenn ich pessimistisch in die Welt blicke (ich bin übrigens hemmungsloser Optimist).
Ich sollte mich so oft wie möglich an den kleinen Dingen des (Garten-)Lebens erfreuen, sie genießen, mich freuen, dass etwas gewachsen und gediehen ist, dass ich etwas ernten kann. Ich sollte manchmal etwas ehrfürchtig sein vor den Wundern des Lebens, vor einer Nacktschnecke, einer Mücke oder einem Käfer, einem Samen, einem Keimling, einer Blüte oder einer Frucht.
Ich tue das viel zu selten.
Ich sollte es wenigstens einmal morgens und einmal abends tun (zu Zeiten von „IHM“ nannte man dieses Innehalten und Danksagen „Morgen- und Abendgebet“).
Ich tue es auf jeden Fall:
Ab und zu denke ich an „Gott“, das Allmächtige.
Ab und zu fühle ich mich wie ein Sandkorn, eingebettet in den Erdboden.
Ab und zu fühle ich mich wie ein unbedeutendes Lebewesen, das Teil eines schon lange existierenden Kreislaufs ist.
Ab und zu fühle ich mich wie ein Wesen, das die Möglichkeit besitzt, dies zu fühlen und zu denken.
Dieses Bewusstsein nimmt mir die Angst und macht mich immer mal wieder glücklich.
P. S.:
Nach einem Gespräch mit meinem guten Ex-Nachbarn Hanno, Philosoph und gelegentlicher Kirchgänger, über „Gott“, will ich noch folgenden Schlusssatz hinzufügen: DER Allmächtige hat nicht nur eine helfende und beschützende Funktion, sondern dient auch dazu, Riten und Rituale zu begründen, mit denen das Getroffensein durch DAS Allmächtige sowie die Angst vor ihm erträglich gemacht werden; außerdem motiviert ER Menschen, eine Gemeinschaft zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe zu bilden, eine GLAUBENSgemeinschaft. Auch die ethisch-moralischen Grundsätze des menschlichen Zusammenlebens werden gerne auf IHN gestützt.
Mal sehen, ob wir das auch ohne IHN hinbekommen.
Interessant geschrieben. Aber tot ist er ganz sicher nicht. Er hat mich mein Leben wiedergegeben und mich eine Familie geschenkt. Und große Freude in Gärtnern!
Wer sich getraut hat die Worte Jesus zu lesen mit offenen Herz weiß was ich meine. Liebe Grüße Marjo
Liebe Marjo,
lieben Dank für Deinen Kommentar!
Wenn Du an IHN glaubst und ER Dir hilft, ist das schön und gut; jeder Mensch soll nach seiner Façon glücklich werden.
Ich bin jedoch dafür, die Bibel nicht mit offenem Herzen sondern mit wachem Verstand zu lesen.
Viele Grüße
J:)rgen
Ja, ich sinke auch oft in unserem Garten auf die Kniee – nicht, um IHM zu huldigen, sondern, um die kleinen Wunder zu bestaunen. Aber dieses Staunen ist ja auch eine Art der Huldigung, auch wenn ich ansonsten nicht wirklich an Ihn glaube. Der Ehrfurcht tut das keinen Abbruch.
Danke Martin, ja, darum geht’s: Das Leben und seine Wunder zu ehren und sich ein wenig vor dem Unbekannten, dem Kommenden zu fürchten, sich nicht allmächtig zu wähnen.
Jeder sollte immer mal wieder ein wenig „Ehr-Furcht“ spüren, das ist mein frommer Wunsch.
Liebe Grüße
J:)