Erste Spargelernte
oder: Wie ich meine Spargel unkonventionell glaubte leichter ernten zu können.
Wenn von Spargelernte die Rede ist, muss auch immer von jenem Spargelessen gesprochen werden, das ja der (vermutliche) Grund für meinen Spargelanbau ist: Dem Spargelessen mit den drei „Jungs“ (sowie ihren Angetrauten); siehe dazu den ersten Bericht „Spargel, die Sonderkultur“.
Ob meine Liebste und ich dieses Essen schon im ersten Jahr unserer Ehe veranstaltet haben, weiß ich leider nicht mehr genau; aber zehn Jahre kommen wir nun ganz sicher schon zusammen, um gemeinsam den Spargelverzehr zu zelebrieren: Wir, als Gastgeber und damalige Begünstigte besorgen Spargel, Schinken, Frühkartoffeln und bereiten eine Sauce Hollandaise (oder versuchen letzteres zumindest), die anderen bringen Eis und frische Erdbeeren, Wein sowie einen Aperitif bzw. Digestif.
Auch nach zehn Jahren macht dieses Treffen noch Spaß, obwohl einer nun schon seit ein paar Jahren aus Wiesbaden anreisen muss. Ich glaube, alle freuen sich immer noch darauf. Ich freue mich auf jeden Fall und hoffe, dass dieses Ritual noch eine Zeitlang bestehen bleibt.
Ich freue mich auch darauf, im nächsten Jahr vielleicht schon „eigenen“ Spargel servieren zu können; in diesem Jahr habe ich zumindest schon erste Erfahrungen mit der Spargelernte machen können – und darum dreht sich dieser Bericht.
Anfang April erweiterte ich erst einmal meine Anbaufläche wie geplant: die Sorten Ruhm von Braunschweig, Goldgebener, Argenteuil, Blanco de Navarra, Connover’s Collossal sowie Mary Washington, die ich im letzten Jahr erfolgreich vorgezogen hatte, versetzte ich jeweils in eine eigene Reihe à 8 – 10 Pflanzen.
Das war schon ein ordentlicher Aufwand: Die Jungpflanzenwurzeln („Klauen“) mit einer Grabgabel aus der Erde hebeln, die oft schon zusammengewachsenen Pflanzen auseinanderpflücken (ich hätte nicht alle drei Pflänzchen wachsen lassen sollen, die den Samen entsprossen sind; an jede Stelle hatte ich zur Sicherheit drei Körner ausgelegt), einen ca. 30cm tiefen Graben ausheben, Kompost darin verteilen, dann jede „Klaue“ auf ein kleines Häufchen desselben setzen und zum Schluss eine Schicht Mutterboden darüber decken.
Den Boden aus den Gräben benutzte ich übrigens für ein Kartoffelexperiment: Ich legte meine Cherie-, Sieglinde- und Adretta-Pflanzkartoffeln jeweils neben einen Graben und überhäufte sie mit dem Aushub von zwei Gräben. Als der Damm ca. 50 cm hoch geworden war, befiel mich jedoch ein ungutes Gefühl: Ob die Kartoffeltriebe es bis zum Licht schaffen würden?
Nun, soviel kann ich jetzt schon verraten: Sie sind nach oben durchgebrochen und haben prächtiges Blattwerk entwickelt – so wie einige Kartoffeln der Sorte Vitelotte, die seit zwei Jahren dort ihr Unwesen treiben (aber dieses Mal wachsen dürfen – im letzten Jahr habe ich doch irgendwann das Kraut beseitigt, um die benachbarten Erdbeeren zu bevorzugen).
Zurück zum Thema, zur Spargelernte.
Nach diesen Vorbereitungen für spätere Ernten kümmerte ich mich um die Ernte des diesjährigen Spargels, des ersten überhaupt.
Den „Schwetzinger Meisterschuss“ möchte ich gern als Bleichspargel nutzen; deshalb müssen die Triebe möglichst lange vor dem Kontakt mit Sonnenlicht geschützt werden. Normalerweise werden die Pflanzen zu diesem Zweck mit einem bis zu 40cm hohen Erdwall überdeckt.
Wie so oft wollte ich auch hier schlauer sein als andere: Ich dachte mir, ich spare mir die Arbeit mit dem Damm und stelle einfach ein Tunnelgerüst aus Draht mit lichtundurchlässiger Folie (einfache Abdeckplane aus dem Baumarkt) über die Reihe (wenn ich eine Dammfräse hätte, würde ich mir womöglich solche Gedanken sparen).
Mittlerweile wird zwar fast der gesamte Spargel in Deutschland unter Folie (teilweise schon drei-lagig) angebaut, aber eben nicht ohne Dämme. Nur an einer Stelle im Internet fand ich auch einen Hinweis auf einen Spargelanbau mit Folie ohne Damm.
An mehreren Stellen dagegen wurde vor den Gefahren bei der Benutzung von Folie (jeder Art) gewarnt: Es kann zu einer Überhitzung unter der Folie kommen, wodurch aufgeblühte bzw. hohle Stangen und verbrannte Köpfe entstehen.
Um am Ende möglicherweise nicht ganz blöd, d. h. ohne Ernte dazustehen, probierte ich meinen Einfall nur an einer Hälfte meiner „Schwetzinger“ aus; die andere Hälfte bedeckte ich schweißtriefend mit Sand und Erde.
Würde das mit der Plane allein also funktionieren?
Das Ergebnis vorweg: Es klappt nicht; unter der Plane wird es zu heiß (ich kann ja an heißen Tagen aufgrund meiner Abwesenheit nicht lüften), die Schnecken fühlen sich dort sauwohl und knabbern, was das Zeug hält (es bleibt schön feucht unter der Plane), und lichtdicht genug ist solch eine Abdeckplane aus dem Baumarkt auch nicht.
Somit muss dieser Eintrag auch unter „Pleiten, Pech und Pannen“ gelistet werden.
Ein paar Stangen habe ich zwar unter der Folie hervorholen können, aber die waren grün, holzig und somit ziemlich ungenießbar, wenn auch, wie erhofft, sehr einfach abzuschneiden.
Und wie sah es unter dem Damm aus?
Hier zeigte sich das, was ich schon befürchtet hatte: ich kann den Spargel zumeist nicht rechtzeitig stechen. Obwohl ich zusätzlich noch ein Malervlies über den Damm gelegt hatte, welches die austretenden Spargelsprosse bis zu meinen Besuchen an den Wochenenden vor der Sonne schützen sollte (sie wachsen je nach Witterung 5 – 15 cm pro Tag), waren sie teilweise sogar schon durch das Vlies gestoßen – und somit ergrünt.
Jetzt ist es nicht so, dass mich das Grüne vom genussvollen Verspeisen des Spargels abhalten würde, aber als professioneller Anbauer will ich meinen Liebsten natürlich auch die beste Qualität liefern. Meine Liebste war aber auch mit dem „Ukrainischen Spargelauflauf“ recht zufrieden, den ich aus den wenigen brauchbaren Stangen fabriziert habe.
Noch etwas zum Spargelstechen.
Natürlich hatte ich mich vor der ersten Ernte nicht schlau gemacht, wie man so eine Spargelstange denn überhaupt schneidet. So stand ich nun vor den ersten Sprossen, die aus der Erde lugten, und hatte keine Ahnung.
Ich kratzte die Erde entlang des Spargels, so weit ich konnte, weg – was schon eine recht mühsame Angelegenheit war, und versuchte dann, die Stange mit einem normalen, kleinen Küchenmesser möglichst tief abzuschneiden.
Mein Gott, was für ein Kampf! Das Messer war nicht scharf genug oder der Spargel zu zäh. Ich fluchte, was das Zeug hielt (und wünsche mir zu Weihnachten auf jeden Fall ein professionelles Spargelstechmesser).
Na, am Ende habe ich dann irgendwie ein paar Bleichspargel in der Hand gehabt, wenn auch teilweise zerbrochen und am unteren Ende arg zerfleddert, aber noch für weiteren „Ukrainischen Spargelauflauf“ brauchbar.
Nach diesem Reinfall sah ich mir zu hause ein paar Videos über die Spargelernte auf YouTube an – und lernte eine ganze Menge dazu: Die Spargelstangen werden auch von den Profis nicht so glatt abgestochen, wie man sie in den Geschäften kaufen kann; sie werden nach dem Stechen und einem Waschgang maschinell auf eine einheitliche Länge geschnitten.
Außerdem durfte ich per Video den Moderator der SAT1-Fernsehsendung „AKTE“ (2007) Ulrich Meyer sowie seinen Reporter Peter Klein kennenlernen. Letzterer zeigte den deutschen Arbeitslosen mal, wie man einen halben Tag lang (ohne dafür zusätzlich zu seinem Reportergehalt den Mini-Stundenlohn zu kassieren!!!) Spargel sticht. Und beide wollen damit ihren (deutschen) Fernsehzuschauern zeigen, dass es doch für jeden Arbeitslosen ganz einfach wäre, einen solchen Job drei Monate lang zu machen – wenn diese denn nur wirklich wollten.
Oh, ich würde gerne dabei sein, wenn diese beiden Fernsehmenschen drei Monate lang zum Spargelstechen gezwungen werden – und ich würde dabei gerne ihr Vorarbeiter sein mit meiner Haltung, die solche arroganten Menschen verachtet!
Andere Journalisten, die sich als Erntehelfer versuchten, erledigten ihren Job korrekt, mit genügend Empathie denjenigen gegenüber, die für uns Spargelgenießer die Drecksarbeit machen, sowie ohne herablassende Seitenhiebe auf Menschen, die sich mit derartigen, körperlichen Arbeiten schwer tun.
Ich finde, es lohnt sich, die Videos anzuschauen.
So viel zu meiner ersten Spargelernte.
Noch etwas anderes ist mir dabei aufgefallen: Ich muss mehr düngen.
Bisher habe ich mir auf diesem Gebiet keine Lorbeeren erworben. In alten Büchern, die ich im letzten Winter bei GOOGLE-Books studiert hatte, las ich zwar immer wieder, dass der Spargel sehr kräftig mit Pferdemist (oder den Exkrementen anderer Tiere – hier hatte jeder ein besonderes Rezept) gedüngt werden müsse. Aufgrund des Mangels an Mist behalf ich mich (sehr zögerlich) mit unserer eigenen Ausscheidung, unserem Urin. Das eine oder andere Mal goss ich eine Kanne mit 10%iger vergorener Pisse-Lösung über meine Spargelreihen; aber das war anscheinend ungenügend.
Dass ich zu wenig gedüngt habe, sah ich an folgendem: An einem Ende der Reihe „Schwetzinger Meisterschuss“ scheint der Vorbesitzer eine maximale (Über)Düngung vorgenommen zu haben; die Spargel dort – ebenso wie andere Pflanzen um ihn herum – waren dick und fett, also genau richtig; alle anderen waren eher dünn und mager.
Ich werde also in diesem Jahr die Spargelpflanzen nach der Ernte kräftiger mit Düngemitteln füttern müssen.
Die erste Spargelernte war also noch nicht das Gelbe vom Ei; aber wie bei vielen anderen Dingen, die bisher nicht sonderlich gut geklappt haben, sage ich mir auch hier: „Es kann nur besser werden“ oder „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“ oder „Noch ist nicht aller Tage Abend“. Leider kann ich eine Tatsache nicht ändern: Ich kann nicht zweimal täglich kontrollieren, ob ein Spargelspross aus dem Erdreich ausbrechen will.