Erdbeerschwemme
oder: Wie sich die Erdbeerpflanzen und -sorten ungehemmt in meinem Garten vermehrten.
Angeregt durch Krabundas Bericht über ihre Erdbeerernte nutze ich die Gelegenheit, meine Erdbeeren mal wieder zum Mittelpunkt eines Beitrags zu machen.
Meine ziemlich große Sammlung von Erdbeersorten ist längst den Bach runter gegangen; diese traurige Mitteilung muss ich vorwegschicken.
Im Spätsommer 2016 hatte ich Nachwuchs sämtlicher Sorten in den „Zweitgarten“, eine verwilderte Parzelle der mich umgebenden Kleingarten-Kolonie übertragen, die mir zur Nutzung überlassen wurde.
Dort haben sie sich aber offenbar nicht sehr wohl gefühlt. Zu viel Schatten, zu wenig Bodenleben (ich hatte den dortigen üppigen Brennnesselbewuchs mit einer schwarzen Baufolie brutal erstickt); die kümmerlichen Reste der dortigen Erdbeerplantage habe ich deshalb in diesem Jahr komplett dem Kartoffelanbau geopfert.
Auch das 2016 noch wohl geordnete Beet im eigenen Garten ist mittlerweile verödet oder verwildert (und zum größeren Teil mit meinem zweiten Folientunnel überbaut).
Die meisten Pflanzen dort sterben in ihrem zweiten Lebensjahr ab (sie verkümmern und vertrocknen, während ihre Früchte versuchen zu reifen); über dieses Phänomen klagen auch manche Nachbarn. Ich vermute eine Wurzelkrankheit, die rote oder schwarze Wurzelfäule, die die Pflanzen befällt, weil der Boden zu sauer, zu nass oder beides zugleich ist. Ich will demnächst mal versuchen, die ungünstigen Bedingungen mit Kalk zu verbessern.
Zu diesem trostlosen Dahinsiechen meiner langjährig, mit viel Einsatz gesammelten Sortenmutterpflanzen durch widrige, äußere Umstände kommt meine Tatenlosigkeit. Ich widme den Erdbeeren zu wenig Aufmerksamkeit: ich dünge und wässere nicht und lasse fast alle Sämlinge wachsen, die in Massen keimen, und lenke auch das ungehemmte Ausläufertum überlebender Erdbeerpflanzen nicht in geordnete Bahnen; nur das „Unkraut“ halte ich einigermaßen im Zaum.
So wuchern an vielen Stellen in meinem Garten, an denen ich einmal Erdbeeren gepflanzt habe, namenlose Erdbeerpflanzen – und wachsen mir langsam über den Kopf.
In diesem Jahr führte das zu der, mit dem Titel schon angedeuteten Erdbeerschwemme.
Die diesjährige Erdbeersaison ist wahrlich eine der besten, die ich seit meiner Gartenübernahme im Jahre 2012 erlebt habe.
Neben den massenhaft wuchernden Erdbeerpflanzen war das Wetter in diesem Jahr natürlich perfekt – und das ist der wichtigere Grund für die Masse an Erdbeeren, die ich bisher ernten konnte: es gab z.B. keinen Spätfrost, der die Blüten geschädigt hätte wie im letzten Jahr.
Stattdessen gab es während der Blüte und der Fruchtentwicklung überreichlich Sonnenschein, grenzwertige Trockenheit und erhöhte Temperaturen; dazu kamen zwei, drei kurze, ergiebige, sprich perfekte Landregen, die für die notwendige Wachstumsfreude bei den Pflanzen gesorgt, für ausgiebige Exkursionen der Schnecken zu den Erdbeerweiden jedoch nicht gereicht haben.
Grob geschätzt habe ich bisher bestimmt 35 Kilo geerntet (bzw. von Kindern pflücken lassen) und noch mal zwei Kilo direkt im Garten bei Geschmackstests verdrückt. Trotzdem sind, noch gröber geschätzt, doppelt so viele wunderbare Früchte an den Pflanzen hängen geblieben – und überreif verfault (tja, neben Pflücker*innen, die, wenn sie schon einmal bereit sind, meinen Garten anzusteuern, von Unwettern gestoppt werden, fehlt meine tägliche Anwesenheit).
Obwohl ich also keinen gepflegten Erdbeeranbau mit amtlich zugelassenen und geprüften Sorten betreibe, ernte ich mehr als genug (wenn es nicht ein paar Leute gäbe, die mir glücklicherweise einige Kilo abnehmen, wer weiß, ich wäre dieses Jahr an Erdbeeren erstickt).
Die allermeisten Erdbeeren, die ich für die obligatorischen Geschmackstests (teilweise) in mich hineinzwingen musste, waren herrlich süß und lecker, obwohl geschmacklich keine an „Königin Luise“ oder „Osterfee“ heranreichte, meinen bisherigen Favoriten; aber es gab auch keine bösen Überraschungen in Form von widerlichen Früchten, abgesehen von einigen schon in Fäulnis übergehenden, die ich aus Versehen in den Mund steckte.
Die geschmackliche Qualität haben auch andere bestätigt: „… und nochmal vielen, lieben Dank für die leckeren Früchte. Viel Marmelade und auch im Büro glückliche Mitarbeiter mit Hilfe von Erdbeeren …“ (Janna)
Es geht also auch so.
Wie aus einem winzigen Sämling des Jahres 2015 eine kleine Erdbeerwiese hervorgeht und mich nun schon seit zwei Jahren mit gediegenen Früchten beglückt, zeigen die folgenden Bilder sowie der eingeflochtene Bericht.
2015 entdeckte ich einen Sämling im Folientunnel zwischen den Tomaten-, Melonen-, Kartoffeln, Bauerntabak- und Dillpflanzen (jetzt auch zufällig auf einem Foto). Ich verhinderte damals seine freie Ausbreitung; nur drei Pflanzen durften das Jahr 2016, ebenfalls im Folientunnel erleben – und sich am Ende ungefähr vervierfachen.
2017 standen an Stelle des Tunnels Maispflanzen, Erbsen und Bohnen. Im „Maisfeld“ ließ ich die Erdbeerpflanzen sich ungestört ausbreiten – diese Nutzpflanzen werden in ihrem Wachstum durch Erdbeeren kaum behindert.
Die Erdbeerpflanzen dankten mir in jenem Jahr schon mit einer ordentlichen Ernte.
In diesem Jahr war an jener Stelle ein riesengroßes Zwiebelbeet geplant, vor allem mit der „Rose von Roscoff“ und zur Zwiebelsamengewinnung. Aus diesem Grunde wollte ich das Beet von allen anderen Pflanzen befreien. Nachdem ich jedoch die alten Maispflanzen im März beseitigt hatte, standen am Rand des Beetes die Erdbeeren so fein, so dicht und gesund in einem ordentlichen Rechteck, dass ich es nicht übers Herz bringen konnte, sie zu opfern.
Ich schnitt an den Rändern ein paar Auswüchse ab, ließ den Rest ansonsten aber in Ruhe. Es gab weder Dünger noch Wasser, nur hier und da zupfte ich ein vorwitziges Weidenröschen zwischen ihnen heraus.
Nun, ihr vervielfältigter Dank konnte sich sehen lassen!
Ja, ich habe von der „Sortenreinheit“ Abstand genommen, ich lasse wachsen und werden.
Ich hoffe, dass die Erdbeerpflanzen sich so meinen Bedingungen anpassen, dass also von der Unzahl an Sämlingen, die sich ausbreiten dürfen (oder die ich auch hin und wieder in ein geordnetes Beet rette), die ein oder andere widerstandsfähige, wohlschmeckende Pflanze übrig bleibt.
Ja, ich hoffe, dass mein Plan zur Rettung der Menschheit auch in kleinem Maßstab zum Erfolg führt.
Irgendwie fällt man ja immer auf die Werbung rein. Ich hatte tatsächlich bisher gedacht, dass fragaria X ananassa ja eine Hybride ist und deshalb nicht durch Samen vermehrt werden kann. Geht offenbar doch.
Was ich nicht verstehe ist, wieso die Erdbeeren bei der vegetativen Vermehrung ihre Sorteneigenschaften verlieren. Zwar nicht sofort, aber nach einiger Zeit schon.
Wenn ich also jetzt unter den Sämlingen die ultimative Sorte finde, wie kann ich die erhalten? Wie machst du das?
Hallo Astrid,
fragaria x ananassa ist tatsächlich so etwas wie eine Hybride. Unsere Gartenerdbeere soll ja aus der Kreuzung einer chilenischen und einer virginischen (nordamerikanischen) Wilderdbeere entstanden sein, die 1800 und irgendwas in England entdeckt wurde. Gartenerdbeeren sind nicht „sortenrein“ und spalten auf; zwar nicht mehr in die Ausgangssorten, aber in neue Eigenschaftskombis.
Normalerweise verlieren unsere Gartenerdbeeren bei der vegetativen Vermehrung ihre Eigenschaften nicht (merkbar). Es können jedoch zwei Dinge passieren, die die Eigenschaften verändern: 1. können sich zwischen den Erdbeeren Sämlinge entwickeln, die fast immer andere Eigenschaften als die Mutterpflanze besitzen. 2. gibt es auch so etwas wie „Knospenmutationen“, also Mutationen während des Wachstums. Wenn eine Mutation in einem frühen Entwicklungsstadium des Ablegers passiert, dann verändert sich die Pflanze natürlich auch. Und schon hast Du eine unbekannte Erdbeersorte im Garten, die sich natürlich genau so durch Ausläufer weitervermehrt wie alle anderen.
Wenn Du unter Deinen Sämlingen (oder auch unter Deinen „Knospenmutationen“) einmal die ultimative Sorte entdecken solltest, rupfe alle anderen Erdbeerpflanzen, die um diesen Sämling herumstehen, sorgfältig aus und achte in Zukunft darauf, dass Du nur noch Ableger von dieser Pflanze hegst und pflegst.
Wenn Du dann später unter diesen einen Abweichling feststellst: sofort rücksichtslos ausmerzen; auf keinen Fall zur weiteren Verbreitung schreiten lassen. Dann solltest Du die „Ausgangssorte“ ziemlich lange im „Originalzustand“ erhalten können.
So mache ich das zwar (noch) nicht, aber so würde ich das machen, wenn ich mal einen ultimativen Sämling entdecken würde – in meinem Erdbeerdurcheinander.
Viel Erfolg auf jeden Fall und liebe Grüße
J:)
Hallo,
Ich suche Alte -Sorten Erdbeerpflanzen . Wo kann ich die kaufen?
Habe nach der Wende 1992 sehr hoch im Laub-Buschig Ableger mitgenommen.
Super Sorte – Frucht sehr groß -Name unbekannt. ( Tessin bei Rostock ) alte DDR – Sorte ?
Hallo Dieter,
alte Erdbeersorten kannst Du bei verschiedenen Händlern oder Organisationen bekommen; ich habe meine Sorten von der Deutschen Genbank Obst in Pillnitz, vom Erdbeerhof Tolzien in Bad Wilsnack, von Teun Baan aus den Niederlanden sowie von Peter Eberhardt in Weilheim bekommen; aber auch die Raritätengärtnerei Manfred Hans in Sponholz bietet eine große Auswahl an alten Erdbeersorten.
Gibst Du von Deiner Sorte Pflanzen ab? Sie würden mich interessieren.
Wenn Du eine DDR-Sorte hast, könnte es vielleicht die Sorte „Fratina“ sein; die hatte ich mal und die ähnelte Deiner knappen Beschreibung am ehesten.
Beste Grüße
Jürgen