F2-Hybrid-Tomaten
oder: Was passiert, wenn sich zwei samenfeste Tomatensorten verkreuzen.
Weil es bei der diesjährigen Tomaten-Verkostung überwiegend Früchte von verkreuzten Tomaten, von Hybriden der 2. Generation (F2) und höher (F3, F4, F5…), zu bewerten gab, bekommt Ihr neben ihrer geschmacklichen Benotung eine kleine Einführung in die Bedeutung von Verkreuzungen; denn wenn man verstehen will, was „Nutzpflanzen-Vielfalt“ wirklich ist, was sich hinter Landsorten, Zuchtsorten, F1-Hybrid- und samenfestem Saatgut verbirgt, ist es nicht schlecht, ein wenig tiefer zu blicken, und zwar auf die geschlechtliche Fortpflanzung und die Vorgänge, die dabei ablaufen.
Du bekommst heute eine kleine Einführung in die Genetik der geschlechtlichen Fortpflanzung (wenn Du sie brauchst oder Dich dafür einfach interessierst).
Die geschlechtliche Fortpflanzung als Garant für „Vielfalt“
Die geschlechtliche Fortpflanzung hat sich im Laufe von Jahrmillionen entwickelt; sie hat sich nahezu allgemein bei den mehr-zelligen Lebewesen (Pflanzen, Tieren und Pilzen) durchgesetzt. Das sollte genügen, ihr eine gewisse Bedeutung beizumessen.
Die geschlechtliche Fortpflanzung ist der (zur Zeit) zentrale Prozess, der eine möglichst große Vielfalt an genetisch unterschiedlichen Individuen herstellt. Durch die geschlechtliche Fortpflanzung werden die Baupläne (Erbinformationen) der Lebewesen fortlaufend neu gemischt und „zurücktretende“ (rezessive, nicht-dominante) Mutationen des Bauplans zur Ausprägung gebracht.
Die Vielfalt an unterschiedlichen Individuen (Individuen!) ist für die Existenz des „Lebendigen“ auf diesem Planeten eine grundlegende Voraussetzung. Ohne diese Vielfalt ist kein Leben unter veränderlichen Bedingungen möglich, weil bei jeder Änderung der Umweltverhältnisse Individuen vorhanden sein müssen, die diese Veränderung verkraften – ansonsten wäre das Leben auf der Erde schnell zuende bzw. schon längst ausgestorben (ich weiß, ich wiederhole mich).
Wie die geschlechtliche Fortpflanzung Vielfalt schafft, versuche ich heute am Beispiel meiner Hybrid-Tomaten haarklein zu erläutern; dann verstehst Du auch, warum durch samenfeste Pflanzen Vielfalt abgeschafft wurde und die Neubildung von Vielfalt fortwährend unterbunden wird…
Zwei reinerbige Tomatensorten sollen miteinander gekreuzt werden
Kaum will ich anfangen, taucht schon ein Begriff auf, der Dir vielleicht nichts sagt: „reinerbig“ (oder „homozygot“, wie man auch sagen kann).
Eigentlich ist der Begriff „reinerbig/homozygot“ nicht besonders wichtig, wird er doch nur in Zusammenhang mit unseren Nutzpflanzen verwendet und das erst seit relativ kurzer Zeit. Im gesamten Tier- und Pflanzenreich ist er sozusagen unbekannt. Kein wild lebendes Lebewesen ist „reinerbig“. Auch unsere Nutzpflanzen waren das bis vor ungefähr 200 Jahren nicht.
Aber da „Reinerbigkeit“ oder „Homozygotie“ in heutiger Zeit eine besondere Bedeutung besitzt, muss ich sie doch erklären; denn um zu verstehen, woher die Ertragssteigerungen kommen, die unseren Nutzpflanzen abgerungen wurden, und wo die Nutzpflanzen-Vielfalt geblieben ist, deren Verlust weltweit beklagt wird, musst Du „Reinerbigkeit/Homozygotie“ verstehen.
„Reinerbig“ ist leider nicht selbsterklärend; „homozygot“ sagt da schon etwas mehr, allerdings nur, wenn man (Alt-)Griechisch versteht: „Homozygot“ besagt nämlich, dass in der befruchteten Eizelle (o, o, es hat schon Geschlechtsverkehr stattgefunden!), in der Zygote (auch ein Wort griechischer Abstammung, mit dem die befruchtete Eizelle bezeichnet wird), die beiden Erbgut-Sätze gleich sind, „homoios“, wie das altgriechische Wort für „gleich“ lautet.
Die Zygote als Ausgangszelle für jeden mehr-zelligen Organismus besitzt also zwei Erbgut-Sätze, einen mütterlichen und einen väterlichen, und beide sind absolut identisch, wenn eine Pflanze „reinerbig“ oder eben „homozygot“ ist.
Puh, jetzt muss ich „Zwei Erbgut-Sätze“ und „identisch“ erklären, oder?
Was bedeutet „Zwei Erbgut-Sätze“?
Nun, die Zellen der meisten Pflanzen, Tiere und Pilze haben einen doppelten Erbgut-Satz. Solche Zellen werden auch „diploide Zellen“ genannt, weil „diploid“ auf Altgriechisch, wie Du im Erklärkasten unten nachlesen kannst, „zweifach“ bedeutet. Es gibt auch Lebewesen, die mehrere Erbgut-Sätze haben, vier, sechs oder gar acht (oder noch mehr); aber ich will Dich nicht verwirren. Die meisten mehrzelligen Lebewesen haben nur zwei Erbgut-Sätze.
Formel für den Erbgutsatz
Ein diploider Erbgutsatz wird mit 2n gekennzeichnet (n steht für die Anzahl der einzelnen Erbgut-Träger eines Erbgutsatzes). Jedes Lebewesen besitzt eine bestimmte Anzahl an Erbgut-Trägern n, Tomaten z. B. besitzen 12 und da sie diploid sind, lautet die Formel 2n = 24 Erbgut-Träger.
Was bedeutet „identisch“ in diesem Fall? Was bedeutet es also, wenn die beiden Erbgutträger-Sätze (die „Erbgutträger“ werden auch „Chromosomen“ genannt) einer reinerbigen oder homozygoten Zelle identisch sind?
Erklärung der Herkunft bestimmter Fachausdrücke
haploid – altgriechisch ἁ- (ha-, “ein, selbe”) und πλόος (plóos = ~fach); ἁπλόος haplóos ‚einfach‘
diploid – altgriechisch δι (di, zwei) und πλόος (plóos = ~fach); διπλόος diplóos ‚zweifach‘
tri-, tetra-, penta-, hexa-, octoploid – „drei-, vier-, fünf-, sechs-, achtfach“
polyploid – altgriechisch πολύς (polús ‚viele, viel‘) – vielfach
Chromosom – altgriechisch χρῶμα chrōma ‚Farbe‘ sowie σῶμα sōma ‚Leib‘
Für die Antwort muss ich leider noch einmal etwas weiter ausholen; also einen kleinen Moment noch:
Ein „Chromosom“ heißt so, weil es ein färbbares Teilchen ist. Die Zellen eines jeden Organismus haben eine spezifische Anzahl solcher Teilchen (Chromosomen). Jedes dieser Teilchen wird von einem zusammengeknäulten Faden bzw. Strang des „Erbcodes“ oder der „Erbinformation“ gebildet, bevor sich eine Zelle teilt.
Die strickleiterförmigen, gewundenen Erbinformationsfäden bestehen aus Desoxy-Ribonuklein-Säure (abgekürzt DNS, englisch DNA) und liegen bei Lebewesen, die einen Zellkern besitzen, in eben jenem. Diese DNS-Fäden enthalten in verschlüsselter Form sämtliche Informationen für alle Bausteine und Funktionen, die ein Lebewesen ausmachen.
Alle Abschnitte der DNS-Stränge, die bestimmte Merkmale/Eigenschaften codieren, werden „Gene“ genannt. Verschiedene Varianten eines Gens heißen „Allele“; so könnte z. B. das Gen, das die Blütenfarbe bestimmt, in den Varianten „Blau“, „Weiß“, „Rot“ oder „Gelb“ vorliegen.
Wenn irgendwo von „genetischer Vielfalt“ gesprochen wird, sind damit immer die verschiedenen Varianten der einzelnen Gene gemeint, also die Vielfalt der Allele eines Gens – und nicht die schier unendliche Vielfalt der Allel-Kombinationen, wie man vielleicht annehmen könnte.
So, jetzt sollten alle Informationen beisammen sein, damit Du „homozygot/reinerbig“ wirklich verstehen kannst: Auf dem mütterlichen und väterlichen Erbinformationsstrang liegt jedes Gen in der gleichen Variante vor; anders ausgedrückt: an jedem „Gen-Ort“ (Du kannst auch lateinisch „Gen-Locus“ lesen) liegen gleiche Allele (wenn z. B. sowohl das väterliche als auch das mütterliche Allel die Blütenfarbe „Weiß“ codiert).
Pflanzen, bei denen auf beiden Erbinformationssträngen an allen Gen-Orten die gleichen Informationen vorliegen, nennt man 100 Prozent „reinerbig“ oder „homozygot“ – oder richtig „samenfest“.
So, jetzt haben wir endlich zwei reinerbige, homozygote, samenfeste Tomatensorten, die wir miteinander kreuzen können.
Sapperlot, es ist gar nicht so leicht, bis zum Geschlechtsverkehr zu kommen; aber jetzt gehts zur Sache…
Eine reinerbige/homozygote/samenfeste Tomatensorte wird verkreuzt
Die Narbe einer Blüte einer reinerbigen, homozygoten, samenfesten Tomatenpflanze wird von einer Hummel (oder auch von Dir oder einem professionellen Pflanzenzüchter) mit dem Pollen der Blüte einer anderen, reinerbigen, homozygoten, samenfesten Tomatensorte bestäubt – natürlich bevor sich die Blüte selbst bestäuben konnte (ja, die Blüten einiger Nutzpflanzen-Arten können das – und tun das in der Regel auch).
Jetzt hat sich also die Hummel eingemischt.
Verdammt! Jetzt ist die Blüte Deiner schönen, reinerbigen, homozygoten, samenfesten Tomatenpflanze „fremd“ befruchtet worden; jetzt hast Du den Salat! Du hast das Schutzhäubchen, das Kondom vergessen! Verdammt, verdammt, verdammt! (so fluchst Du natürlich nur, wenn Du Deine Tomaten eigentlich „rein(erbig)“ weitervermehren wolltest)
Was ist jetzt passiert? Und warum ist das so schlimm?
Das fragst Du?
Wenn in der Zygote, der befruchteten Eizelle, zwei Erbinformationsstränge mit (teilweise) verschiedenen Informationen vorliegen, kann man diese Zygote nicht mehr „homozygot“ oder „reinerbig“ nennen; sie muss dann „heterozygot“ oder „gemischterbig“ genannt werden – und was das Schlimmste ist: Sie ist nun eine Hybride, eine F1-Hybride! Alle Samen, die sich aus dieser Befruchtung entwickeln, bringen F1-Hybrid-Pflanzen hervor! Und wie Du weißt, sind deren Samen nicht samenfest!
O wei, o wei! Du hast es verkackt!
Ach, Quatsch, denkst Du, ich habe jetzt super F1-Hybride, die mir alle total gleiche Früchte bringen und obendrein noch wüchsiger, widerstandfähiger und ertragreicher sind wegen dem Heterozygosis-Effekt, ich meine, wegen des Heterosis-Effekts! Also säe ich die im nächsten Jahr einmal aus, weil F1-Hybrid-Samen sind doch Einmal-Samen, wie jede:r weiß!
„Ja, kannst machen! Derfst halt von den F1-Pflanzen nur keine Samen nehma, weil die sich aufspalten, weißt eh, oder?“
„Aufspalten“, was heißt denn das schon wieder? Das hört sich richtig schlimm an, nach Spaltpilz, Zerfall, nach Seperatismus…
Was bedeutet „Aufspaltung“ und welchen Nutzen hat sie?
Wenn Tomatenpflanzen und -früchte gleich aussehen
Warte mal eben! Im letzten Jahr hatte ich, wie im letzten Verkostungsbericht gemeldet, unter meinen „Berner Rosen“, deren Samen ich 2020 eigenen Früchten entnommen hatte, zwei untypische Pflanzen gefunden, die ich im Anzuchttöpfchen an ihren „normalen“ Blättern hatte erkennen können (die Pflanzen der „Berner Rose“ sind kartoffel-blättrig). Die Früchte dieser beiden Pflanzen sahen dann auch ganz anders aus als die Früchte der „Berner Rose“.
Untereinander ließen die Früchte dieser beiden Pflanzen aber keinen Unterschied erkennen.
Ich wusste also nicht, ob es sich in diesem Fall um reinerbige, samenfeste Pflanzen handelte, deren Samen ich unabsichtlich unter die Samen der „Berner Rose“ gemischt hatte, oder ob vor zwei Jahren eine Hummel ihren Rüssel in die „Berner Rose“-Blüte gesteckt hatte, die meine „Berner Rose“-Samen produzierte, sie also mit dem Pollen einer anderen Tomatensorte befruchtet, sie fremdbefruchtet hatte, wie man so sagt.
Ich wusste also nicht, ob meine tollen Pflanzen mit den tollen Früchten nun reinerbig und samenfest oder gemischterbige und „aufspaltende“ F1-Hybride waren…
So, jetzt komme ich endlich zur „Aufspaltung“.
„Aufspaltung“ oder Die Erbinformationen werden neu gemischt
Du weißt: Die Kinder einer samenfesten Pflanze (ja, sie sollte reinerbig oder homozygot sein!) sehen genauso aus wie ihre Eltern (wenn Du das nicht weißt, kannst Du in meinen Beitrag „Was heißt ’samenfest'“ mehr darüber erfahren).
Du weißt sicher auch: Die Kinder von F1-Hybriden, die F2-Hybriden, sehen ganz und garnicht mehr so aus wie ihre Eltern (kannst Du überall im Internet lesen); das liegt daran, dass sich die väterlichen und mütterlichen Erbinformationen vermischen, bei der so genannten „Reifeteilung“, wenn sich die Geschlechtszellen bilden.
„Meine Fresse! ‚Aufspaltung‘, ‚Reifeteilung‘, ich versteh schon wieder nur ‚Bahnhof‘!“ höre ich Dich grummeln.
Ok, mal wieder gaaanz langsam, eins nach dem anderen.
Was passiert bei der Reifeteilung, die auch als „Meiose“ bezeichnet wird?
Jetzt musst Du Dich konzentrieren; denn jetzt kommt das, was bei der geschlechtlichen Fortpflanzung entscheidend ist!
Ich betrachte hier nur das Beispiel einer Pflanze mit diploiden Zellen, in denen also ein doppelter Chromosomen-Satz vorhanden ist (aber auch bei mehreren Chromosomensätzen funktioniert das genauso).
Die Reifeteilung oder Meiose ist ein Teil der geschlechtlichen Fortpflanzung; bei Lebewesen, die sich ungeschlechtlich/vegetativ vermehren, fehlt dieser Vorgang bei der Fortpflanzung.
Bei der Reifeteilung wird der Bauplan eines Organismus, der ja normalerweise doppelt vorliegt, wie Du oben schon erfahren hast, auf zwei Zellen, die „Geschlechtszellen“, aufgeteilt. Diese Zellen werden zumeist „Eizelle“ (weiblich) und „Samenzelle/Pollen“ (männlich) genannt. In den Geschlechtszellen liegt der Bauplan dann nur einmal vor; sie sind haploid (siehe Kasten zur Wortherkunft); Geschlechtszellen besitzen nur einen einfachen Chromosomensatz, damit bei ihrer Vereinigung wieder ein doppelter Satz entstehen kann.
Vor der Reifeteilung, also bevor sich die Geschlechtszellen bilden, legen sich die beiden Bauplan-Sätze (Erbinformationsfäden, Chromosomen) von Mutter und Vater ganz dicht nebeneinander und tauschen unterschiedlich große Bruchstücke ihrer Erbinformationen miteinander aus; dieser Vorgang wird „Crossing-over“ genannt. Dadurch wird der mütterliche Bauplan mit dem väterlichen gemischt.
Anschließend werden die beiden Chromosomen-Sätze auf zwei Zellen aufgeteilt, die damit zu zwei Geschlechtszellen mit einfachem Chromosomen-Satz werden.
Aber Achtung! Bei dieser Aufteilung kommen nun nicht die ursprünglich väterlichen und die ursprünglich mütterlichen Chromosomen jeweils wieder in eine Zelle, sondern die beiden Chromosomen-Sätze werden völlig willkürlich auf die beiden Zellen verteilt. Jede Geschlechtszelle bekommt zwar einen vollständigen Satz der Erbinformationen, aber dieser besteht aus einem bunten Kuddelmuddel mütterlicher und väterlicher Chromosomen, die sich beim „Crossing-over“ zuvor schon gründlich vermischt hatten.
Du siehst, die Reifeteilung dient der maximalen Vermischung des „mütterlichen“ und „väterlichen“ Bauplans.
Diesen Vorgang nennen diejenigen dann „Aufspaltung“, denen eine solche Vermischung nicht gefällt. Aber allein wegen dieser „Aufspaltung“ ist die geschlechtliche Fortpflanzung im Laufe der Evolution entstanden. Sie dient vor allem der Bildung neuer genetischer Varianten, die durch „Kopierfehler“ (Mutationen) noch erheblich vermehrt werden.
„Aufspaltung“ führt also zu „Vielfalt“, zu der Individuen-Vielfalt, die für das Überleben des Lebens zwingend notwendig ist.
Sinnloses Mischen bei reinerbigen/homozygoten Pflanzen
Wenn Du bis hierher alles gelesen und verstanden hast (nein, nein, mach Dir keine Vorwürfe, falls Du es nicht verstanden hast; dann habe ich schlecht erklärt!), wird Dir wahrscheinlich aufgefallen sein, dass eine solche Vermischung nur Sinn macht, wenn der mütterliche und der väterliche Bauplan unterschiedlich sind.
Wenn beide Baupläne gleich sind, verändern sowohl das „Crossing-over“ als auch die Reifeteilung nichts. Obwohl auch bei reinerbigen/homozygoten Pflanzen beide Prozesse stattfinden, laufen sie sozusagen leer oder ins Leere; sie sind sinnlos geworden. Deshalb gleichen die Nachkommen homozygoter/reinerbiger/samenfester Pflanzen ihren Eltern – trotz der kräftigen Vermischung des mütterlichen und des väterlichen Chromosomen-Satzes…
Aber jetzt weißt Du wenigstens, wozu man die Nachkommen nutzen kann…
Samenfeste Pflanzen und F1-Hybrid-Pflanzen anhand einer „Aufspaltung“ unterscheiden
Ja, Du kannst die „Aufspaltung“ als Unterscheidungsmerkmal zwischen verkreuzten und unverkreuzten (samenfesten) Tomatenpflanzen nutzen!
Wenn sich die Nachkommen „aufspalten“, wenn Du also mehrere, sichtbar verschiedene Nachkommen, mit einem Wort „Mischlinge“ erhältst, hattest Du Samen von einer heterozygoten/gemischterbigen Hybride genommen. Wenn Du lauter gleich aussehende Nachkommen bekommst, hattest Du eine homozygote/reinerbige/samenfeste Tomatenpflanze vor Dir, als Du im Jahr zuvor Samen genommen hast.
Ich hatte im letzten Jahr zwei Pflanzen mit schönen, roten, gleichmäßigen, leicht abgeflachten Tomaten zwischen meinen „Berner Rosen“ gefunden, von denen ich, wie oben erzählt, nun nicht wusste, ob sie samenfest oder F1-Hybride waren. Diese spannende Frage konnte nur die nächste Generation aufklären, die diesjährige…
Ich war also gespannt wie ein Flitzebogen, wie die Nachkommen meiner beiden „entarteten“ Pflanzen der Sorte „Berner Rose“ wohl aussehen würden: alle gleich oder alle verschieden.
Um eine mögliche Aufspaltung sicher erkennen zu können, hatte ich zwölf Pflanzen vorgezogen.
Schon an den Blättern dieser Zöglinge konnte ich erkennen, dass eine Aufspaltung stattgefunden haben musste, dass ich es mit F2-Hybriden zu tun hatte; denn zwei Pflanzen zeigten schon im Anzuchttöpfchen sehr fein geschlitzte Blätter (auch die Blätter der anderen Pflanzen sahen nicht einheitlich aus).
Schon an diesem Merkmal konnte ich ihren Vater erkennen: Es konnte sich nur um die buschartig wachsende, ertragreiche Tomate „Carrotlike“ (die „Möhren-Artige“) handeln, die möhren-artig fein geschlitzte Blätter hat. Die „Carrotlike“ war 2020 in größerer Zahl direkt am Rand meines Folientunnels gewachsen, in dem auch zwei „Berner Rosen“ Früchte trugen, denen ich das letztjährige Saatgut entnommen hatte.
Nach den Widrigkeiten des Frühjahrs (Hagelschlag, Schneckenfraß) blieben mir am Ende acht Pflanzen, die mir zeigen konnten, welche Folgen die Vermischung und Aufteilung der väterlichen („Carrotlike“) und mütterlichen („Berner Rose“) Erbinformationen hatte: Die Pflanzen 1 bis 8 und ihre Früchte zeigten acht Möglichkeiten.
Das, was gewerbliche Landwirte beklagen (müssen), die „Aufspaltung“ ihrer teuren F1-Hybriden in der folgenden Generation, ist für alle, die die Vielfalt unserer Nutzpflanzen wiederherstellen wollen, ein dreifaches Hipp-Hipp-Hurra wert.
Wer mit samenfesten Zuchtsorten die Nutzpflanzen-Vielfalt fördern will, der will den Teufel mit dem Beelzebub austreiben; denn homozygote, samenfeste Zuchtsorten, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gezüchtet wurden und werden, durch Inzucht nämlich, haben die Vielfalt der heterozygoten Landsorten-Pflanzen einst verdrängt – und nicht die „bösen“ F1-Hybriden; diese sind nur die logische Fortsetzung der wissenschaftlichen Züchtung.
Wer nicht an Verschwörungstheorien glauben, sondern wirklich wissen will, warum F1-Hybride sinnvoll sind und zum Nutzen der Menschheit eingesetzt werden, der kann das im Beitrag „Vom Heterozygosis- zum Heterosis-Effekt“ erfahren; aber jetzt willst Du vielleicht erst mal erfahren, wie die vielfältigen Hybrid-Tomaten geschmeckt haben…
Die Ergebnisse der Tomatenverkostung 2024
Im Dokument „Auswertung Tomatenverkostung 2024“ findest Du die Bewertungen der Früchte aller 42 Tomatenpflanzen, die am letzten Samstag im August in kleiner Runde verkostet wurden. Ein paar Menschen durften in diesem Jahr ihr Urteil auch ausnahmsweise mal außerhalb meines Gartens abgeben; deshalb sind im genannten Dokument oft mehr als acht Bewertungen angegeben.
In der folgenden Liste findest Du Informationen zu allen Tomaten, die teilgenommen haben, in der Reihenfolge ihrer Benotung, die von 1 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) reichen kann. Die Bestnote lag in diesem Jahr bei 8,6.
Unten gibt es eine Bildergalerie der (meisten) Tomaten, ebenfalls nach ihrer Benotung sortiert.
Die F2-Hybriden, um die es in diesem Beitrag hauptsächlich geht, sind die Pflanzen Nr. 1 bis Nr. 8.
Legende: Platzierung, Nummer in der Bewertungsliste, Kurzbeschreibung oder Sortenname der Tomate, (Generation F2 bis Fx), [Note, (Anzahl Bewertungen)]
- (20) Normal große Rote (Fx) [8,6 (10)] Nachfahre einer Kreuzung von „Stupice“ mit einer unbekannten; ich verfolge den Stammbaum nicht mehr, sondern baue einfach „Landsorten-Tomaten“ an. Nach einigen Generationen wird eine solche Kreuzung bei „Selbstbefruchtern“ wieder homozygot/reinerbig. Dann gebe ich ihr einen „Sorten“-Namen…
- (12) Gelb-grüne Phönix (Fx) [8,1 (10)] Ich bin erstaunt, dass auch in diesem Jahr die Nachkommen einer kleinen, gelb-grünen Cocktail-Tomate, die ich in einem Supermarkt gekauft habe, wieder auf den vorderen Plätzen landen…
- (16) Grüne Phönix (Fx) [7,9 (14)] Wer regelmäßig und gründlich meinen Blog liest, weiß, die wievielte Generation diese Tomate ist; ich weiß es nicht…
(24) Rosa Balkon [7,9 (8)] Wegen der Anlaufschwierigkeiten (Hagel und Schnecken) weiß ich leider nicht in jedem Fall, welche Tomate ich vor mir habe (ich musste einige Tomaten nachpflanzen und habe dazu übrig gebliebene Pflanzen verwendet, ohne genau Buch zu führen, welche ich wo ersetzt habe. Vom Aussehen und von der Bewertung her vermute ich, dass sie Nachkomme einer Pflanze ist, die zufällig in einem Topf auf meinem Balkon gekeimt ist… - (29) Rosa Fleisch (Fx) [7,6 (7)] Die „Rosa Fleisch“ entstammen einer Kreuzung, die vor ein paar Jahren zufällig in meinem kleinen Gewächshaus aufgetaucht ist; sie müssen etwas mit den „Brandywine“ genannten zu tun haben…
- (9) Gelb-grüne Phönix (Fx) [7,1 (8)] Zu dieser Tomate habe ich alles wichtige schon gesagt (s. Platz 2 und 3)
- (35) Gelbe Phönix (Fx) [6,9 (10)] Früchte einer Pflanze, die eigenmächtig gekeimt war und die ich eigenmächtig habe wachsen lassen – zu meiner Zufriedenheit… (wahrscheinlich auch eine Phönix der x-ten Generation)
- (17) Gelb-grüne Phönix (Fx) [6,8 (8)] Ja, die Gelb-grünen haben was! Wahrscheinlich das Geschmacksgen einer Wildtomate…
- (10) Gelb-grüne Phönix (Fx) [6,7 (7)] Warum mich in diesem banalen Fall wiederholen?
- (1) Normal große Rote (F2) [6,3 (3)] Von der geschlitzt-blättrigen gabs zur Verkostung nur noch eine Frucht; aber sie zeigte besonders gut die Auswirkungen der Verkreuzung von zwei „reinen“ Tomaten-Sorten
- (26) Normal große Braune (Fx) [6,2 (14)] Braune schneiden normalerweise besser ab…
- (30) Rosa Fleisch (Fx) [6,1 (10)] Wenigstens eine der rosa Fleisch-Mischlinge zeigte Geschmack (ich hatte mir mehr erwartet)
(28) Rosa Fleisch (Fx) [6,1 (7)] Aufgrund der Schneckenplage musste ich einige Male nachpflanzen, wobei ich den Überblick verloren habe… - (25) Rosa Fleisch (Fx) [6,0 (16)] vor zwei Jahren zufällig im Pflanzkübel einer Gurke auf dem Balkon gekeimt…
(19) Normal große Braune (Fx) [6,0 (12)]
(6) Normal große Rote (F2) [6,0 (7)] - (3) Normal große Rote (F2) [5,9 (10)]
- (23) Persimmon [5,8 (9)]
(34) Rosa Fleisch (Fx) [5,8 (8)]
(15) Normal große Braune (Fx) [5,8 (8)]
(21) Normal große Rote (Fx) [6,0 (6)] - (31) Rosa Fleisch (Fx) [5,5 (11)]
(5) Normal große Rote (F2) [5,5 (11)]
(7) Normal große Rote (F2) [5,5 (9)] - (27) Normal große Rote (F2) [5,4 (11)]
(4) Normal große Rote (F2) [5,4 (7)] - (22) Normal große Rote (Fx) [5,3 (12)]
- (14) Normal große Braune (Fx) [5,2 (17)]
- (18) Rosa Fleisch (Fx) [5,1 (8)]
(8) Normal große Rote (F2) [5,1 (7)] - (11) Rot-Braune Fleisch (Fx) [5,0 (7)]
(42) German Gold (mitgebracht) [5,0 (6)] - (33) Rosa Fleisch (Fx) [4,7 (7)]
- (32) Persimmon [4,2 (11)]
- (37) Polnische Rosa (F2) [3,7 (11)]
- (41) Rosa Fleisch (mitgebracht) [3,6 (7)]
- (36) Weißrussische [3,4 (13)]
(2) Normal große Rote (F2) [3,4 (12)] - (13) Normal große Braune (Fx) [3,0 (7)]
- (39) Polnische Rosa (F2) [2,9 (9)]
- (40) Polnische Rosa (F2) [2,5 (10)]
- (38) Polnische Rosa (F2) [2,1 (7)]
Bildergalerie aller Tomaten, die 2024 verkostet wurden
Ich danke Euch, liebe Teilnehmer:innen, für Euren Einsatz! Ich wünsche Euch und allen, die bis hierher gelesen haben, ein hervorragendes Jahr 2025! (Uff, geschafft!)