Gemüse ohne Mühe
oder: Vom Nutzgärtchen, das nicht mehr Arbeit macht als Rasenmähen.
Wenn ich durch Siedlungen spaziere, die aus Einfamilienhäusern bestehen, sehe ich oft Grundstücke, die vor allem mit Rasenflächen und ein paar Sträuchern bedeckt sind.
Manchmal stelle ich mir vor, dass in diesen Häusern Menschen wohnen, die in ihrem tiefsten Innern den Wunsch hegen, in ihrem Garten etwas Essbares wachsen zu lassen, das sie ernten und in ihren Küchen zubereiten könnten.
Ich bilde mir dann ein, dass sie ihre Bodenflächen nur deshalb mit Rasen beziehen, weil sie glauben, dass ein Nutzgarten viel zu viel Arbeit macht, viel zu viel Zeit kostet, und Gemüse anzubauen, sowieso viel zu kompliziert ist und zu viel Wissen erfordert.
Wenn Du zu diesen Menschen gehörst und nun durch Zufall auf diesen Text gestoßen bist, dann will ich Dir sagen, dass Du bisher falsch gedacht hast, dass Dein geheimer Wunsch in Erfüllung gehen kann.
Es gibt nämlich eine Möglichkeit, wie Du erfolgreich gärtnern und ernten kannst ohne das geringste Mehr an Arbeit, die das Rasenmähen macht, allein mit der im obigen Bild gezeigten, kleinen Handschaufel ausgerüstet.
Das glaubst Du nicht?
Nun, dann musst Du weiterlesen! (Alle anderen müssen das nicht unbedingt tun.) Wer mir am Ende immer noch nicht glaubt, der darf mir bitterböse Kommentare schreiben.
Vom Nutzgarten, seiner Größe und dem, was er abwirft
Die meisten Menschen denken ja, wenn sie sich einen Nutzgarten vorstellen, an diese schönen, großen (Bauern)Gärten mit zig Beeten und allem Obst und Gemüse, das es so gibt. Manche mögen dabei auch eine kleinere Schrebergarten-Version mit intensiver Gemüsekultur vor Augen haben; aber immer sehen sie dabei Menschen mit großer Leidenschaft fürs Gärtnern und mit viel Zeit.
Die meisten Bücher für Garten-Anfänger handhaben das nicht anders: Immer stellen sie einen Garten mit allem Drum und Dran vor (ansonsten ließe sich ja auch kein ganzes Buch füllen) und meistens wollen sie die selbstverständlich unabdingbare, intensive Lust am Gärtnern entfachen.
Wer sagt aber nun, wie viele Quadratmeter ein Nutzgarten umfassen muss, damit man ihn einen Nutzgarten nennen darf? (Dass er keines großen Zeitaufwands und keiner besonderen Aufmerksamkeit bedürfen soll, davon sind wir ja ausgegangen.)
Ich sage Dir: Du brauchst nur ein einziges Beet, zwei mal drei Meter groß!
Ja, wirklich, zwei mal drei Meter! Sechs sonnige Quadratmeter reichen vollkommen aus!
„Wie“, wirst Du fragen, „auf diesem winzigen Beet soll ich das ganze Obst und Gemüse anbauen?“
Ja, schon wieder bist Du in bestimmten Vorstellungen befangen: Wer sagt denn, dass man im Nutzgarten alles nur Mögliche anbauen muss?
Ich gehe davon aus, dass Du nur überhaupt etwas ernten willst. Für den Anfang zumindest.
Für den Anfang und vor allem für den Anfänger gibt es vier Nutzpflanzen, die sich äußerst leicht anbauen lassen und auf dem besagten Mini-Beet dennoch genug Ertrag bringen, dass man daran seine Freude haben kann – man muss die „Früchte“ dieser Nutzpflanzen natürlich mögen.
Die vier „Anfängerpflanzen“ sind: Kartoffeln, Busch- oder Grüne Bohnen, Zuckermais und Zukkini.
Diese vier Arten dürfen nun nicht nebeneinander, sondern müssen nacheinander angebaut werden.
Nun gut, wer nur eine oder zwei dieser Pflanzenarten essen mag, muss jetzt nicht mit dem Lesen aufhören. Man kann auch ein paar Jahre hintereinander immer dieselbe Pflanzenart anbauen; dabei besteht zwar die Gefahr, dass Krankheiten und Mitesser („Schädlinge“) mit der Zeit einen größeren Tribut fordern…
…aber wir sind ja noch bei der Theorie; da ist das egal.
Jetzt müssen wir aber zur Tat schreiten, jetzt wird es ernst.
Wie lege ich ohne Spaten einen Nutzgarten an
Klar, nach gutem, altem Brauch müsste das Beet mit einem Spaten fein säuberlich aus dem Rasen ausgestochen und umgegraben werden; aber wir haben ja nur diese kleine Handschaufel und vor allen Dingen: Wir haben keine Zeit für solche fiesen Matenten (Fisimatenten).
Es geht auch viel einfacher.
Und zwar so: Nachdem Du im Frühjahr den Rasen das erste Mal gemäht hast (Du kannst aber auch schon im Spätsommer des Vorjahres anfangen), streust Du den Rasenschnitt in einer handdicken Schicht auf das projektierte Beet. Fertig. Wenn Du die Fläche vorher noch einmalig mit Zeitungen oder Pappe belegst, kommst Du schneller zum Ziel.
Übrig bleibenden Rasenschnitt entsorgst Du wie gehabt.
So verfährst Du dann noch zwei- bis dreimal. Dann sollte auf dem Beet kein Gras mehr wachsen, zumindest sollte kein Hälmchen mehr zu sehen sein, das es geschafft hat, durch die Schichten Deines Rasenschnitts hindurchzuwachsen. Ansonsten: Weitermachen, bis kein Gras mehr wächst.
Wenn Du Glück hast, sollte das bis Mitte/Ende Mai geschafft sein (vor allem, wenn Du schon im Jahr zuvor angefangen hast), wenn Du weniger Glück hast, bis Mitte/Ende Juni.
Bis dahin sollten sich die Regenwürmer im Beet auch schon ganz ordentlich vermehrt und ein paar Lockerungsübungen veranstaltet haben (vielleicht hat sie dabei auch schon ein Maulwurf unterstützt – vor allem auf ihre Kosten, leider, leider).
Diese Art der Beetbereitung habe ich nicht erfunden. Im Internet kann man darüber mehr erfahren, wenn man bei DER Suchmaschine „Gärtnern ohne umzugraben“ oder „No-dig gardening“ eingibt.
Was im ersten Jahr im neuen Nutzgarten angebaut wird
Nun ist der Zeitpunkt gekommen, die Handschaufel zum Einsatz zu bringen und mit ihrer Hilfe die Kartoffeln in Reih‘ und Glied zu vergraben.
Hoppla, hatte ich vergessen zu erwähnen, dass Du im Laufe des Frühjahrs ein paar Speisekartoffeln nicht hättest essen dürfen und sie auf der Fensterbank hättest keimen lassen sollen? Oder besser noch, da die Speisekartoffeln heutzutage fast immer mit keimhemmenden Mitteln behandelt sind und nicht mehr keimen, dass Du Dir im Baumarkt (oder beim Online-Handel) ein kleines Säckchen mit Pflanzkartoffeln hättest besorgen sollen?
OK, Verzeihung! Das muss natürlich sein. Kartoffeln sind die „Urbar-Macher“ des Beets. Mit ihnen fängt Dein Garten an, ein kleines Stückchen Nutzgarten zu werden.
Gut, jetzt stehst Du vor Deinem Beet, hast die Kartoffeln bei der Hand und in der anderen das Schäufelchen, ja?
Dann mache jetzt mit der Schaufel ungefähr 30 Zentimeter vom Rand des „Rasenschnitt-Rechtecks“ entfernt (ob an der langen oder kurzen Seite ist Deinem Geschmack überlassen) alle 30 Zentimeter ein kartoffel-großes Loch in die Bodenbedeckung, die ab jetzt auch Mulch genannt wird. Wie tief Du in die Erde eindringst, ist wiederum Deinem Ehrgeiz überlassen; es sollte aber wenigstens so tief sein, wie die Kartoffel dick ist.
Lege nun die Kartoffel in das Loch und bedecke sie mit Erde, klopfe diese ein wenig fest – Vorsicht, nicht die Keime abbrechen, die vielleicht schon an der Kartoffel sind! – schiebe den Rasenschnitt wieder über die Stelle und fertig.
Also, alle 30 Zentimeter eine Kartoffel in die Erde versenken, bis der gegenüberliegende Rand des Beetes erreicht ist; dann in 60 Zentimeter Abstand die nächste Reihe. Wieder alle 30 Zentimeter eine Kartoffel und so weiter, bis das Beet vollständig bestückt ist.
Das war’s dann schon für’s erste Jahr. Jetzt heißt es nur noch beim Wachsen zusehen und sich auf die Ernte freuen.
Vielleicht noch das eine oder andere Mal ein wenig Rasenschnitt zwischen die Kartoffelpflanzen streuen oder ein zu groß geratenes Unkraut ausrupfen, das sich nicht vom Rasenschnitt hat unterdrücken lassen; aber mehr gibt es nicht zu tun.
Wirklich nicht. Gießen ist Luxus. Schadet nicht, ist aber absolut nicht notwendig.
Wichtig ist nur: Der Boden muss immer gut mit Rasenschnitt bedeckt sein; aber Rasenschnitt sollte ja keine Mangelware bei Dir sein – oder hast Du etwa gleich den halben Garten in ein Beet verwandelt?
Jetzt sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie Du jeden Tag zum Beet gehst, um nach den Kartoffeln zu sehen, zuerst um zu sehen, ob sie wachsen, und dann, wie sie wachsen.
Ja, sie wachsen, da gibt es gar keine Frage (auch wenn Du nicht hingehst)! Sie werden ordentlich groß und dicht und bedecken bald das ganze Beet. Vielleicht wollen sie sogar über den Rand hinauswachsen (aber davor bewahre Dich der Rasenmäher!)
Sollten sich irgendwann gelb-schwarz gestreifte Käfer einfinden und etwas später die Kartoffelblätter von roten Tierchen mit schwarzen Punkten angefressen werden, mach‘ Dir keine allzu großen Sorgen: Das sind Kartoffelkäfer und ihre Larven. Sie schmälern zwar Deine Ernte ein wenig, aber das ist der Preis, den Du für sie bezahlen musst. (Wenn Du unbedingt kämpfen möchtest, kannst Du sie auch zwischen den Fingern zerquetschen.)
Auch andere kleine oder größere tierische Mitbewohner dieses Planeten können lästig werden; aber so lange die weltweite Agrar-Industrie noch genügend Nahrungssmittel für unsere Versorgung produziert, können wir recht gelassen damit umgehen.
Wenn nun gegen Mitte/Ende des Sommers oder irgendwann wenigstens das Kartoffelkraut abgestorben und/oder trocken geworden ist, sind die Kartoffeln reif und können drei Wochen später aus der Erde geholt werden (wenn die auch einigermaßen trocken ist).
Dafür reicht wieder das Handschäufelchen. Der Boden sollte locker genug sein, um locker alle Knollen ausgraben zu können. Es darf aber auch ordentlich gewühlt werden. Bis das letzte Knöllchen gefunden wurde. Dabei dürfen Kinder gerne mitmachen (bei allen anderen Tätigkeiten natürlich auch).
Wer nicht so lange warten will, kann ein paar Kartoffeln auch schon früher aus dem Boden holen – als „Frühkartoffeln“.
Wenn Du die Kartoffeln komplett geerntet hast, bedecke die Erde wieder vollständig und gleichmäßig mit Rasenschnitt; auch das Kartoffelkraut darf auf dem Beet verbleiben. Du kannst sogar ein paar Küchenabfälle – Kaffee- und Teesatz sind besonders gut – als Düngemittel dazu streuen, wenn Du nicht auf allzu große Ordentlichkeit achten musst.
Alles sollte unter Rasenschnitt liegen; das sieht dann einigermaßen annehmbar aus, hält den Boden feucht und frisch, bietet den Regenwürmern und den anderen Bodenlebewesen über den Winter reichlich Futter und bereitet das Beet für den Anbau im folgenden Jahr optimal vor.
Was in den folgenden Jahren im Nutzgärtchen ausgesät wird
Im zweiten Jahr stehen Zuckermais, Zukkini oder Buschbohnen zur Auswahl; eine dieser Gemüsearten darfst Du Dir aussuchen. Du musst nur im Winter das entsprechende Saatgut kaufen oder (gegen eine Spende) eintauschen.
Wer sich für Zuckermais entscheidet, kann noch ein paar Stangebohnen dazukaufen (aber psst, das ist ein Geheimtipp).
Anfang bis Mitte Mai wird ausgesät: Zuckermais und Buschbohnen in Reihen, 40 Zentimeter Abstand von Reihe zu Reihe. In der Reihe werden Zuckermaiskörner im Abstand von 30 Zentimetern gelegt, Bohnen im Abstand von 15 bis 20 Zentimetern. Die Körner einfach in die Erde drücken oder vorher mit dem Handschäufelchen ein kleines Loch machen. Die Stangenbohnenkerne werden später zwischen den Zuckermaispflanzen verteilt, wenn diese aus der Erde kommen.
Meine Maßangaben musst Du nicht unbedingt mit dem Zollstock abmessen; Augenmaß reicht.
Wer auf Nummer Sicher gehen will, legt an jede Stelle drei Samen in die Erde – doppelt so tief wie die Samen dick sind, lautet die allgemeine Regel – und zupft später vorsichtig alle Pflänzchen bis auf das stärkste aus.
Bei Zukkini kann man ebenso verfahren: Drei Samen an eine Stelle legen und nach dem Erscheinen der Pflanzen die überzähligen, schwächeren Keimlinge auszupfen. Insgesamt reichen aber drei Zukkini-Pflanzen auf dem gesamten Beet, am besten in die Mitte gesät mit einem halben Meter Abstand von Samen zu Samen.
Das war die Aussaat.
OK, ich gebe zu, die hat jetzt ein ganz klein wenig länger gedauert, als wenn Du das Beet nur mit dem Rasenmäher abgefahren wärest; aber … gleicht die Vorfreude auf die eigene Ernte dies bisschen Mehrarbeit nicht mehr als aus?
Die Unkraut(Beikraut/Wildkraut)-Behandlung, Bodenlockerung und Bewässerung findet den ganzen Sommer über genauso arbeitssparend wie im Jahr zuvor bei den Kartoffeln statt: Mulchen mit dem Rasenschnitt ersetzt all diese Tätigkeiten; also immer den Boden im Beet gut mit Schnittgut bedeckt halten.
Der Rasenschnitt darf aber nicht zu dick aufgetragen werden. Wenn er unten schimmelt oder schmierig-matschig wird, liegt er zu dick. Dann sollte nichts mehr aufgelegt werden, bis wieder „Beikräuter“ zu sehen sind. Diese sollten dann jedoch wieder Rasenschnitt auf’s Haupt kriegen.
Schlussworte, Kartoffelblüten als Ersatz und noch ein Tipp
So, was glaubst Du nun? Hab‘ ich recht? Macht das (viel) mehr Arbeit als Rasenmähen? Oder wo siehst Du Probleme?
Lass‘ es mich wissen! Auch, wenn Du erste Testergebnisse aus der Praxis vorliegen hast!
Vergiss‘ den ganzen Schnickschnack mit Hochbeeten, Permakultur und was sich findige Gärtner*innen sonst noch so an teuren, aufwändigen, absolut „wichtigen“ Neuerungen ausgedacht haben – alles schön und gut, aber wirklich nicht notwendig, um ein bisschen Gemüse anzubauen. Finde ich.
Wenn Du bis hierher noch nicht von „meiner“ Methode überzeugt bist, dann versuche ich, Dir Kartoffelpflanzen wenigstens als Zierpflanzen näher zu bringen. (Du kannst die Knollen dann ernten und essen oder sie wie Tulpenzwiebeln oder Dahlienknollen behandeln.)
Noch ein Tipp zum Schluss: Wer nicht nur eine selbst angebaute „Frucht“ im Jahr essen will, frage doch mal ein paar Nachbarn, ob sie bei dieser kleinen „Selbstversorgungs-Challenge“ nicht mitmachen wollen. Nach den Kartoffeln kann jeder etwas anderes säen und man kann die Ernte miteinander tauschen – Zuckermais gegen Zukkini oder Buschbohnen und umgekehrt. Meistens ist sowieso immer viel mehr auf einmal reif, als eine Kleinfamilie gerade essen kann.
Wenn das Beet erst einmal angelegt ist, kann man säen, was man will, auch zwei Mal hintereinander dasselbe ist möglich (ja, das habe ich schon gesagt); am besten aber immer schön der Reihe nach – und dann wieder von vorn.
Wer auf den Geschmack des mühelosen Gemüseanbaus gekommen ist, der kann auf diese Art nach und nach immer mehr Rasen in Nutzgartenfläche verwandeln – und dann noch viel mehr anbauen (dann muss man sich allerdings irgendwann Rasenschnitt von den Nachbarn besorgen) – oder auch auf dem kleinen Beet noch andere Kulturen, wie Möhren, Zwiebeln, Mangold, Rote Bete, Kohlrabi, ziehen oder was auch immer für die Versorgung des eigenen Selbst gewünscht wird.
Die Kulturanleitungen musst Du Dir allerdings anderweitig suchen. Tipps zum praktischen Anbau sind bei mir rar; denn ich denke: Wissen, dass man Samen in die Erde bringen und die gewünschten Gewächse gegen die Konkurrenz unterstützen muss, reicht an gärtnerischem Grundwissen für heutige Teil-Selbstversorger*innen vollkommen aus. Spezielle und vertiefte Kenntnisse sowie Feinheiten des Gemüseanbaus erwirbt man eh nur durch die Praxis.
So, das war jetzt die lange Anleitung für die kurze Anlage eines winzigen Beetes. Jetzt musst Du nur noch einmal kurz und kräftig in die Hände spucken und – verdammt! auf den ersten Rasenschnitt warten; aber bis dahin kannst Du schon mal überlegen, an welcher Stelle Du das Beet anlegen willst…
Toller Ansatz, der funktioniert. Was sich ganz leicht anbauen lässt und irre viel abwirft sind Zucchini, Bohnen, Mangold. Und Salat ist am Anfang auch toll, weil der unkompliziert ist, was Fröste im Frühjahr angeht. Überall eine schöne Mulchschicht rum und man hat weniger Arbeit und braucht weniger Wasser.