Goldener Oktober
oder: Ein Tag im Paradies.
Eigentlich wollte ich ja erst am 31. Oktober noch einmal, zum letzten Mal, in den Garten fahren, um dort unser Auto abzustellen. Als aber die Wettervorhersage am Freitag, den 17. Oktober ein außergewöhnlich schönes Wochenendwetter ankündigte, fasste ich spontan den Entschluss, beides im Garten zu genießen.
Ulrike war (leider) schon verabredet, die beiden Jungs im Zockfieber mit Maliks illustrer Geburtstagsrunde, so dass mich niemand ins Paradies begleiten wollte.
So machte ich mich denn am nächsten Morgen in aller Hergottsfrühe aus dem Staub (es war Nebel, wie ich außerhalb der Stadt feststellen musste), überließ meiner Frau die Jungenbande und beide ihrem Schicksal, holte mir meine leckeren Brötchen und fuhr durch die „Suppenküche“ (wie ich längere Zeit während der Fahrt dachte) – es war natürlich eine Waschküche, durch die ich fahren musste. Auf der Anhöhe kurz hinter Angermünde lichtete sich der Nebel schon einmal soweit, dass ich einen Vorgeschmack auf die Sonne bekam und die wunderschönen Bodenwellen der Uckermark im Morgenlicht bewundern konnte.
Mein Garten im Odertal lag aber noch in dichtem Nebel, als ich gegen 9 Uhr dort ankam, und auch ein Stündchen später hatte es die Sonne noch nicht hindurch geschafft, so dass ich mein Frühstück zwar draußen aber mit Jacke einnehmen musste.
Doch ich war draußen, allein, in aller Stille.
Und: Im kleinen Gewächshaus waren noch zwei Tomaten der Sorte „Paul Robeson“ herangereift; eine davon versüßte mein Frühstück.
Bald kam die Sonne durch und zerstreute den Nebel; zwei Mal musste ich den Himmel zwar noch bitten, sich nicht mit Regenwolken zu beziehen – wie es mir schien – doch dann war der Sonnenschein Sieger – und ich endgültig glücklich.
Nun kamen auch die Stromableser der Gartensparte „Zützener Winkel“ (an deren Stromnetz der Garten angeschlossen ist), nahmen unseren Stromverbrauch des Jahres auf, und ich hatte eine Sorge weniger: Ich muss am 1. November nicht unbedingt im Garten sein, wenn der 2. und letzte Ablesetermin ansteht.
Den Rest des Tages robbte ich durch den Garten und zupfte alle „Unkräuter“ aus den Beeten, bis es so dunkel war, dass ich die Kräutlein vor Augen nicht mehr erkennen konnte.
Ich zog mich ins Haus zurück, bereitete mein Abendbrot – frisches Graubrot, Käse und Rotwein – puhlte noch ein Häuflein Trockenbohnen aus ihren Hülsen, las die Samstagsausgabe der Berliner Zeitung von vorne bis hinten und war dann mit dem Tag vollends zufrieden.
Aber es sollte noch besser kommen: der Sonntagmorgen begann um halb acht ohne Nebel, und um 9 Uhr mit einem perfekten Frühstück in der Sonne.
Zuvor hatte ich schon die Stangen des Folientunnels beiseite geräumt und den Tagesplan erstellt: bis zwei Uhr noch hier und da räumen, hacken und sägen, die übrig gebliebenen Tabakspflanzen unter den Sitzplatz hängen (und trocknen wie Burley-Tabak: als ganze Pflanzen kopfüber), dann das Auto innen und außen reinigen (damit meine Frau sich freut), dann noch Kaffee mit Kuchen in der Sonne einnehmen (noch einmal den Garten in vollen Zügen genießen), dann die restliche Ernte ins Auto tragen (weitere zu trocknende Bohnen, die letztens vergessenen Kartoffeln, mehr Zukkini und einen Strauß aus Schnittlauch und Petersilie) und dann vollgesogen mit Glück nach hause zu meiner Familie fahren (ihr eine leckere Kürbissuppe mit Sahne und Petersilie zum Abendessen zu kochen).
Das war mein Plan, der auch ziemlich exakt ausgeführt wurde.
Um halb sieben war ich zu hause; aber zu hause wartete keine Familie, auch keine Nachricht, wo sie denn sei und wann sie denn käme.
Später stellte sich dann heraus, dass man mich schon vergessen hatte.
Tja, das war zwar traurig, aber doch auch verständlich: Wer kann schon damit rechnen, dass jemand aus dem Paradies zurückkommt, wenn er einmal darin eingegangen ist.