Mein bisschen Selbstversorgung
oder: Warum mit Selbstversorgung keine Probleme zu lösen sind.
Eigentlich wollte ich den Beitrag überschreiben mit „Schluss mit Selbstversorgung“, „Werde bloß kein Selbstversorger!“ oder „Das Unwort des Jahres: Selbstversorgung“. Das hätte sicher wütende Attacken ausgelöst. Ich möchte aber bestenfalls Widerspruch ernten.
Ich will mich kritisch mit dem Modebegriff „Selbstversorgung“ auseinandersetzen, ja, und ich gestehe mein Ziel, dass „Selbstversorgung“ aus dem deutschen Wortschatz gestrichen wird – oder einfach ausstirbt, weil den Begriff niemand mehr verwendet.
Aber vorläufig wäre ich auch zufrieden, wenn sich niemand mehr stolz „Selbstversorger:in“ nennen würde. Ich könnte sogar damit leben, wenn ich den gegenwärtigen Hype um die Selbstversorgung nur ein klein wenig dämpfen könnte („DER Selbstversorgerkanal“ von Ralf Roesberger auf Youtube hat über 100.000 Abonnent:innen! Wahnsinn!).
Hohe Ziele auf jeden Fall, die ich mit diesem Text verfolge. Mal sehen, wie weit ich komme…
Ich will zeigen, dass die momentan glorifizierte „Selbstversorgung“ ohne die Agrar-Industrie schlicht nicht möglich ist.
Oh, oh, wenn das mal kein böses Blut gibt!
Etwas will ich vorausschicken: Ich habe auch Träume, Sehnsüchte und Ängste; ich träume manchmal von ländlicher Idylle, ich sehne mich nach Ruhe und Frieden, ich habe Angst vor Monster-Maschinen, Zusatzstoffen und unbekannten Auswirkungen des so genannten „Fortschritts“, ich habe auch vor Zeiten John Seymours „Leben auf dem Lande“ gelesen; aber ich habe auch (begrenztes) Denkvermögen, ich kann nüchtern betrachten, abwägen und analysieren: und nur das will ich hiermit tun.
Was ist Selbstversorgung überhaupt?
Ich fange bei der Selbstdefinition von Selbstversorger:innen an: Wir versuchen, uns von einem Stück Land mit Kartoffeln, Karotten und Kohl selbst zu versorgen – und natürlich auch mit anderem Gemüse; obendrein, wenn möglich, auch noch mit Eiern, Fleisch, Honig und allem sonstigen, was wir so zum Leben brauchen.
Das klingt doch nach wirklicher Selbstversorgung, oder? Ach, Held meiner Jugend, Robinson Crusoe, wie glücklich war ich damals mit dir auf deiner Insel!
Nein, nein, ich will eine solche Vorstellung nicht verächtlich machen; ich bin mir sicher, Gemeinschaften von 50 bis 100 Menschen könnten völlig autark leben – ich glaube, die Amish in den USA könnten dafür als Beispiel dienen.
Doch darum geht es den meisten Menschen, die sich „Selbstversorger:innen“ nennen, gar nicht, sie streben nicht nach Autarkie; sie wollen sich nur teilweise selbst versorgen, also nur ein bisschen oder auch so viel Gemüse wie möglich aus dem eigenen Anbau verzehren.
Wenn das so ist, wozu dient dann aber die Bezeichnung „Selbstversorger“? Reicht dann nicht „Gärtner“, Kleingärtnerin, Schrebergärtner oder sogar „Hobby-Gärtnerin“, meinetwegen auch „Nutzpflanzen-Gärtner“?
Auch Hobby-Gärtner:innen versorgen sich schließlich teilweise selbst mit Gemüse und Obst (so wie ich; eine einzige Tomatenpflanze genügt dazu!). Dann wäre die Einteilung von Selbstversorger:innen in verschiedene Klassen überflüssig und damit auch der darüber geführte Streit: Ab welchem Prozentsatz an Selbstversorgung bin ich ein wahrer Selbstversorger?
Ihr seht, es braucht den Begriff „Selbstversorgung“ nicht, „(Hobby-)Gärtnern“ reicht!
Es sei denn — man möchte kein spießiger Kleingärtner sein!
Das wäre eine Erklärung für diese derzeitige Mode.
Selbstversorgung als Programm
Ich gehe noch weiter: Der Begriff „Selbstversorgung“ ist nicht nur völlig überflüssig sondern sogar extrem gefährlich, nämlich dann, wenn er politisch benutzt wird, d.h., wenn Selbstversorgung als gesellschaftliches Ziel, als gesellschaftlicher Idealzustand oder auch nur als Lösung gesellschaftlicher Probleme propagiert wird.
Dazu muss ich mir den Begriff nur mal auf der Zunge zergehen lassen: ich versorge mich selbst. Sprich deutlich! Ich versorge nur mich selbst. Ja, ja, auch die Familie vielleicht noch, aber dann ist Sense!
Das bedeutet im Umkehrschluss: Jede:r muss sich selbst versorgen. Wir alle wären in diesem Fall also vollauf damit beschäftigt, uns selbst direkt mit Lebensmitteln zu versorgen, indem wir Subsistenzwirtschaft betreiben.
Kann das wirklich ein Ziel sein, selbst wenn es möglich wäre?
Jemand, der eine solche Selbstversorgung fordert/wünscht, würde damit gleichzeitig fordern/wünschen, dass das momentane, komplexe, arbeitsteilige, gesellschaftliche Leben aufhörte zu existieren!
Selbst früher, zur Zeit der Subsistenzwirtschaft, als die meisten Menschen noch hauptsächlich damit beschäftigt waren, sich selbst zu versorgen, mussten diese immer schon erheblich mehr erzeugen, als sie selbst verbrauchten, mussten diese „Selbstversorger“ andere mitversorgen, andere, die sie seelisch und körperlich schützten (lieber den Zehnten an Regierung, Soldaten und Priester abgeben, als Alles an Unsicherheit, Räuber und übernatürliche Kräfte verlieren!) oder andere, die sie mit Dingen versorgten, mit denen sie sich nicht selbst versorgen konnten oder wollten.
Selbst wenn ich die Macht von Stimmungsmache nicht unterschätze: Die absolute Mehrheit der Menschen hat keinen Bock auf Acker- und Gartenbau sowie handwerkliche Tätigkeiten. Und wird deshalb niemals dafür zu begeistern sein, freiwillig (wieder) Selbstversorger:in zu werden. Wage ich zu behaupten. Es gibt kein Zurück.
Also kann man sich derartige Vorstellungen und dazugehörige Kampagnen unter dem Motto „Selbstversorgung macht die Zukunft besser!“ auch schenken. Zumindest sollten alle, die keine derart rückwärtsgewandten Ziele mit ihrer Selbstversorgung verfolgen, den Begriff schleunigst auf dem Komposthaufen (der Geschichte) entsorgen.
„Selbstversorgung“ oder „Für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen“?
Wenn ich früher zeitweise nicht in der Lage war (oder mich auch nicht in der Lage fühlte), mir ein geregeltes Einkommen zu verschaffen und ich mich deshalb von „der Gesellschaft“, also von denen, die Güter und Dienstleistungen produzieren und verkaufen und sich durch ihren Tausch ein anständiges Leben ermöglichen, unterstützen lassen musste/wollte, wiesen mich die Mitarbeiter:innen von Arbeits- und Sozialamt bzw. des Job-Centers von Gesetzes wegen immer wieder streng darauf hin, dass ich verpflichtet sei, alles in meiner Macht stehende zu tun, mich selbst zu versorgen.
Ich sollte ihnen dann möglichst viele Bewerbungsschreiben bei potentiellen „Arbeitgebern“ vorlegen. In keinem Fall wurde mir jedoch ein Stück (Garten-)Land zugewiesen oder mein zukünftiger Arbeitgeber auf einen landwirtschaftlichen Betrieb beschränkt.
Sie müssen also unter Selbstversorgung etwas ganz anderes verstanden haben, als sich von selbst erzeugten Gartenprodukten direkt zu ernähren.
Der Begriff „Selbstversorgung“ kann leicht zu Missverständnissen führen: alle Menschen, die Selbstversorgung im oben definierten Sinn verwenden, nämlich „sich von einem Stück Land selbst mit (den) zum Leben erforderlichen Mitteln zu versorgen“, behaupten damit indirekt, dass alle anderen Menschen sich nicht selbst versorgen.
Ich fürchte, eine solche Behauptung, offen ausgesprochen, würde harsche Proteste unter diesen „Mitessern“ hervorrufen.
Tja, und damit bin ich bei der „gesellschaftlichen Arbeitsteilung“.
Von da aus ist es nur noch ein winziger Schritt, um die heutige „Selbstversorgung“ mit der Agrar-Industrie zu verknüpfen.
Selbstversorgung heute ist eine Freizeitbeschäftigung wie viele andere auch
Diese programmatische Überschrift unterfüttere ich mit: Je weniger Selbstversorgung (Subsistenzwirtschaft) und je mehr Agrar-Industrie, desto weniger Menschen müssen sich mit der Nahrungsmittelerzeugung beschäftigen.
Oder mit anderen Worten: Je mehr Nahrungsmittel erzeugt werden, desto mehr Menschen können (gut) ernährt werden und eine „hoch entwickelte Gesellschaft“ mit Güterproduktion, Dienstleistung, Kultur, Verwaltung, Freizeitgestaltung und und und, mit Arbeitsteilung eben, bilden.
Wir versorgen uns alle zusammen selbst. Bitte, damit meine ich nicht: Wir Deutschen; die Selbstversorgung Deutschlands haben sogar die Deutsch-National(ist)en längst aus ihren Parteiprogrammen gestrichen.
Konkret bedeutet das: Ohne Agrar-Industrie (und Welt-Handel) geht gar nix. Sie sichert unsere (Grund)Versorgung. Sie ermöglicht uns, anderen Beschäftigungen als der reinen Selbstversorgung nachzugehen.
Jede Beschäftigung aber, die nicht unbedingt für den eigenen Lebenserhalt notwendig ist oder dem gesellschaftlichen Austausch dient, ist eine Freizeitbeschäftigung.
Hobby-Gärtnerei und „Selbstversorgung“ sind nicht notwendig und erzeugen keine tauschbaren Leistungen/Produkte, sind somit reine Freizeitbeschäftigungen, auch wenn „Selbstversorger:innen“ etwas weniger am gesellschaftlichen Austausch teilnehmen müssen; doch jeder „Selbstversorger“ greift laufend oder immer mal wieder oder doch wenigstens im Notfall auf die von anderen zur Verfügung gestellten Produkte und Leistungen zurück.
Nicht Selbstversorgung sondern eine bessere Agrar-Industrie muss das Ziel sein
Wenn gerufen wird: „Wir haben die Agrar-Industrie satt!“, kann damit nur gemeint sein, die „Nebenwirkungen“ der Agrar-Industrie (wie Bodenerosion, -verdichtung, -versalzung und -verarmung sowie tierische Leiden) zu minimieren, die Agrar-Industrie also durch gesellschaftlichen Druck besser zu machen – damit sie auf Dauer erhalten bleibt, und ich Zeit meines (restlichen) Lebens Hobby-Gärtner bleiben kann und kein Selbstversorger werden muss.
Auch meine Kinder sollen von einer „Zwangsselbstversorgung“ verschont bleiben.
P.S.: Ich freue mich ganz gewaltig darüber, dass Gärtnern den Ruch des Spießertums verloren hat und immer mehr junge Leute mit ihren Kindern wieder im Garten ackern und eigene Nahrungsmittel wachsen lassen wollen – aber bitte mit Spaß, ohne Druck, ohne den Anspruch, sich selbst zu versorgen! Ein bisschen Selbstversorgung kommt immer dabei raus!
Also bitte: Werdet keine bemühten Selbstversorger:innen, seid glückliche Klein-Gärtner:innen, die sich über das, was im Garten an Essbarem wächst, freuen!
Das reicht doch vollkommen, mehr muss nicht sein!
Um mal wieder was mit den eigenen Händen zu schaffen und von der Flimmerkiste wegzukommen, wie Ralf Roesberger sich wünscht, muss man kein Selbstversorger sein. Man kann auch als Hobby-Gärtner:in mit 50 Quadratmeter Garten Spaß daran haben, eigene Nahrungsmittel zu erzeugen, andere Lebenskonzepte auszuprobieren und möglichst viele seiner Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen.
Ich lasse mich auf jeden Fall aber auch in Zukunft gerne von Blogs und Videos von „Selbstversorger:innen“, die diesen Anspruch und diese Bezeichnung partout nicht ablegen wollen, inspirieren, unterrichten und – gut unterhalten.
Die Selbstversorgung mit Gemüse & Co (und nichts anderes ist mit dem kürzeren Begriff „Selbstversorgung“ im Gartenkontext gemeint) ist für viele ein Ziel und für einige auch Realität. Dass sich also einige selbst versorgen und viele das als ihr Ziel nennen, stellt weder die Arbeitsteilung in Frage (gibt ja genügend andere, die eben keine solche Pläne hegen) noch wird alleine dadurch ein Systemsturz geplant oder erhofft.
Selbstversorgung bedeutet, sich selbst mit Gemüse, Nahrung oder dergleichen zu versorgen. Nein dieses Ziel muss nicht zu 100% erreicht werden. Das würden nur Ideologen einfordern, denen ihre strenge Verbohrtheit wichtiger ist, als praktische Annäherung an ein Ziel. Ich lebe zu 95% vegetarisch – oder ich bin zu 95% Vegetarier. Das ist nicht inkonsequent, wie einem das gerne vorgeworfen wird. Es ist einfach sehr praktisch und nicht verbohrt.
Der Begriff Selbstversorgung im Garten-Kontext hat auch noch einen ganz praktischen Nutzen. Ein Selbstversorger-Garten muss eine bestimmte Dimension haben. Die Auswahl der Nutzpflanzen geschieht unter dem Aspekt der Selbstversorgung. Literatur bezieht sich auf den Begriff, wenn es z.B. darum geht die Gartenplanung so zu gestalten, dass über das ganze Jahr Gemüse zur Verfügung steht. Selbstversorgung ist begrifflich wichtig, um die Dimensionen und das Ziel des Gärtnerns zu beschreiben.
Und ja der Begriff ist ambivalent. Da kann Druck dahinter stecken. Logisch, denn der Begriff beschreibt ja ein offensichtlich ambitioniertes Ziel. Es muss aber kein Druck dahinter stecken. Selbstversorgung bedeutet nicht Zwang. Zwang kommt erst mit der Idee, ein Ideal muss vollumfänglich erreicht werden. Wer sich lustig darüber macht, dass Menschen von Selbstversorgung sprechen, obwohl sie Selbstversorgung nicht zu 100% umsetzen, trägt zu diesen Zwängen bei.
Lieber Johannes,
danke für Deinen Kommentar!
Du hast in allen Punkten recht! Ich wollte gerade eine solche Haltung wie Deine auf keinen Fall kritisieren; denn Spaß am Gemüseanbau zu haben und sich möglichst viel von selbst angebautem Gemüse zu ernähren, finde ich absolut gut und würde ich niemals abwerten oder mich darüber lustig machen wollen.
Mir geht es einzig um die Klarstellung oder besser: Umwertung des Begriffs „Selbstversorgung“, da er eben mit bestimmten Vorstellungen verbunden ist und sehr häufig in diese Richtung verstanden wird.
Natürlich hätte ich deshalb am liebsten, wenn der Begriff „Selbstversorgung“ garnicht mehr verwendet würde; denn es gibt bessere, angemessenere Begriffe für das, was beabsichtigt ist – und Du sehr schön darlegst, wie z. B. Eigenanbau von Gemüse, Nutzpflanzengärtner oder, oder, oder…
Viel Spaß trotzdem und weiterhin bei der „Selbstversorgung“!
Beste Grüße
J:)rgen
Ich bleibe hartnäckig dabei, dass es Selbstversorgung ist und Selbstversorgung genannt werden sollte ;)
Was aber unter dem Begriff alles läuft ist auf jeden Fall nachdenkenswert. Und dein Artikel regt genau dazu an. Das ist auch der große Mehrwert provokanter Aussagen. Es werden viele Fragen aufgeworfen, weil man gezwungen wird noch mal neu über ein Thema nachzudenken.
Abgesehen vom Thema Selbstversorgung spricht mich dein Appell zu mehr Genuss, Freude und Freiheit im Garten sehr an. Ich sehe da aber keinen Widerspruch zur Selbstversorgung. Im Gegenteil ist es ein zentraler Bestandteil der Selbstversorgung, so wie man sie verstehen könnte. Es ist eben die Selbstversorgung mit Ruhe, die Selbstversorgung mit der Freude am Schaffen, die Selbstversorgung mit der Liebe am Beobachten, und die Selbstversorgung mit dem Gefühl, dass die Seele tief durchatmet.
Lieber Johannes,
ich danke Dir für die Diskussion; denn das ist es, um was es mir geht – so wie Du auch geschrieben hast: Infragestellen, nachdenken, das Eigene begründen und das Richtige für sich finden – und alles möglichst unverkrampft, mit Genuss und Liebe…
Genauso hat meines Erachtens auch John Seymour „Selfsufficiency“ verstanden, was aber völlig unzureichend mit „Selbstversorgung“ ins Deutsche übertragen wurde (besser wäre „Selbst-Versorgung“ gewesen; falls Du meinen Beitrag dazu noch nicht gelesen hast, findest Du ihn unter „Heiliger John Seymour!“)
Viele Grüße
J:)
Noch eine kleine Anmerkung: Dieser Blog-Beitrag ging mir immer wieder durch den Kopf in den letzten Tagen.
Ach und danke für den Tipp. Das werde ich mir auch durchlesen.
Klar kann man sich völlig selbst versorgen, ich lebe in Autarkie.
Und habe sie auch angestrebt.
Deine Aussage zeugt davon, dass du nie nach Autarkie gestrebt hast, und dein Weltbild so klein ist, dass dir das unmöglich vorkommt, sich selbst zu versorgen.
Bevor man meint, Experte zu sein, sollte man erst mal Experte werden und Erfahrungen sammeln.
Lieber Rico,
erst einmal danke für Deinen Kommentar! Jede Rückmeldung und Meinungsäußerung freut mich, auch wenn sie nicht positiv ist.
Ich würde mich freuen, wenn Du Deine Autarkie etwas genauer beschreiben würdest: Lebst Du wirklich vollkommen getrennt von der restlichen Menschheit, irgendwo allein im Wald? Oder was meinst Du mit Autarkie?
Ich habe nie nach Autarkie gestrebt und sage auch nicht, dass Autarkie nicht möglich ist (möglicherweise ist sie möglich und Du bist ein Beispiel dafür); ich sage, dass Autarkie/Selbstversorgung nicht sinnvoll ist, rückschrittlich und gemeinschaftsabgewandt. Jede:r kann gerne nach Autarkie streben, das ist eine persönliche Entscheidung.
Ich halte jedoch Kooperation und Arbeitsteilung für besser, für „menschheitsgemäßer“, für zukunftsfähiger, für fortschrittlich; deshalb lehne ich Selbstversorung ab und bewerte sie negativ.
Viele Grüße
Jürgen
Sorry, sehr schwer zu lesen mit den vielen *
Gedankengänge find ich gut, aber das Wort „Selbstversorger“ sollte als Unwort verbannt werden.
Bei uns haben die meisten noch einen Gemüsegarten, aber fragen sie mal die Ältern ob sie Selbstversorger seien. Die sagen ihnen dann, das sie nicht mehr alle Latten am Zaun haben.
Sie haben schlicht und ergreifend einen Gemüsegarten.
Wenn man eine Tomatenpflanze im Kübel auf dem Balkon hat, ist man was ????
Ist man dann auch „Selbstflorist“ wenn der Blumenstock weiter wächst und nächstes Jahr wieder blüht ?..
Ich versorge mich rund ums Jahr mit eigenem Salat, soll ich mich nun „Salatselbstversoger“ nennen ?
Aber das kommt davon, wenn etwas, was es schon ewig gab, danach fast in der Versenkung verschwand und die Jugend es wieder entdeckt. Natürlich mit neuer überkandidelter Bezeichnung.
Gruß Elli
Liebe Elli,
danke für den Kommentar und dafür, dass Du den Beitrag trotz der zahlreichen Geschlechtersternchen gelesen hast!
Ja, ja, ich denke, der „Selbstversorger“ wird wieder verschwinden, wenn der Gemüseanbau wieder selbstverständlich(er) geworden ist; dann wird sich niemand mehr mit diesem Begriff hervorheben wollen/müssen.
Liebe Grüße
J:)rgen
Moin Elli,
ich habe nicht mal gemerkt, dass hier die Sterne vom Himmel geholt werden. Ich empfehle für solche Fälle Addons wie Binnen-I be Gone (mozilla/firefox) und man kann sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren: der packende Inhalt! :-)
Deine Ansicht über Selbstversorgung gefällt mir. Ich bin auch der Ansicht, dass Selbstversorgung nicht mehr geht. Selbst in meiner Kindheit ging das nicht so gut. Dann kam der 15er Steyr und schon war es aus mit der Selbstversorgung. Dann kam die Lehrzeit und so weiter. Nun bin ich in der Rente und versuche einen Energiewald zu pflanzen. Bis jetzt hatte ich ziemlichen Erfolg, auch Rückschläge musste ich hinnehmen. Auch bleibt uns, meiner anderen Hälfte und mir, einiges das wir nicht mehr kaufen müssen. Ich bin kein Schreiberling aber ich lese gerne die Berichte von sogenannten Selbstversorgern. Ab und zu stelle ich ein Foto vom Energiewald im Facebook zur Ansicht ein.
Grüne Grüße aus Zehndorf in der Weststeiermark
Hmm, es kommt darauf an, wie wir die Selbstversorgung leben. Es wird nicht möglich sein, dass wir alles, was wir brauchen, selbst anbauen. Das heißt, man muss von irgendwo Lebensmittel, Kleidung, etc. beziehen. Wenn ich nun aber einen Großteil meiner Nahrung günstig im eigenen Garten anbaue, eröffnen sich mir neue Optionen, denn ich muss weniger Geld für Nahrung ausgeben. Ich könnte also entweder meine restlichen Lebensmittel teuer in Bio Qualität im Discounter kaufen. Oder ich könnte vielleicht auch meine Stunden für die Erwerbsarbeit reduzieren, um mich noch intensiver mit der Beschaffung meiner Güter zu befassen.
Aber, das ist alles weit her geholt.
Lies mal das Buch „Humusrevolution“. Das war für mich ein Augenöffner dafür, dass jeder mehr machen sollte.
Hallo Jürgen, na da hast du ja mal wieder eine Granate ausgepackt. Als ich 2013 mit meinem Blog anfing, war Selbstversorgung noch ein Nischenwort, das ich sehr spannend fand. Ich würde mich tatsächlich gern mehr mit eigenem Gemüse und Obst versorgen. Aber ich mache noch immer viel viel zu wenig. Es reicht nur für ein paar Mahlzeiten. Mein Blogtitel ist also tatsächlich völlig irreführend. Faulpelzgärtnerei hätte sicherlich besser gepasst ;)
Dennoch finde ich, wie du auch, den Umbruch im Denken der Menschen gut. Der Menschen, die sehen, welche Probleme wir mit unserer industriellen Landwirtschaft erzeugen und was dies mit unserer Gesundheit macht. Ein befreundeter konventioneller Milchbauer mit 220 ha Land sagte übrigens neulich zu mir: „Das mit der industriellen Landwirtschaft wird nicht mehr lang gut gehen. Wir müssen da bald umdenken. Dann müssen wieder mehr Menschen in der Landwirtschaft arbeiten.“ Gemeint hat er die immer geringere Wirksamkeit von Herbiziden, Fungiziden und Pestiziden. Pilze, Unkräuter und Schädlinge werden immer resistenter. Die Entwicklung im Weizenanbau (unerwünschte Beikräuter, die nicht mehr weggespritzt werden können, Pilze, die man als längst ausgerottet eingestuft hat, aber gegen die inzwischen kein Fungizid mehr hilft) ist besorgniserregend. Bereits in den letzten Jahren gab es geringere Ernten aufgrund dieser Entwicklung. Eine Lösung ist der Einsatz von anderen oder stärkeren Giften.
Auch der Klimawandel und das Wegbrechen von immer mehr landwirtschaftlichen Anbauflächen, das Zerstören von Land, weil es auch in sehr vielen landwirtschaftlichen Betrieben nur noch um das Geld geht … Die Entwicklung ist schlimm. Hoffnung machen mir die, die diese Entwicklung sehen und dem entgegen wirken wollen. Wenn auch nur mit kleinen Schritten und ehrgeizigen Worten wie Selbstversorgung. Selbst wenn jemand nur eine Tomatenpflanze im Garten hat und sich an diesem Ertrag erfreut, warum soll er sich in diesem Moment nicht Selbstversorger nennen? Vielleicht fängt er an zu träumen, sich vorzustellen, was noch alles möglich wäre …
Und wer weiß schon, ob es nicht bald notwendig sein wird, dass wir jeden Quadratmeter unserer Hausgärten dazu nutzen müssen, Gemüse und Obst anzubauen, das wir dann vielleicht noch mit unseren Nachbarn teilen können. Der Grund könnte sein, dass Essen einfach viel zu teuer und viel zu rar wird.
Trotzdem: Ich verstehe, was du meinst!
Liebe Krabunda,
vielen Dank für Deinen Kommentar!
Du benennst ganz wunderbar all‘ die Gründe, die Menschen heute bewegen, sich mit „Selbstversorgung“ zu beschäftigen!
Dieser Hintergrund fehlt in meinem Beitrag bzw. ich habe ihn nur angedeutet; er ist aber ganz sicher für ein Verständnis der Bestrebungen nach „Selbstversorgung“ sehr wichtig.
Vielleicht muss ich noch mal deutlicher herausarbeiten, dass es mir auf keinen Fall darum geht, diese Bestrebungen irgendwie abzuwerten oder daraufhinzuwirken, dass sie eingestellt werden; ganz im Gegenteil: ich will, dass viel mehr Leute „Selbstversorgung“ betreiben.
Dafür ist aber m.E. eine Klärung des Begriffes „Selbstversorgung“ wichtig, eine Klärung dessen, was man darunter versteht.
Vielleicht hat Dein Kommentar nun dazu geführt, dass ich die Sache in einen Satz fassen kann, wie der@SelbstversorgerRigotti meinte, als ich ihn mit meinen Ausführungen konfrontierte („netter Artikel – das hättest du aber auch mit einem Satz sagen können“): ich würde mein Unbehagen gegenüber dem Begriff „Selbstversorgung“ verlieren, wenn man ihn mit einem Zusatz versehen würde, der bei vielen anderen Tätigkeiten und Berufen nicht unüblich ist, nämlich eine Spezifizierung durch „Berufs-„, „Profi-“ oder „hauptberuflich“ bzw. „Laien-„, „Hobby-„, „Freizeit-“ oder „nebenberuflich“.
Dann wäre z.B. Ralf Roesberger ein hauptberuflicher Selbstversorger und Florian Rigotti ein Luxus-Selbstversorger; alle anderen könnten sich ebenso definieren oder sich „nur“ als Laien-, Hobby- und Freizeit-Selbstversorger verstehen.
Und alle sollten glücklich sein!
In diesem Sinne wünsche ich vor allem der „Selbstversorgung für Faulpelze“ die allerweiteste Verbreitung; Selbstversorgung zu einem Lebensinhalt zu machen, können nur die allerwenigsten – und müssen es auch gar nicht, um Freude am Wachsen und Gedeihen sowie am Ernten von eigenem Obst und Gemüse zu empfinden und über Systemveränderungen nachzudenken.
„Selbstversorgung“ an sich ist keine Änderung des Systems, sie trägt nicht einmal dazu bei; das wollte ich mit meinem Beitrag natürlich auch sagen.
Allerbeste Grüße
Jürgen
Ich wäre dann wohl der nebenberufliche Hobby-Selbstversorger.
Zu deinem Schlusssatz: Ich hoffe und glaube, dass wenn viele etwas tun und sei es noch so gering, wir etwas bewirken können. Um Ghandi zu zitieren: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ oder um ein Lied zu zitieren, das ich als Kind in der Kirche gelernt habe (irgendwas musste ja hängen bleiben): „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“
Lass uns einfach anfangen, unser möglichstes tun und schauen, was wir bewirken können. Wenn keiner anfängt, ändert sich auch nichts.
Und wenn du meintest: „Wenn ich mit der Selbstversorgung nur an mich denke, ändert sich nichts“, dann muss ich dir zustimmen. Wir sollten die „Selbstversorgung“ gemeinsam leben.
PS: Die Fotos deiner Ernten machen mich sehr neidisch und zeigen mir, wie viel ich noch vor mir habe.
Beste Grüße, Yvonne
Du hast recht, Yvonne, viele kleine Schritte von Vielen verändern auch etwas.
Ich fürchte in diesem Fall aber, dass die Veränderung in eine Richtung wirken wird, die wir nicht beabsichtigen: Wenn wir uns selbst versorgen, verbrauchen wir dadurch weniger (Bio- oder konventionelle) Marktprodukte; das verschärft den Wettbewerb unter den Markt-Produzenten (sprich: den Anbauern) und zwingt diese zu einer weiteren Steigerung ihrer Effizienz (größere Maschinen und Felder, mehr industrielle Landwirtschaft, auch und gerade im Bio-Sektor).
Diese Entwicklung findet natürlich sowieso statt, aber wir befördern sie mit unserer „Selbstversorgung“. Insofern bin da sehr skeptisch, was die positive Kraft der „Selbstversorgung“ anbelangt.
Vielleicht ist „Selbstversorgung“ sogar nur ein Rückzug aus den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in die private Idylle, wer weiß?
Ich werde weiter darüber nachdenken (müssen) – und dabei meinem Gartenhobby frönen.
Liebe Grüße
Jürgen