Nur das Individuum zählt
oder: Über den Unterschied zwischen Sorten-Vielfalt und Individuen-Vielfalt und warum nur Individuen-Vielfalt nützliche Nutzpflanzen-Vielfalt ist.
Heute möchte ich eine Frage behandeln, die meiner Meinung nach für die Zukunft und das Überleben unserer Nutzpflanzen-Arten von entscheidender Bedeutung ist: Was ist wirklich nützliche Nutzpflanzen-Vielfalt?
Ist als „Nutzpflanzen-Vielfalt“ eine große Zahl an Zuchtsorten mit (mehr oder weniger) einheitlichen Individuen innerhalb einer Nutzpflanzen-Art zu bezeichnen oder ein großes Spektrum an (neuen) „Landsorten“ mit unterschiedlichen, einzigartigen Individuen?
Die Frage lautet kurz gefasst: Ist Sorten-Vielfalt oder Individuen-Vielfalt wirkliche, echte, wahre – nützliche – Nutzpflanzen-Vielfalt?
Individuen-Vielfalt innerhalb wilder Tier- und Pflanzen-Arten und ihre Bedeutung
Alle von Euch, die Charles Darwin kennen und wissen, wie (neue) Tier- und Pflanzen-Arten entstehen oder wie Populationen überleben, wenn sich die Umweltverhältnisse ändern, die wissen, dass beides von den Eigenschaften einzelner Individuuen abhängig ist.
Es sind einzelne Individuen, die neuartige Bedingungen ertragen oder neue Stoff- und Energiequellen nutzen können; es sind einzelne Individuen, die sich aufgrund ihrer Besonderheit(en) erfolgreicher fortpflanzen/vermehren können als ihre Mitlebewesen.
„Evolution“, wie diese Anpassung und Entwicklung von Lebewesen genannt wird, ist nur möglich, wenn eine möglichst große Anzahl an Varianten existiert, an genetisch unterschiedlichen, einzigartigen Individuen, wissenschaftlich ausgedrückt: an unterschiedlichen Genotypen.
„Individuen-Vielfalt“ ist sozusagen (Über)Lebensversicherung und Entwicklungschance zugleich; ohne Variation wäre kein Leben möglich.
So sind alle wild lebenden Lebewesen genetisch einzigartig (sofern sie sich geschlechtlich vermehren), auch wenn sie uns oftmals gleichförmig und einheitlich erscheinen.
In „Nutzpflanzen-Vielfalt neu berechnet“ habe ich zwei Galerien mit insgesamt 20 Kartoffelkäfern eingebunden, die aufgrund der unterschiedlichen Muster auf ihren Brustschilden sehr gut als unterschiedliche Individuen zu erkennen sind; aber nicht nur diese Kartoffelkäfer, sondern jedes „Unkraut“ und jeder „Schädling“ ist ein einmaliges Individuum – und auch alle anderen wild lebenden, sich geschlechtlich fortpflanzenden Organismen sind einzigartige Individuen.
Noch ein Beispiel für die Bedeutung von „Individualität“: Wenn Populationen von Lebewesen z. B. gegen Giftstoffe resistent werden – ich habe in „Das Kartoffelkäfer-Dossier II“ und in „Die Wanderratte und wir“ Beispiele beschrieben – beruht die Resistenz darauf, dass einzelne Tiere aufgrund bestimmter, genetisch bedingter Eigenschaften nicht von der tödlichen Wirkung eines Giftes betroffen sind, deshalb überleben, sich fortpflanzen und ihre „Resistenz-Eigenschaften“ vererben können und nach einer gewissen Zeit die Mehrheit einer Population bilden, die damit resistent geworden ist.
Auf den besonderen Eigenschaften einzelner Individuen beruht jede Anpassung.
Selbst Populationen von Lebewesen, die sich ungeschlechtlich (vegetativ oder parthenogenetisch) vermehren, besitzen durch Mutationen in der Regel genügend unterschiedliche Individuen, die es möglich machen, dass einzelne Individuen auf äußere Bedingungen unterschiedlich reagieren. Aber aufgrund ihrer geringeren Individuen-Vielfalt sind Populationen, die sich ausschließlich vegetativ vermehren, weitaus stärker vom Aussterben bedroht als solche, die sich geschlechtlich vermehren und durch diese Vermehrungsart eine weitaus größere Vielfalt an unterschiedlichen Individuen besitzen.
Man könnte sagen, dass bei einer Wild-Art, die sich geschlechtlich vermehrt, die Individuen-Vielfalt bei nahezu 100 Prozent liegt, d. h., dass alle Lebewesen, die wir einer Art zurechnen, sich genetisch unterscheiden und damit einzigartig sind.
Auch die Menschheit ist eine solche Art, die aus lauter unterschiedlichen Individuen besteht. Schaut Euch nur einmal um!
Die Würde des einzelnen Menschen
Ein interessantes Thema, das ich bei Gelegenheit einmal tiefschürfender behandeln werde, ist die herausragende Bedeutung des Individuums in sozialen Zusammenhängen.
Auch bei den Menschen sind es immer nur einzelne Menschen, die besondere Leistungen erbringen (z. B. Erfindungen machen), die für viele oder alle Menschen nützlich sind. Jeder Mensch kann potentiell für die Gemeinschaft nützlich sein; deshalb ist es notwendig, alle Menschen in gleicher Weise zu erhalten (zu schützen, zu retten etc.).
„Nur das Individuum zählt“ ist meines Erachtens die naturwissenschaftliche Formulierung des Satzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Die Individuen-Vielfalt unserer Nutzpflanzen-Arten vor dem Jahr 1800 (vor dem Beginn einer „Pflanzenzüchtung“)
Die Nutzpflanzen-Arten, die Bauern noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts aussäten, wurden ab dem Jahr 1890 als „Landsorten“ bezeichnet, obwohl sie mit den „Sorten“, die um diese Zeit schon gezüchtet wurden, keinerlei Übereinstimmung besaßen. Mit der Bezeichnung „Sorten“ sollte lediglich ausgedrückt werden, dass regional unterscheidbare Populationen innerhalb der Nutzpflanzen-Arten existierten (weitergehende Informationen zu „Landsorten“ findest Du in den Beiträgen „Gärtnern mit Landsorten“ und „Neue Landsorten braucht das Land!“).
Diese regionalen Unterschiede beruhten ausschließlich auf Umständen, die nicht von Menschen bewusst beeinflusst wurden, wie der so genannten „Gendrift“, der Negativ-Auslese durch die Umweltverhältnisse sowie den Einflüssen der angewandten Kulturmaßnahmen beim Anbau.
Bis ca. 1800 gab es keine bewusst betriebene Pflanzenzüchtung, d. h. es gab keine bewusste Einflussnahme mit dem Ziel, bestimmte, erwünschte Merkmale zu verstärken, sprich: Populationen in diesen Merkmalen gezielt zu vereinheitlichen.
Wie unterschiedlich noch um 1900 herum z. B. die Getreidepflanzen eines Feldes waren, könnt Ihr in „Die Kehrseite der Pflanzenzüchtung“ nachlesen: Alle Landsorten-Populationen bestanden aus einer unüberschaubaren Vielfalt unterschiedlicher Einzelpflanzen bzw. Linien (es gibt einen Unterschied in der Individuen-Vielfalt zwischen Nutzpflanzen-Arten, die „fremdbefruchtet“ werden müssen und solchen, die „sich selbst befruchten“ können; siehe nachfolgenden Kasten).
Die Individuen-Vielfalt bei „Fremd-“ und „Selbstbefruchtern“
Bei Landsorten von „Fremdbefruchtern“ – bei diesen muss die weibliche Geschlechtszelle (Ei-Zelle) einer Blüte von der männlichen Geschlechtszelle (Pollen) einer anderen, „fremden“ Blüte befruchtet werden – wie Roggen, Mais, Möhren, Zwiebeln, Kohl u.a., waren alle Pflanzen einzigartig (gemischterbig/heterozygot), da ihre Gene immer mit den Genen einer anderen, heterozygoten Pflanze gemischt wurden.
Bei Landsorten von „Selbstbefruchtern“ – bei ihnen befruchtet der Pollen einer Blüte in der Regel die Ei-Zelle derselben Blüte – wie Weizen, Gerste, Tomate, Paprika, Wein, Tabak, Lein u.a., gab es eine Mischung aus einzigartigen Individuen (die aus einer kürzlichen, zufälligen Fremdbefruchtung hervorgegangen waren) und gleichartigen Individuen, die vielen, unterschiedlichen, reinerbigen (homozygoten) Linien angehörten
„Selbstbefruchter“ werden nach einigen Generationen automatisch homozygot, da bei jeder „Selbstbefruchtung“ an immer mehr Stellen des Chromosomensatzes die gleichen Gene zusammenfinden (siehe Tabelle „Abnahme der Heterozygoten bei Selbstbefruchtern“ in „F1, F2, F3, hybrid-frei ist die Paprika“).
Es ist auf jeden Fall davon auszugehen, dass unsere Nutzpflanzen-Arten bis zum Beginn der „Pflanzenzüchtung“ überwiegend aus einzigartigen Individuen bestanden – so, wie Wildpflanzen-Arten, die Individuen-Vielfalt der früheren Landsorten also bei (geschätzt) 80 bis 100 Prozent lag.
Die Individuen-Vielfalt von gezüchteten Sorten (Zuchtsorten)
Alles, was heutzutage mit „Sorte“ bezeichnet wird, entstammt gezielter, menschlicher Beeinflussung des Genotyps von Pflanzen, Maßnahmen also, die in ihrer Gesamtheit als „Pflanzenzüchtung“ bezeichnet werden (siehe nachfolgenden Kasten).
Aus der Geschichte der Pflanzenzüchtung
[…] Stark vereinfacht lässt sich der moderne Züchtungsprozess in drei Phasen einteilen:
- Am Anfang steht immer das Schaffen genetischer Variationen. Nur wenn ausreichend variables Material zur Verfügung steht, kann die Züchtung erfolgreich sein. Waren zu Beginn natürliche Populationen Ausgangspunkt der Züchtung, so werden genetische Variationen heute in der Regel gezielt erzeugt, zum Beispiel durch Kreuzung.
- Es folgt ein in der Regel mehrjähriger intensiver Selektionsprozess, der zu Nachkommenschaften mit verbesserten Eigenschaften führt. Im Extremfall stehen am Ende der Züchtung vollkommen homogene Populationen, die nur noch aus einem einzigen Genotyp bestehen, der die erwünschten Eigenschaften stabil und verlässlich ausprägt.
- Die ausgelesenen Genotypen werden entweder auf ihre Eigenleistung hin geprüft oder es wird die Leistung ihrer Hybridnachkommenschaften […] bestimmt. Dazu werden sie mehrere Jahre lang an verschiedenen Standorten getestet. Die besten werden schließlich zur Sortenzulassung angemeldet.
aus der Broschüre der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Pflanzenzüchtung und Grüne Gentechnik“, 2011, S. 17/18
Pflanzenzüchter:innen schaffen Zuchtsorten. Zuchtsorten zeichnen sich durch Individuen aus, die mehr oder weniger einheitlich sind („die nur noch aus einem Genotyp bestehen“) und sich einheitlich (samenfest!) fortpflanzen, so lange dabei auf Inzucht geachtet wird.
„Einheitlichkeit/Gleichförmigkeit“ ist die erwünschte Folge von Pflanzenzüchtung; denn nur durch Einheitlichkeit der angebauten Pflanzen lassen sich die Erträge maximieren, dem Hauptziel der modernen Landwirtschaft: Nur, wenn ausschließlich die „beste“ Pflanze in optimaler Anzahl und unter optimalen Bedingungen auf den Feldern wächst, sind maximale Erträge möglich.
100%ig einheitliche Sorten lassen sich ohne Probleme bei Nutzpflanzen-Arten herstellen, die geklont werden können, wie Kartoffeln und Obst, sowie bei Arten, die sich selbst befruchten.
Bei Arten, die fremdbefruchtet werden müssen – sie lassen sich aus diesem Grunde nicht durch Inzucht (Selbstbefruchtung) zu 100 Prozent vereinheitlichen, sorgt „Hybrid-Züchtung“ für „Sorten“ mit 100%iger Einheitlichkeit (siehe „Vom Heterozygosis- zum Heterosis-Effekt“).
Die Individuen-Vielfalt solcher Zuchtsorten liegt demnach bei 0 Prozent (alle Pflanzen einer Sorte sind gleichförmig und besitzen den gleichen Genotyp).
Ein Seitenhieb auf Kreise, die samenfeste Zuchtsorten schönreden
Sorten-Erhalterinnen und Öko-Züchter bezeichen ihre herkömmlich, sprich: durch Positive Massenauslese, gezüchteten Sorten von „Fremdbefruchter“-Arten, wie z. B. Möhren, seit Neuestem gern als „Vielfaltssorten“ oder als „Populationssorte mit einer hohen genetischen Vielfalt“; dies halte ich für dreiste Schönfärberei.
Man muss nämlich wissen – wie ich zuvor schon angedeutet habe, dass „Fremdbefruchter“-Arten in keinem Fall 100%ig einheitlich zu machen sind, da diese Arten auf 100%ige Einheitlichkeit (Homozygotie) mit so genannten „Inzucht-Depressionen“ reagieren.
Für 100%ige Einheitlichkeit von „Fremdbefruchtern“ wurde aus diesem Grunde die „Hybrid-Züchtung“ mit den bekannten F1-Hybriden erfunden.
Die Individuen von „Fremdbefruchter“-Sorten weisen somit immer eine geringe genetische Unterschiedlichkeit auf; die Individuen-Vielfalt solcher Zuchtsorten dürfte bei 2 bis 10 Prozent liegen, je nach dem, wie „rein“, d. h. wie einheitlich, eine Sorte gezüchtet wird/werden kann.
Ihre Individuen-Vielfalt ist also weit entfernt von den möglichen 80 bis 100 Prozent bei Landsorten, die deshalb allein den Namen „Vielfaltssorten“ verdient hätten.
Da alle Zuchtsorten mehr oder weniger einheitliche Individuen besitzen, stimmt die Individuen-Vielfalt unserer Nutzpflanzen-Arten mehr oder weniger mit der Anzahl an Zuchtsorten überein. Wenn wir z. B. 1.000 Weizen- oder Apfelsorten besitzen, existieren 1.000 genetisch unterschiedliche Weizen- oder Apfel-Individuen (Genotypen).
Die Vielfalt an genetisch einzigartigen Genotypen innerhalb unserer Nutzpflanzen-Arten ist demzufolge heute äußerst gering (siehe dazu auch „Nutzpflanzen-Vielfalt neu berechnet“).
Vor dem Beginn von Pflanzenzüchtung wären 1.000 genetisch unterschiedliche Genotypen allein in der Feldflur eines einzigen Dorfes zu finden gewesen, die zu einem Drittel mit der örtlichen Winterweizen-Landsorte bestellt war.
Auf einem heutigen Weizenschlag von 250 Hektar, auf dem eine Zuchtsorte millionenfach wächst, findet sich dagegen nur eine einzige genetische Variante des Weizens – zusammen mit Millionen genetisch unterschiedlichen Varianten von Unkraut-, Pilz- und Virus-Arten…
Nur (neue) Individuen-Vielfalt kann nützliche Nutzpflanzen-Vielfalt sein
Fakt ist: Individuen-Vielfalt (Variantenreichtum) ist eine Grundbedingung des Lebens; ohne sie ist kein Leben und keine Veränderung (Entwicklung, Anpassung) möglich.
Die minimale Individuen-Vielfalt unserer heutigen Nutzpflanzen-Arten ist aus diesem Grunde bedrohlich, da bei (drastischen) Umweltänderungen die Chance gering ist, dass unter den wenigen Genotypen überlebensfähige Varianten sind.
Wenn nur wenige Varianten in Form von Zuchtsorten vorhanden sind – die darüber hinaus noch „rein“ gehalten werden („Erhaltungszüchtung“ erklärt bei Bingenheimer Saatgut und beim Getreidezüchtungskonzern RAGT) – ist auch die Möglichkeit eingeschränkt, dass etwas Neuartiges entsteht, wie es im Laufe der Pflanzenbau-Geschichte immer wieder geschehen ist (viele Kulturpflanzen, wie Mais und Kohl, haben sich schrittweise, durch mehrere Mutationen, entwickelt).
Nutzpflanzen-Vielfalt, die in Zukunft von Nutzen ist, kann nur Individuen-Vielfalt sein; ein paar mehr alte und neue Zuchtsorten mit ihren einheitlichen Individuen tragen dazu kaum bei („Sorten erhalten war gestern“).
Eine maximale Individuen-Vielfalt bieten nur neue „Landsorten“. Wer sich die Förderung der „Nutzpflanzen-Vielfalt“ auf die Fahne geschrieben hat, sollte deshalb vor allem den Anbau von neuen „Landsorten“ propagieren.
Aber sowohl der Wahlspruch der Schweizer Organisation „ProSpecieRara“ „Sortenvielfalt erhalten ist unsere Mission“ als auch der Slogan der Bio-Pflanzenzüchter „Neue Bio-Sorten braucht das Land“ verfehlen das zentrale, auch selbst gesteckte Ziel, möglichst viel Individuen-Vielfalt zu erzeugen, um unsere Nutzpflanzen für eine unbekannte Zukunft zu erhalten und ihre weitere Entwicklung zu ermöglichen.
Die Existenz unserer Nutzpflanzen zu sichern, ist der einzig wirklich wichtige Grund für „Nutzpflanzen-Vielfalt“. Die anderen, häufig genannten 10 Gründe sind dagegen bedeutungslos (mit ihnen habe ich mich schon vor Zeiten in „Heilige Vielfaltigkeit“ kritisch auseinandergesetzt).
Der Ruf muss lauten: „Neue Landsorten braucht das Land!“
Landsorten gilt es selbstverständlich erst wieder herzustellen, da die alten Landsorten ausgestorben sind (die winzigen, „inzüchtigen“ Reste, die in Genbanken gesichert werden – bei Zwiebeln werden 50 Pflanzen pro Landsorte „erhalten“ – können bestenfalls „Ausgangsmaterial“ sein); Landsorten müssen sich erst wieder entwickeln.
Wie die Basis von neuen Landsorten geschaffen werden kann, beschreibt Joseph Lofthouse in seinem Buch „Landrace Gardening“, das ich in „Gärtnern mit Landsorten“ vorgestellt habe (das entsprechende Kapitel habe ich schon ins Deutsche übertragen: „Landsorten neu schaffen“).
Auch ich habe bei einigen Nutzpflanzen-Arten schon Vorstufen von Landsorten-Saatgut hergestellt (siehe „Der Grex geht um“), indem ich möglichst viele Zuchtsorten zusammen habe blühen lassen, so dass sie sich mischen konnten; aber in einem Garten, auch wenn er groß ist, lässt sich niemals eine Landsorte mit genügend Individuen/Genotypen erzeugen – das funktioniert nur in größerem Maßstab, vor allem bei unseren Getreide-Arten.
In meinem Garten kann ich bestenfalls das Prinzip demonstrieren…
Nur wenn alle Hobby-Gärtnerinnen, Bio-Bauern und direkt vermarktende Landwirt:innen, die heute samenfestes Saatgut verwenden, um mit dem Anbau von alten Zuchtsorten angeblich etwas für die Nutzpflanzen-Vielfalt zu tun, morgen (oder übermorgen) neue „Landsorten“ anbauen, würde damit die Nutzpflanzen-Vielfalt nicht nur scheinbar sondern wirklich und wahrhaftig befördert und die Chance wieder erhöht, dass unsere Nutzpflanzen sich auch in Zukunft an Umweltänderungen anpassen können – so, wie sie das 10.000 Jahre lang und in allen Weltgegenden getan haben…
Amen dazu!
Bei mir wächst jetzt die Vorstufe einer Puffbohnen (Vicia faba) Landsorte. Dank des vielen Regens sehr üppig :)
Ich habe 3 schwedische Sorten, 3 polnische, die Hangdown Grünkern von Bingenheimer Saatgut, Aquadulce und Grano Violeto, die ich aus Irland bezogen habe und eine niederländische Sorte gepflanzt. Dazu noch alle Samen, die ich letztes Jahr in meinem Garten ernten konnte.
Außerdem hoffe ich noch einen Grex von Prunkbohnen starten zu können. Hierfür habe ich 10 unterschiedliche Sorten zusammengepflanzt. Von schwarz über beige- und rotgesprenkelt bis weiß. Nur die Selektion durch Schnecken war sehr stark. Mal schauen was davon überhaupt übrig bleiben wird.
Zu guter letzt habe ich noch 3,5 Sorten Mehl/Röstmais und 3 bis 4 Sorten Popcornmais im Beet.
Ich habe mich bei Dir nicht mehr wegen Samentausch gemeldet, weil ich festgestellt habe, dass ich nicht viel (außer Stangenbohnen und Kürbis-Samen) zum tauschen hatte. Das dürfte sich nach dieser Saison ändern.
Schöne Grüße,
Jacek aus Bonn
Lieber Jacek, danke für Dein „Ja, so sei es“ oder „ja, so ist es“!
Großartig, dass Du Dich an Grexen und Landsorten versuchst! Ich hoffe, Du kannst dereinst Positives und Genussvolles über beide berichten, damit mehr Menschen animiert werden, wirkliche Vielfalt wiederherzustellen und sich nicht mit „Sorten-Einerlei“ zu begnügen.
Ich bin auf jeden Fall sehr an Deinem Mischlingssaatgut interessiert, da Du mir damit jede Menge Arbeit abnimmst.
„Dicke Bohnen“ (so heißen die Puff- oder Saubohnen in meiner Herkunftsregion „Südliches Ostwestfalen“) wollte ich schon lange mal vervielfältigen, obwohl ich sie früher nie gerne gegessen habe. Mein Vater hat sie feldmäßig angebaut und ich habe sie tagelang gepflückt; zur Erntezeit kamen sie dann häufiger auf den Mittagstisch. Mittlerweile bin wieder offen für neue Erfahrungen mit ihnen…
Auch an Deinem Prunk- oder Feuerbohnen-Mix habe ich großes Interesse, damit sich bei mir endlich mal eine „Schwedter Landsorte“ herauskristallisieren kann, die resistent gegen Schneckenfrass ist; auch bei mir haben diese Kriechtiere die Reihen meiner Mischlingsfeuerbohnen mal wieder ordentlich gelichtet…
Wir müssen auch nicht ordentlich Eins zu Eins tauschen; ich verschenke meine Hybridsamen auch freizügig. Ich bin für jeden Menschen dankbar, der offen für Individuen-Vielfalt ist!
Viele Grüße in den Westen der Republik, in seine ehemalige Hauptstadt!
J:)
Hallo Jürgen,
von meinen Freunden aus der Eifel habe ich auch gehört, dass sie in die Dicke Bohnen Ernte der Familie einbezogen wurden und sie tagelang schälen mussten. Ich liebe Dicke Bohnen. In Polen in der Stadt werden sie im Sommer schon fertig geschält verkauft und Mann braucht sie nur kurz dünsten, Butter dazu und fertig ist die Mahlzeit.
Die ersten reifen Samen habe ich gestern geerntet. Ich habe ein Paar Fotos von meinen Pflanzen bei GoingToSeed gepostet:
Von meinen Prunkbohnen sind 5 oder 6 übrig beblieben, mussten aber neu aus den Blattachseln austreiben und sind immer noch nur 10 cm hoch. Ich habe am Wochenende nochmal nachgesät. Auch Buschbohnen und Augenbohnen. An die Augenbohnen, die ich schon vor ein Paar Wochen gesät habe, gehen die Schnecken nicht dran! Deshalb habe ich jetzt das ganze missglückte Erbsenbeet mit Augebohnen bestellt.
Ich freue mich auf einen Tausch mit Dir und wünsche noch eine fröhliche und erfolgreiche Saison im sandigen Osten!
Jacek