Pfirsiche statt Aprikosen
oder: Wie mein Pfirsichsämling zum ersten Mal üppig geblüht und Früchte getragen hat.
Ich glaube, dass ich einer der wenigen war, der das lange Warten auf den Frühling in diesem Jahr positiv sehen konnte. Wenn jemand in meiner Nähe über die ewige Kälte gestöhnt hat, konnte ich zwar mitfühlend sein, aber ich musste ihm trotzdem erzählen: je länger es kalt bleibt, je größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ich in diesem Jahr die ersten Aprikosen ernten kann; denn je später die Aprikosen blühen, desto geringer ist die Chance, dass sie noch durch späte Fröste dahingerafft werden.
So, aber dann kam er doch endlich, der Frühling: am 21. April war es endlich so warm, dass die Aprikosen richtig blühen konnten (im Jahr zuvor hatten sie schon am 1. April geblüht). Ich erwartete die Blütenpracht vom letzten Jahr und – wurde enttäuscht.
Schon ein Wochenende zuvor hatte ich nur wenige Blütenknospen ausmachen können, aber gedacht: na, die werden schon noch sichtbar werden. Nun, hier und da war schon eine Blüte auszumachen, doch von weiß-rosa leuchtenden Zweigen konnte keine Rede sein.
Es spielt also nicht nur ein später Frühling für eine reiche Aprikosenernte eine Rolle, auch das Vorjahr muss genügend Blütenknospen dazu beitragen.
Ich bin ja ein positiv denkender Mensch, der sich nicht lange mit Klagen aufhält: Eine Handvoll Aprikosen reicht mir, ich will vor allem wissen, wie sie schmecken! Und tatsächlich: bis zum 21. Mai 29. Juni habe ich drei fünf plus eine drei entdeckt, d.h., an einem Baum drei fünf Aprikosen, am anderen eine drei. Damit bekomme ich (hoffentlich) schon mehr Aprikosen, als ich letztens noch zu hoffen wagte.
Aber noch etwas anderes lenkte mich von trüben Gedanken ab, die mich mangels Aprikosenblüten hätten befallen können, und das waren: Pfirsichblüten!
Welch‘ ein Blütenrausch in Pink und Rosa!
Mein Pfirsich-Sämling blühte zum ersten Mal in voller Pracht. Was waren das für Blüten im Gegensatz zu den kleinen, unscheinbaren, die ich von meinem „alten“ (verblichenen) Pfirsichbaum kannte – und die auch von seinen beiden Nachkommen, die sich selbstständig einen Platz in meinem Garten gesucht hatten, vorgezeigt wurden. Auch Nachbars Pfirsichbaum hat unscheinbare Blüten.
Dieser Pfirsichbaum bräuchte sich in keinem Zierpflanzen-Garten zu verstecken, er bräuchte nicht eine einzige Frucht zu tragen, er würde seiner Pflicht als Zierpflanze vollauf genügen!
Nein, großartige Blüten hat dieser Baum! Das hätte ich niemals erwartet: von solch einem zwar wohl-schmeckenden, aber ansonsten kleinen, gewöhnlichen, pelzigen, rot-gelben Pfirsich, in irgendeinem Geschäft gekauft, dessen Kern ich vor fünf Jahren der Erde anvertraute.
Im zweiten Jahr waren zudem alle seine Blätter von der Kräuselkrankheit befallen, die ich ihm im dritten Jahr sogar rigoros abzupfte. Er erholte sich nur mühsam davon, überlebte diesen brutalen Eingriff jedoch – und hatte in den Folgejahren kaum noch unter dieser Krankheit zu leiden. Ob meine Behandlung nun dafür ursächlich ist, wage ich nicht zu behaupten.
Auch in diesem Jahr hält sich der Befall (bisher) in Grenzen.
Das freut mich vor allem, weil ich mal gelesen habe, dass auch die Früchte durch die Kräuselkrankheit in Mitleidenschaft gezogen würden; denn das, was ich von den Aprikosenbäumen erhofft hatte, halten nun meine Pfirsichbäume: sie tragen reichlich Früchte.
Nun, es sind erst Frucht-Ansätze, aber diese geben Anlass zu der Hoffnung, dass doch der eine oder andere Pfirsich den Zustand der Vollreife erlangen wird – und mir damit Auskunft geben kann, ob eine derartige Sämlingsaufzucht nicht nur reine Zeitverschwendung ist, sondern wenigstens ein kleiner Anfang, die trostlose Monotonie der Massen-Pfirsiche mit einem bunten Mantel neuer Vielfalt zu verhüllen.
Wer einmal alte Bücher mit Beschreibungen früherer Obstsorten studiert hat, der weiß, was ich meine: für die damaligen Fachleute war es kaum möglich, eine vollständige Übersicht über all die verschiedenen Sorten zusammenzustellen (hier z. B. ein Buch von 1954 über Aprikosen, in dem allein 96 europäische Sorten beschrieben werden).
Im Gegensatz dazu sind die paar Sorten überschaubar, die man heute noch in den Supermärkten oder Baumschulen finden kann.
Im Spätsommer oder im frühen Herbst werde ich mehr wissen – und berichten.
Die Pfirsiche meines Sämlings entsprechen mit hoher Wahrscheinlichkeit der Frucht, die den Kern für den Baum geliefert hat. „Pfirsiche, und zwar die sogenannten „kernechten“ Sorten, sind gleicherbig (homozygot). Diese ergeben, sofern sie sortenrein gepflanzt und durch keine anderen Sorten befruchtet werden, weitgehend einheitliche, der Ausgangssorte entsprechende Sämlingsnachkommen. Demgegenüber sind Aprikosen im algemeinen ungleicherbig (heterozygot) und ergeben kein einheitliches Sämlingsmaterial.“ schreiben Walter Fiedler und Manfred Umhauer in ihrem Büchlein „Anbau des Pfirsichs und der Aprikose“ auf Seite 18 (VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin, 1971)
Meine Pfirsiche sind mittelgroß (im Durchschnitt). Das Fruchtfleisch ist gelb, lecker süß und seeehr saftig bei Vollreife; es löst sich erst in diesem Zustand einigermaßen vom Stein (ansonsten sehr schlecht bis garnicht). Die Haut ist pelzig, dick und zäh, so, wie ich das von „früher“ gewohnt bin, als es Pfirsiche nur im Juli und August gab.
Ich würde also sagen, dass es ein klassischer Pfirsich ist, so wie ich ihn gern habe. Ich würde auch behaupten, dass es bei Vollreife ein sehr guter „Einmach-Pfirsich“ ist, ein Pfirsich also, dessen Haut nach einem kurzen Heißwasserbad gut abzuziehen, der danach gut zu halbieren und in Zuckerlösung einzukochen ist.
In diesem Jahr habe ich den größten Teil der Früchte verschenkt; vielleicht versuche ich es bei der nächsten guten Ernte mal mit dem Einmachen – obwohl ich nicht weiß, wo ich die Gläser noch unterbringen könnte; der vorhandene Lagerplatz ist randvoll mit Marmelade- und Essiggurkengläsern gefüllt – und da dieses meine Favoriten sind, wird das wahrscheinlich auch so bleiben.
Meine Mutter hat mir vor kurzem erzählt, dass Freunde meiner Großeltern einen Pfirsichkern in unserem Garten vergruben. Daraus wurde ein Baum, der jedes Jahr körbeweise Früchte trug. Seitdem überlege ich, ob ich nicht auch noch ein Eckchen in unserem Garten finde …
Die Aussichten auf Obst sind in diesem Jahr gigantisch. Sogar unsere selbst gesämte Reneklode hängt so voll, dass wir den ganzen Sommer über ihre Früchte essen müssen, wenn nur die Hälfte davon etwas wird. Die hat sonst höchstens 10 Früchte getragen.
Falls deine Pfirsiche schmecken, würde ich mich über einen Kern freuen. Da findet sich bestimmt ein Eckchen …
Hallo Krabunda,
danke für Deinen Kommentar – und vor allem für den hoffnungsvollen Bericht über den aus einem Samen gezogenen Pfirsichbaum in Eurem Garten! Ich bin auch sagenhaft gespannt, wie meine Pfirsiche schmecken!
Wie alt ist denn Eure Reneklode? Dieser Pflaumenbaum ist ja ziemlich sortenecht, d.h., die aus Samen gezogenen Bäume ähneln der Mutterpflanze ziemlich stark.
Kennst Du die Pflaume, aus deren Stein Euer Baum „entsprungen“ ist, und könntest Du deshalb meine Aussage bestätigen?
Auch einige Pfirsichsorten vermehren sich ja durch Samen ziemlich sortenrein, z.B. der „Kernechte vom Vorgebirge“; ich glaube, dass meine beiden anderen Pfirsichsämlinge zu dieser Sorte gehören.
Wenn Du einen Pfirsichbaum aus einem Stein meiner Pfirsiche ziehst, wäre ich sehr gespannt, was aus diesem wird: eine Kreuzung ist nicht ausgeschlossen (auch der Nachbar hat ganz in der Nähe noch einen Pfirsichbaum einer anderen Sorte); aber erst einmal müssen meine Pfirsiche reifen…
Viele Grüße
Jürgen