Rasenmähen
oder: Warum ich Rasen im Garten pflege.
Auch dieses Thema will behandelt werden – in regelmäßigen Abständen.
Ich wollte eigentlich so starten: Auch dieses leidige Thema will behandelt werden; aber ich möchte mich um Objektivität, um Neutralität bemühen. Es soll nicht gleich deutlich werden, dass ich eine Abneigung gegen Rasen habe.
Huch, nun ist es mir doch gleich rausgerutscht.
OK, stehe ich dazu: Ich kann Rasen nicht leiden, diese gepflegten, grünen, glatten, öden Flächen erfüllen mich immer wieder mit Trauer: Ich sehe Wiesen und Gärten mit Blumen und Nutzpflanzen an ihrer Stelle, Tiere grasen und Insektenwolken brummen.
OK, Nutzgärten und Wiesen erfordern mehr Zeit und Pflegeaufwand, damit sie schön und ansehnlich wirken, nicht verwildert und verwahrlost (obwohl auch ein solcher Zustand wunderschön sein kann). Das mag ein Grund dafür sein, der die meisten Eigenheimbesitzer*innen Rasenflächen bevorzugen lässt.
Oder ist es doch eine tiefe, innere Abneigung gegen „Lebendiges“, gegen unkontrolliertes, unkontrollierbares Wachsen, Werden und Vergehen, warum viele Menschen ihren Lebensraum mit eintönigen Grünflächen sowie immergrünen Sträuchern und Bäumen ausfüllen? Ich fühle mich in dieser Annahme bestärkt, weil eine beträchtliche Anzahl an Leuten auch vor dem nächst möglichen Schritt in Richtung „Leblosigkeit“ nicht zurückschreckt: Ihre Grundflächen mit Beton, Asphalt, Schotter, Kies und Steinplatten noch pflegeleichter zu machen.
Nun gut, sei es, wie es sei: Jeder muss das tun, womit er glücklich ist.
Warum aber habe ich Rasen?
Als ich den Garten übernommen habe, bestand er bis auf einen kleinen Teil aus Rasen, Rasen auf dem die Kinder, meine beiden Jungs, deren Freunde und meine Stieftochter, ausgiebig toben, rennen und Fußball, Federball etc. spielen konnten, – und meine Frau (die Beste von allen) ihren Liegestuhl aufbauen konnte.
Ja, das geht am besten auf Rasen. In einer wuchernden Wiese wäre das kaum möglich.
Deshalb habe ich also Rasen. Und muss diesen in regelmäßigen Abstand mähen.
Zu meinem Glück ist meine Stieftochter Nina hin und wieder eine eifrige, freiwillige Rasenmäherin.
So komme ich doch wenigstens ab und zu um diese leidige Pflicht herum; aber an den anderen Tagen muss ich selbst ran. So wie am 23. Mai dieses Jahres, von dem ich im folgenden kurz berichte: Der Rasen – oder sollte ich besser schon von Wiese sprechen – blühte wunderbar, was mir das Mähen immer besonders schwer macht.
Gänseblümchen und Hahnenfuss versprühten üppig ihre weiße, rosa und gelbe Farbe; aber der Ball rollte schon nicht mehr so perfekt darüber. Die Jungs beschwerten sich zwar noch nicht, doch in zwei Wochen würden sie das ganz sicher tun – und auch das Mähen wäre dann ganz sicher noch beschwerlicher.
Also holte ich am Nachmittag dieses Tages den gelben Elektro-Rasenmäher aus dem Unterstand, entrollte das Stromkabel und setzte das Schneidwerk mit geübten Griffen in Bewegung: Erst die rote Sicherungstaste drücken, dann den schwarzen Starthebel hochziehen und festhalten, zusammen mit dem ersten Stück des Stromkabels. Und dann einen Meter vorschieben, einen Meter zurückziehen und den Meter wieder vorschieben. Bis an die Grenze der Rasenfläche. Dort über das Kabel steigen, den Mäher wenden und den nächsten Streifen in Rasenmäherbreite glatt machen. Und nach zwei Bahnen den Korb mit dem zerhäckselten Grünzeug entleeren (das kurze Zeit später zum Mulchen der Erdbeeren im ehemaligen Rasen verwendet wird). Und so weiter. Bis alles gemäht war. Schweißtriefend.
Und dann gibt es ein Bier zur Belohnung.
Und dann muss ich gestehen: So eine schöne, glatte Rasenfläche hat auch ihren Reiz.
Und dann rollt der Ball auch wieder besser.
Ja, so wird das wahrscheinlich noch ein paar Jahre zugehen. Der kleine Rasen direkt hinter dem Haus sowie der große im Zentrum des hinteren Gartens werden gemäht werden müssen, ein Teil wird – zum Unwillen meiner Nachbarn, fürchte ich – wild wuchern dürfen, den Rest Wildwuchs werden sich nach und nach Nutzgarten und Rasenfläche teilen.
Bis die Jungs keinen Spaß mehr daran haben, Fußball zu spielen oder die Rasenfläche anderweitig zu nutzen. Dann werde ich den Nutzgarten weiter ausdehnen, wovon das nächste Bild aus dem Sommer 2013 schon einmal einen Vorgeschmack gibt.
Bis der Tag kommt, an dem ich den riesigen Nutzgarten nicht mehr unter Kontrolle habe, bis mir die Kraft (oder die Lust?) ausgeht, solch große Flächen mit Nutzpflanzen zu bepflanzen und ihnen ein gedeihliches Wachstum zu ermöglichen, indem ich die hinderlichen Konkurrenzpflanzen jäte, tierische Gegenspieler unterdrücke oder notwendige Wachstumshilfen zur Verfügung stelle, solange bis ich mich einfach nur in einen Liegestuhl setzen und die letzten warmen Tage genießen will.
Dann werde ich anfangen, die pflegeleichteren Rasenflächen lieben zu lernen.