Saatgut? Verkehr? Kontrolle?

oder: Wenn Behörden nur „Bahnhof“ verstehen wollen.

Nachfolgend dokumentiere ich meinen Versuch, von der Saatgutverkehrskontrolle des Landes Baden-Württemberg Informationen über Ergebnisse ihrer Tätigkeit zu bekommen, in diesem Fall: über die „Qualität“ des von ihr untersuchten Gemüse-Saatguts.

Nach der Theorie der Demokratie bilden die Staatsbürger:innen den Staat (so wie Mitglieder einen Verein). Regierende sowie Verwaltungsbehörden sind nach dieser Vorstellung nur im Auftrag der Staatsbürger:innen tätig und handeln ausschließlich nach demokratisch beschlossenen Gesetzen; deshalb sollten sie ihr Tun jederzeit vor den Staatsbürger:innen, also uns, rechtfertigen können.

Das ist die schöne Theorie; aber wie sieht die Wirklichkeit aus?

Im heutigen Beitrag erfahrt Ihr es…

Faules Saatgut in bunten Tütchen

Jedes Jahr werden Millionen Saatgut-Tütchen in Baumärkten und über das Internet verkauft, teilweise zu horrenden Preisen (z. B. fünf Paprika-Samen für 5,49 €). Wenn aus den Samen keine Pflanzen werden, geben die meisten Freizeit-Gärtner:innen sich selbst die Schuld oder bestenfalls irgendwelchen gefräßigen Tieren. Kaum jemand nimmt an, dass es am teuer erstandenen Saatgut gelegen haben könnte, weil es z. B. nicht keimfähig war; denn der Glaube sitzt tief, dass gekauftes Saatgut nicht schlecht sein kann, da es ja professionell erzeugt und obendrein amtlich kontrolliert wird.

Saatgut-Tütchen Weißkohl und Rotkohl

Hochwertiges Saatgut? Amtlich geprüft?

Nun gehöre ich nicht zu denen, die blind glauben und vertrauen, sondern zu denen, die möglichst genau wissen wollen. Ich bilde mir darüber hinaus ein, dass auch eine gewisse Anzahl meiner Gärtner-Kolleg:innen (also Ihr!) gern etwas Genaues über die Beschaffenheit des verwendeten Saatguts wüsste. Vielleicht hätten sogar die gewerblichen Nutzer:innen von Standard-Gemüsesaatgut nichts dagegen, von den amtlichen Kontrollstellen über dessen Qualität aufgeklärt zu werden.

Stellvertretend für alle Saatgut-Verbraucher:innen hatte ich mich deshalb neulich bei den staatlichen Stellen der Saatgutverkehrskontrolle nach den Ergebnissen ihrer Kontrollen erkundigt. Die Antwort war ernüchternd; im Beitrag „Achtung! Tütchenkontrolle!“ ist sie ausgebreitet: Saatgut-Verbraucher:innen könnten die Kontrollergebnisse falsch interpretieren, weshalb es besser sei, sie ihnen vorzuenthalten; sie könnten den Behörden unbesorgt vertrauen…

Eine solch „fürsorgliche“ Haltung widerspricht mir als erwachsenem, mündigen Bürger zutiefst und reizt mich, dagegen anzugehen.

Am Stuhl von „Vater Staat“ sägen

Nachdem mir also eine breite Front von zuständigen Ämtern die Auskunft auf meine Anfrage verweigerte, wollte ich wenigstens eine Behörde mal mit einem „Recht auf Information“ konfrontieren, das mittlerweile wenigstens hier und dort in Gesetzestexte gegossen wurde.

In diesem Fall habe ich mir das Referat 33 des Regierungspräsidiums Karlsruhe ausgeguckt, das in Baden-Württemberg für die Saatgutverkehrskontrolle zuständig ist; denn Baden-Württemberg besitzt seit 2015 ein Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG).

Ich legte also dem Referat 33 eine Anfrage unter Berufung auf das LIFG vor.

Auch dem Bundessortenamt bin ich mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes zu Leibe gerückt, um ein paar Auskünfte über Ergebnisse des Nachkontrollanbaus zu erpressen; doch das ist eine andere Geschichte…

So, wollt Ihr gleich wissen, was bei diesem Versuch herausgekommen ist, oder wollt Ihr Euch auch dieses Mal die ganze Geschichte meines heroischen Kampfes für mehr Behördeneinsicht in voller Länge antun?

Die Kurzfassung ist: In Baden-Württemberg wurden in den Jahren 2015 bis 2020 nur so geringe Probenmengen gezogen, dass die Prüfungsergebnisse leider nicht verwertbar waren – und damit auch nicht der Öffentlichkeit (also mir) zur Verfügung gestellt werden konnten; ohnehin wurden alle Ergebnisse nach Ablauf des Erntejahres vernichtet, so der Tenor der Antworten.

Wer mehr Zeit hat und ausführlich erfahren möchte, wie es ist, wenn man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, der liest einfach so lange weiter, bis er nicht mehr weiterlesen kann – vor Tränen.

Meine Fragen und ihr Preis

Am 30.12.2020 schrieb ich an das zuständige Referat des Regierungspräsidiums Karlsruhe:

„hiermit beantrage ich Auskunft über folgende Daten nach dem LIFG“:

  1. Wie viele Proben von Gemüse-Saatgut für den Hobby-Bereich („Bunte Tüten“) wurden in den letzten fünf Jahren von der baden-württembergischen Saatgutverkehrskontrolle überprüft? (bitte nach Jahren aufschlüsseln)
  2. Welche Gemüse-Arten bzw. Sorten wurden in jedem Jahr kontrolliert?
  3. Wie viele Proben in welcher Größenordnung (Anzahl der Samen bzw. Gewicht) wurden zum Nachkontrollanbau an das Bundessortenamt übergeben?
  4. Welche Ergebnisse erbrachten die Kontrollen? (Anzahl der Beanstandungen, Art der Beanstandungen)
  5. Wie viele Verstöße wurden pro Jahr mit welchen Maßnahmen geahndet?
  6. Wie viele gewerbliche In-Verkehr-Bringer von Standard-Gemüse-Saatgut haben ihren Betrieb nach §27 SaatG Ihrer Behörde angezeigt? Welche Firmen sind dies?

Ich gebe zu, dass ich die erste und wichtigste Frage unglücklich formuliert habe; denn ich wusste damals noch nicht, dass die „Bunten Tüten“ nicht direkt kontrolliert werden: Bei der staatlichen Saatgutverkehrskontrolle geht es einzig und allein um den gewerblichen Großverbrauch, der für die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung relevant ist; der Hobby- und Freizeitbereich spielt keine Rolle.

Saatgut wird nahezu ausschließlich bei den Züchtern/Vermehrern sowie bei den Groß- und großen Einzelhändlern kontrolliert.

Obere Hälfte eines bunten Tütchens mit Rettichsamen

Untere Hälfte der Rückseite eines bunten Tütchens mit Rettichsamen

Aber da „unser“ Saatgut zu großen Teilen von denselben Großhändlern in „Bunte Tütchen“ abgefüllt wird, die auch das Saatgut für die gewerblichen Gemüse(groß)anbauer direkt oder über große Einzelhändler liefern, entspricht „unser“ Saatgut zu 100% dem Saatgut, das die gewerblichen Gemüse-Anbauer verwenden; nur das Saatgut von kleinen Vermehrer:innen, die ausschließlich für den Hobbybereich produzieren, macht hier eine Ausnahme.

Aufkleber Zwiebelsaatgut Frühe Blassrote

Der VERN bringt alte Zwiebelsorten neu in Umlauf: „Frühe Blassrote“, eine Züchtung aus der DDR

Aber, wie gesagt, das wusste ich damals alles noch nicht und wartete deshalb gespannt auf die Antwort.

Die kam am 28.01.2021: „…möchten wir Sie darüber informieren, dass für die Erteilung der von Ihnen gewünschten Auskunft eine Gebühr in Höhe von voraussichtlich 272 Euro entstehen wird.“

Dass es Wissen in einer Marktwirtschaft nicht für lau gibt, war mir schon klar; trotzdem musste ich bei dieser Kostennote schlucken. Da ich mir aber vorgenommen hatte, mich bei meinem Kampf für mehr Transparenz durch nichts und niemanden aufhalten zu lassen, bekundete ich ohne Rücksicht auf mein Portemonee meine Bereitschaft, den vollen Preis zu zahlen.

Die behördlichen Antworten und ihr Wert

Am 11.03.2021 hielt ich dann tatsächlich das ersehnte, kostbare Schreiben in Händen.
Wie waren die Kontrollergebnisse ausgefallen? O, ich brannte vor Neugier, dieses Geheimnis endlich zu erfahren.

Ich überflog die Antworten zu den Fragen 1, 2 und 3, um endlich zum Kern der Sache zu kommen, zu

„Frage 4 und 5
Welches Ergebnis brachten die Kontrollen:“

Ich saugte die Zeilen mit gierigen Blicken ein:

„Das Ergebnis der Bonitur durch das BSA [Bundessortenamt] ergab folgende Beanstandungen wegen mangelnder Sortenechtheit:
2016/ 7 Proben, 2017/ 6 Proben, 2018/ 8 Proben, 2019/ 1 Probe, 2020/ 2 Proben

Nach Vorlage des Abschlussberichtes durch das BSA wurde in allen Fällen das weitere Inverkehrbringen des beanstandeten Saatgutes durch das Regierungspräsidium untersagt.
Zusätzlich wurde 2020 nach § 12 i. V. mit § 60 des Saatgutverkehrsgesetzes eine Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet.“

Dann ging es weiter mit der Antwort zu Frage 6.

„Häh, war das alles? Wo sind die Ergebnisse der Beschaffenheitsprüfungen des Regierungspräsidiums?“ wollte ich schon aufbrausen und mich veräppelt vorkommen, als mir dämmerte: „Aaaah, sie haben meine 4. Frage als Unterfrage zu Frage 3 missverstanden; das kann ja mal passieren…“

Deshalb übermittelte ich am 25.03. elektronisch nach Karlsruhe: „Leider fehlen die Ergebnisse Ihrer eigenen Kontrollen; ich bitte diese noch nachzureichen.“

Die knappe Antwort traf mich zwei Wochen später, am 07.04.: „wir haben Ihnen alle Ergebnisse unserer Kontrollen von Gemüsesaatgut nach dem Saatgutverkehrsgesetz übermittelt.“

Jetzt hieß es gaaaaanz tief durchatmen und einen steifen Hals kriegen; hartnäckig versuchte ich es umgehend noch einmal:

„Unter dem Punkt ‚Frage 4 und 5 Welches Ergebnis brachten die Kontrollen:‘ teilen Sie mir ausschließlich die Ergebnisse mit, die durch die Kontrollen des BSA festgestellt wurden.

Ich gehe jedoch davon aus, dass sowohl die Proben, die an das BSA übergeben wurden sowie alle anderen Proben zumindest auf Keimfähigkeit (aber hoffentlich auch auf alle weiteren gesetzlich vorgeschriebenen Beschaffenheitsmerkmale) untersucht wurden.

Ich bitte, mir diese Ergebnisse ebenfalls mitzuteilen oder mir ausdrücklich zu bestätigen, dass von Ihrer Behörde keine dementsprechenden Prüfungen des Saatguts in den Jahren 2016 bis 2021 vorgenommen wurden.“

Als ich am 12.05. noch keine Antwort erhalten hatte, drohte ich:

„ich bitte Sie hiermit, mir bis zum 19.05.2021 mitzuteilen, ob und bis wann ich mit den fehlenden bzw. zusätzlich angefragten Informationen rechnen kann.

Ansonsten sehe ich mich leider gezwungen, die vorhandenen, rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um darauf hinzuwirken, dass Sie Ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen.“

Am 18.05. konnte ich wieder ein amtliches Schreiben öffnen:

Briefkopf des Regierungspräsidiums Karlsruhe Abteilung 3 'Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen'

„Für die Prüfung der Mindestkeimfähigkeit (v.H. der reinen Körner) sowie der Reinheit (v.H. des Gewichts) sind nach der Saatgutverordnung, unter Umsetzung der Vorgaben auf die Anzahl der Körner, mindestens 850 Körner pro Probe erforderlich. Eine repräsentative Probenahme ist aufgrund der geringen Verfügbarkeit einer einzelnen Sorte/Charge im Einzelhandel nur in seltenen Fällen möglich. Allerdings wurde die RH und KF (Norm) stichprobenweise bei verschiedenen Arten (s. Aufzählung) mit sehr guten Ergebnissen untersucht.“

[es folgt die Aufzählung von zehn Gemüsearten]

„Aufgrund der teilweise zu geringen Probenmengen und den damit nicht eingehaltenen rechtlichen Vorgaben (hinsichtlich des Probengewichts) werden die Untersuchungsergebnisse nicht weiterverwendet oder veröffentlicht.
Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, haben wir für 2021 veranlasst, Proben (mit gefordertem Probengewicht) direkt bei den registrierten Abpackbetrieben zu ziehen, mit folgenden Ergebnissen:“

[es folgen die Ergebnisse von drei Feld- und zwei Kopfsalaten]

„Diese Ergebnisse bestätigen den Trend aus unseren internen (nicht verwertbaren) Untersuchungen der Proben.“

Findet Ihr nicht auch, dass diese Ausführungen kabarett-reif sind? Der Verfasser (ja, es hatte ein Mann unterschrieben) hat sich bestimmt köstlich amüsiert, als er den Text verfasst hat.

Der Weg durch die Instanzen

Nun, ich habe auch geschmunzelt; aber dabei konnte ich es nicht belassen, da ich ja eine Mission zu erfüllen habe:

„Leider bin ich mit Ihren Auskünften nicht zufrieden; denn entweder sind Sie in den Jahren 2016 – 2020 Ihren gesetzlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß nachgekommen oder Sie erfüllen die gesetzliche Verpflichtung zur Information nicht.
Ich erwarte weiterhin die Untersuchungsergebnisse der von Ihnen im Schreiben vom 11.03.2021 benannten Proben, die von Ihnen auf Ihre Beschaffenheit geprüft wurden.“

Um meine Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, fügte ich folgenden Schlusssatz an:

„Leider sehe ich mich nun gezwungen, weitere Schritte einzuleiten, um meinem Auskunftsersuchen Nachdruck zu verleihen.“

Dabei hatte ich erst einmal eine Fachaufsichtsbeschwerde im Sinn; denn warum sollte ich gleich den Justizapparat bemühen und ein (für die Gesellschaft oder für mich) teures Gerichtsverfahren anstrengen, so lange es noch niederschwelligere Angebote gab.

Aber bevor ich die Beschwerde auf den Weg bringen konnte, fiel mir ein, dass sich die Saatgutverkehrskontrollstelle möglicherweise damit herausreden könnte, ich hätte ja nur nach den Kontrollergebnissen der „Bunten Tütchen“ gefragt – und dazu gäbe es eben nicht mehr Informationen als die, die mir mitgeteilt wurden.

Um der Behörde einen solch diebischen Triumph zu vermasseln, stellte ich die Anfrage am 04.06. noch einmal, sachlich präziser:

„…hiermit beantrage ich Auskunft über folgende Daten nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) in der im Gesetz genannten Frist: 1. Welche Ergebnisse erbrachten die Kontrollen von Standard-Gemüse-Saatgut in den Jahren ab 2015, die von der baden-württembergischen Saatgutverkehrskontrolle überprüft wurden? Bitte nennen Sie dabei die Art der Beanstandungen sowie deren Anzahl. Schlüsseln Sie die Ergebnisse bitte nach Jahren und Gemüsesorten auf.…“

Am 02.07. erhielt ich Antwort:
Briefkopf des Regierungspräsidiums Karlsruhe Abteilung 3 'Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen'

„Bitte berücksichtigen Sie, dass der Antrag nach § 9 Abs. 3 Nr. 4 LIFG abgelehnt wird, soweit Sie als antragstellende Person bereits über die begehrten Informationen verfügen.“

Ah, ich verfügte also schon über die begehrten Informationen! Sehr interessant…

„Im Übrigen nehmen wir wie folgt Stellung:

Frage 1
Wie bereits in unserem Schreiben vom 18.05.21 mitgeteilt, gibt es für die Jahre 2015 bis einschließlich 2020 Ergebnisse in Bezug auf die Beschaffenheit. Die Keimfähigkeit und Reinheit waren nicht zu beanstanden. Allerdings konnten bei diesen Kontrollen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgewichte nicht erreicht werden, weshalb die Ergebnisse nur unserer internen Kontrolle dienten, jedoch nicht weiter verwertet werden konnten. Im Übrigen sind diese Unterlagen nach Ablauf eines Erntejahres zu vernichten, weshalb die zuständige Stelle über diese Informationen nicht mehr verfügt.“

Allerdings…Probengewichte ungenügend…und…Im Übrigen…Ergebnisse bereits vernichtet…

So langsam hörte der Spaß aber auf; sowas ist doch keine anständige Saatgutverkehrskontrolle!

Oder will mich der Mann an der Nase herumführen?

Jetzt gibts was auf die Finger! Von der Präsidentin des Regierungspräsidiums! Vorgesetzte sind ja schließlich dazu da, darauf zu achten, dass der Laden ordnungsgemäß läuft, oder?

Am 12.07. wandte ich mich also mit einer Fachaufsichtsbeschwerde an die Leitung des Regierungspräsidiums:

„Sehr geehrte Frau Präsidentin,

hiermit lege ich Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Unterabteilung des Ref. 33, Saatgutverkehrskontrolle, Herrn…, ein.

Ich hatte am 30.12.2020 einen Antrag auf Auskünfte über die Ergebnisse der Saatgutverkehrskontrolle in Baden-Württemberg von 2015 bis 2020 nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) gestellt.
Herr… hat sich bisher geweigert, mir die entsprechenden Untersuchungsergebnisse vollständig zur Verfügung zu stellen.

Mir wurde zur Begründung letztendlich mitgeteilt (nach vorhergenden, weiteren Gründen): „Allerdings konnten bei diesen Kontrollen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgewichte nicht erreicht werden, weshalb die Ergebnisse nur unserer internen Kontrolle dienten, jedoch nicht weiter verwertet werden konnten. Im Übrigen sind diese Unterlagen nach Ablauf eines Erntejahres zu vernichten, weshalb die zuständige Stelle über diese Informationen nicht mehr verfügt.“ (siehe Anhang)

Falls diese Aussagen zutreffen, erhebe ich Fachaufsichtsbeschwerde wegen Unterlassung von Dienstpflichten; denn in diesem Fall hat über Jahre keine vorschriftsmäßige Saatgutverkehrskontrolle in Baden-Württemberg stattgefunden.

Ich gehe jedoch davon aus, dass es sich bei den Aussagen von Herrn … um Ausflüchte handelt, mir die nach Gesetz zustehenden Daten vorzuenthalten.

In diesem Fall erhebe ich Fachaufsichtsbeschwerde gegen Herrn … wegen Verstoß gegen das LIFG; außerden möchte ich in diesem Fall Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn … erheben wegen Täuschung und persönlicher Geringschätzung, da ich mich durch die verschiedenen, teilweise lächerlichen Begründungen, die zur Verweigerung der Datenherausgabe angeführt wurden, wie ein unmündiger Schuljunge behandelt fühle…“

Ha, jetzt wird der feine Herr … von der Chefin zur Ordnung gerufen! Ich wartete entspannt auf die Kontrollergebnisse…

Zwischenspiel mit einem Helfershelfer

Um auch Euch die Wartezeit ein wenig zu verkürzen, flechte ich hier noch eine „lustige“ Episode ein, die ich mit dem Landesbeauftragten für Informationsfreiheit erleben durfte (ja, den gibt es tatsächlich, auch wenn er das nur nebenamtlich ist; denn eigentlich ist er für das Gegenteil zuständig: den Datenschutz).

Sicherheitshalber hatte ich mich am selben Tag auch noch an diesen Landesbeauftragten gewandt und ihn um seine Unterstützung gebeten („Der Landesbeauftragte berät Bürger_innen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG)“). Per Online-Formular übermittelte ich ihm mein Problem; leider erlaubte das Formular nicht – so wie das vorgesehen war – das notwendige Material hochzuladen, meinen Schriftwechsel mit der Saatgutverkehrskontrollbehörde.

„Dankend bestätigen wir Ihre Meldung einer Beschwerde. Ihre Meldung wurde unter dem folgenden Aktenzeichen gespeichert: 4400-6/3206

Dies ist eine automatisch generierte E-Mail von einer System-E-Mail-Adresse. Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail.“

Am 28.07. hatte ich die Bescherung; die zuständige Mitarbeiterin hatte nicht mich sondern das Regierungspräsidium proaktiv kontaktiert und sich dort den Sachverhalt erklären lassen:

Briefkopf Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg

„…Wie Ihnen das Regierungspräsidium Karlsruhe mitgeteilt hat, wurden die Ergebnisse nach Ablauf des Erntejahres vernichtet…“

Dass Untersuchungsergebnisse, die als Nachweise in amtlichen Verfahren eine wichtige Rolle spielen, nach einem Jahr zu vernichten seien, nahm sie ohne den geringsten Zweifel hin.

Mich wusste sie jedoch überzeugt aufzuklären:

„Aus unserer Sicht handelt es sich hier um ein Auskunftsersuchen aus dem Bereich der Verbraucherinformationen. Das Verbraucherinformationsgesetz ist ein Fachgesetz mit eigenem Zugangsanspruch. Die zuständige Aufsichtsbehörde im Bereich Verbraucherschutz ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

Wir empfehlen Ihnen, sich an das hierfür zuständige Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz [Adresse] zu wenden.

Zusätzliche Informationen zu dieser Thematik können Sie in der Dienstanweisung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, nachlesen:

Dienstanweisung Probenahme Saatgut.pdf

Wir hoffen, Ihnen mit unseren Ausführungen weitergeholfen zu haben.“

Ich muss zugeben, ich fand die Ausführungen wirklich hilfreich, zwar nicht für dieses Mal aber vielleicht für ein nächstes Mal; denn ich gedenke die Königlich bayerische Saatgutverkehrskontrolle mal mit dem Verbraucherinformationsgesetz zu konfrontieren…

Gottseidank habe ich ja auch nur einen Nebenjob und konnte mir deshalb die Zeit für ein Gesetzesstudium nehmen (§ 1 Anwendungsbereich des VIG reichte); anschließend wagte ich der tatkräftigen Helferin entgegenzuhalten:

„Sie sind der Ansicht, dass es sich bei meinem Auskunftsersuchen um ein Auskunftsersuchen aus dem Bereich der Verbraucherinformationen handelt und aus diesem Grunde das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) den Informationszugang abschließend regeln würde.

Hier bitte ich um eine Begründung, da meines Erachtens Saatgut nicht unter den Anwendungsbereich des VIG fällt, der in §1 des VIG benannt ist, sondern einer eigenständigen gesetzlichen Regelung unterliegt.“

Die Mitarbeiterin des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit war anscheinend wegen der 170 Anfragen, die sich auf ihrem Tisch stapelten, bestens mit vorformulierten Textbausteinen versorgt und (vermutlich) deshalb besonders hinweisfreudig:

Briefkopf Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg

„Wie wir Ihrem Schreiben entnehmen konnten, sind Sie der Ansicht, dass dieser Vorgang nicht unter den Anwendungsbereich des VIG entfalle, da das Saatgutgesetz, wie Sie richtig schreiben, ein eigenständiges Gesetz ist.

Dazu möchten wir Ihnen folgende Hinweise geben:

Das Saatgutverkehrsgesetz ist das älteste deutsche Verbraucherschutzgesetz aus dem Jahr 1953. Das Saatgutverkehrsgesetz mit den dazugehörigen Verordnungen regelt auf Grundlage der EG-Saatgutrichtlinien das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut.

Der Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit ist für den Bereich des LIFG beratend und vermittelnd tätig. In Sachen Verbraucherinformationen nach VIG sind die Landratsämter und das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) als Aufsichtsbehörde ausschließlich zuständig.

Wir empfehlen daher, Ihre Anfrage an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu stellen.

Abschließend möchten wir Ihnen für den des LIFG folgende Hinweise geben:“

Es folgte eine langatmige Zusammenfassung des LIFG, die ich Euch ersparen möchte (wen sie interessiert, der kann sie hier lesen).

„Das Saatgutverkehrsgesetz ist das älteste deutsche Verbraucherschutzgesetz“ – sehr witzig!
Ja, so wird das Saatgutverkehrsgesetz hin und wieder bezeichnet: Gewerbliche Saatgutverbraucher sollen vor Betrug geschützt werden. Das VIG soll aber privaten Verbrauchern vor allem Zugang zu behördlichen Informationen über Gesundheitsgefahren von Lebensmitteln und Produkten ermöglichen.
Zwei völlig verschiedene Zielrichtungen also…

Fachaufsichtsbeschwerde oder die Lage wird ernst

Am 03.09.2021 wurde es ernst: Der Präsident der Abteilung 3 hatte sich vom Leiter des Referats 33 eine Antwort auf meine Fachaufsichtsbeschwerde formulieren und mir mit seiner Unterschrift versehen zukommen lassen:

Briefkopf des Regierungspräsidiums Karlsruhe Abteilung 3 'Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen'

„Frau Regierungspräsidentin hat mich gebeten, Ihr Anliegen zu prüfen und Ihnen zu antworten.

Ihre Fragen hat Ihnen Herr … mit Schreiben vom 11.03.2021 beantwortet.
Auch weitere von Ihnen vorgebrachte Fragestellungen wurden beantwortet.
Mit Bescheid vom 11.03.2021, Az. 33-0221-2, wurde Ihrem Antrag auf Zugang zu Informationen nach dem LIFG entsprochen. Fehler bei dieser Verwaltungsentscheidung sind nicht erkennbar.

Auch der Sachverhalt in Bezug auf Ihre Beschwerde, Sie fühlen sich wegen „persönlicher Geringschätzung …wie ein unmündiger Schuljunge behandelt“, kann nicht nachvollzogen werden.
Die auch von Ihnen dargelegte Korrespondenz war stets sachlich und von hoher Wertschätzung geprägt.
Aus den dargelegten Gründen werden Ihre Beschwerden nicht weiter verfolgt.

Mit freundlichen Grüßen
Abteilungspräsident“

Ich habe die Präsidentin des Regierungspräsidiums Karlsruhe gebeten, die Angelegenheit auch noch von ihrer vorgesetzten Behörde, dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, begutachten zu lassen; die dortige Bürgerreferentin hat mir auf meine Nachfrage am 17.02.2022 schon mal Hoffnungen gemacht:

„Ihre Fachaufsichtsbeschwerden sind bei uns eingegangen und werden derzeit geprüft.“

Außerdem habe ich dem Untersuchungsamt, das die Saatgutproben geprüft hat, ein entsprechendes Auskunftsersuchen zukommen lassen (wenn ich Euch dessen bisherige Ausflüchte auch noch alle schildern wollte, müsstet Ihr noch eine Stunde lesen)

Trotzdem Leute, ich bin sowas von gespannt, das glaubt Ihr garnicht!

Briefkopf des Ministeriums für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg

Nachtrag vom 19. März 2022: Mittlerweile ist das Antwortschreiben des Ministeriums für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz eingetroffen; wer wieder viel ausweichendes Blahblah lesen möchte, darf das gerne hier tun…

Ich gebe nicht auf und habe das mögliche Missverständnis noch einmal explizit aufgeklärt, dass es mir nicht um die Prüfergebnisse von „Bunten Tütchen“ geht, sondern um die Ergebnisse der Beschaffenheitsprüfungen des gesamten, untersuchten Gemüsesaatguts (meine Reaktion könnt Ihr in der Dokumentation des gesamten Vorgangs nachlesen); aber falls ich die Kontrollergebnisse jetzt immer noch nicht bekomme, besteht zumindest die Möglichkeit, das ein Ministerialrat die Kosten des Verfahrens tragen muss (und nicht die gesamte Gesellschaft in Form des „Staates“): Bei vorsätzlichem Pflichtverstoß haften Beamte nämlich…

Schlussakt: Die Meinung der Öffentlichkeit

So, jetzt seid Ihr dran, Euch ein Urteil zu bilden: Wie seht Ihr die Sache?

Bin ich ein lästiger Quälgeist, der sich wichtig machen will, oder verfolge ich ein wichtiges Anliegen: Die Durchsichtigkeit und Nachvollziehbarkeit behördlichen Handelns, die nur durch ständige Kontrolle durch Jedermann und jede Frau gewährleistet ist?

Sagt mir Eure Meinung!

Wenn Ihr mir nun alle dringend abratet, diesen Kampf gegen die obrigkeitliche Bürokratie fortzusetzen, werde ich in mich gehen…

Ansonsten aber werde ich die Öffnung der Behörden weiter verfolgen und diesem Schauspiel einen Schlussakt anfügen, mit Feuerwerk und Knalleffekten; denn ich habe noch einige Patronen in petto: Presse und Parteien aufmerksam machen – und zu guter Letzt bleibt mir natürlich auch noch, das Verwaltungsgericht anzurufen.

So leicht gebe ich mich nicht geschlagen; aber keine Angst: Ein moderner Kohlhaas werd ich nicht…

Me, I and Myselfportrait

Selbstporträt des Aufrührers Michael Kohlhaas am 08. März 2022