Schleimspur zum Futternapf
oder: Warum Schneckenkragen und Schneckenzäune vielleicht regelmäßig abgewaschen werden sollten.
Heute möchte ich eine Beobachtung mit Euch teilen, die ich seit ungefähr zwei bis drei Jahren mache: Meine Schneckenschutzringe scheinen kaum mehr einen Schutz vor Schnecken zu bieten, ja, fast kommt es mir so vor, als würden die Pflanzen in den Schneckenkragen sogar bevorzugt von den Schleimern abgefressen.
Da ich mir bis jetzt nicht die Zeit genommen habe, diesen Eindruck einem gründlichen Realitätscheck zu unterziehen, bitte ich Euch, ihn vorläufig nur als „möglicherweise zutreffend“ anzusehen.
Vielleicht könnt Ihr aber über ähnliche Erfahrungen berichten; dann würde ich mich über entsprechende Kommentare freuen…
Zumindest bin ich in diesem Jahr schon mal auf eine Erklärung für dieses (mögliche) Phänomen gestoßen.
Wie Schneckenkragen Pflanzen schützen
Bevor ich Euch meine Beobachtungen und Erklärungen nahebringe, möchte ich doch noch einmal kurz zusammenfassen, auf welche Weise Schneckenschutzringe (höchstwahrscheinlich) Pflanzen vor Schnecken schützen. Ausführlich habe ich mich damit schon 2018 befasst, als ich die Schutzringe frisch gekauft hatte; Ihr müsst nur „Schneckenkragen im Test“ lesen…
Viele Anwender:innen von Schneckenkragen sind ja der Meinung, dass der nach unten gebogene, abstehende Rand, der die Schneckenkragen auszeichnet, die Schnecken davon abhält, an die schützenswerten Pflanzen zu gelangen. Sie glauben, dass Schnecken diesen Rand nicht überwinden können, weil sie nicht kopfüber kriechen könnten und/oder vom Rand abstürzen würden.
Das ist jedoch ein vollkommener Irrglaube, den jede:r leicht selbst als solchen erkennen kann, wenn er und sie einmal Schnecken beobachten würden (in der Wikipedia kann man diese Glaubenssätze noch unter „Schneckenzaun“ und „Schneckenbekämpfung“ finden; bei „Schneckenkragen“ habe ich einen vor Zeiten entfernt. In „SOS – Save Our Slugs!“ musste ich diese tief verankerten Vorurteile einfach mal auf die Schüppe nehmen… Sorry!)
Aber mal im Ernst: Bis ich mit eigenen Augen sehen konnte, dass Schnecken ohne Probleme in den Schutzring hineinkriechen können, dass der nach unten gebogene Rand also von den Schnecken ohne besondere Mühe überwunden werden kann, war ich selbst ein Anhänger des besagten Irrglaubens (nicht, dass Ihr denkt, ich hätte immer schon alles gewusst).
Auf jeden Fall ist klar, dass die angebliche Unüberwindbarkeit des Kragens nicht der Grund dafür sein kann, dass Schneckenkragen nützlich sind; denn sie schützen wirklich. Das habe ich selbst vielfach festgestellt und wird auch von anderen Gärtner:innen bestätigt.
Die Schutzwirkung der Schneckenkragen führe ich darauf zurück, dass die Schnecken den Geruch der Pflanzen, von dem sie angezogen werden, unter dem Kragen nicht mehr wahrnehmen können und dann dort ziellos, ungerichtet weiterkriechen bzw. sich einer neuen Geruchsquelle zuwenden (das ist selbstverständlich nur eine Hypothese, die durch exakte Versuche noch zu beweisen wäre…)
Schnecken gelangen deshalb nur ab und zu durch Zufall an die Pflanzen im Innern des Schutzrings; aber es passiert…
Die Schutzwirkung der Schneckenkragen scheint mit der Zeit nachzulassen
Nun aber mal zu meiner Beobachtung, dass die Schutzwirkung der Kragen anscheinend mit der Zeit nachlässt.
Im Jahr 2022 hatte ich rund um eine größere Fläche im Vorgarten Bambusstangen aufgestellt und mit Wäscheleinen präpariert, um daran Stangenbohnen zu ziehen. An ca. 30 Stellen legte ich drei bis fünf Bohnen aus und schützte sie jeweils mit einem Schneckenkragen.
Ich hatte zwar den Bewuchs auf einer Seite der Stangen ungestört wachsen lassen, weil ich mich an den Blüten der Akeleien zu erfreuen hoffte, die dort zahlreich gekeimt waren; aber selbstverständlich habe ich darauf geachtet, dass keine Pflanzen mit den Schneckenringen in Berührung kamen.
Nachdem die Bohnen wunderbar aufgegangen waren und mir schon eine gewisse Vorfreude zu Kopf steigen wollte, vernichteten die Schnecken in kürzester Zeit sämtliche Hoffnungen auf eine reiche Bohnenernte, vor allem meiner geliebten, roten Bohnen, die durch eine Zufallskreuzung entstanden waren und die ich zu einer eigenen Sorte entwickeln wollte.
Eine einzige Bohnenpflanze erholte sich im Laufe des Jahres vom Verbiss und erhielt mir die Sorte „Spatzeneier“.
Warum trotz der Schneckenkragen kaum Pflanzen überlebten, wunderte mich zwar, blieb mir jedoch ein Rätsel, zu dessen Lösung ich keinen Gedanken verschwendete.
In diesem Jahr dann aber das gleiche Spiel: Alle von den Schnecken erreichbaren Pflanzen wurden restlos beseitigt, obwohl sie mit Schutzringen gesichert waren – wie ich annahm.
Mir fiel jedoch auf, dass zwei Pflanzen, denen ich keinen Schutzkragen mehr hatte zugute kommen lassen können (siehe obiges Bild), (anfangs) weniger unter den Schnecken zu leiden hatten als diejenigen, die ich mit Ringen gut geschützt zu haben glaubte.
Hinterlassen Schnecken Botschaften in ihrem Schleim?
Dieser auffällige Unterschied zwischen geschützten und ungeschützten Pflanzen, der den Erwartungen klar widersprach, erstaunte mich und brachte mich auf folgenden Gedanken: Könnte es sein, dass Schnecken, die einen guten Futterplatz entdeckt hatten, auf dem Weg zurück in ihr feuchtes Versteck ein „Glückshormon“ in ihrer Schleimspur hinterlassen?
Ein solcher Stoff würde ihnen und ihren Artgenoss:innen (hier macht das Geschlechterzeichen Sinn, da Schnecken Zwitter sind) helfen, beim nächsten Ausflug den Weg zum Buffet schneller und sicherer zu finden. Ich finde es nicht so abwegig, dass Schnecken in ihren Spuren auch Informationen hinterlassen, die gerade bei ihrer langsamen und energie-intensiven Fortbewegungsweise außerordentlich wertvoll wären…
Da meine Schutzringe nun schon einige Jahre im Einsatz sind und es immer wieder passiert war, dass Schnecken in die Kragen gelangt waren und dort an meinen Pflanzen geraspelt hatten, könnte es möglich sein, dass die Kragen mittlerweile zahlreich von Schleimspuren überzogen sind, die den Schnecken mitteilen: „Hallo, Kumpel, hier lang gehts zu reichen Weidegründen!“
Schnecken haben ja „Schmeck- und Tast-Fühler“ – das sind die kleineren Fühler unten am Kopf – und „Riech- und Augen-Fühler“ – die großen Fühler, die sie oben an ihrem Vorderende tragen („Die Sinnesorgane der Schnecken“). Mit Hilfe ihrer Fühler, vor allem der kleinen, unteren, müssten sie Botschaften „auslesen“ konnen, die im Schleim enthalten sind – würde ich meinen.
Der kurzfristige Erfolg, den Stoffe, wie Kaffeesatz, Sägespäne oder sonstige Pulver, bei der Abwehr von Schnecken zeigen, wenn sie um Pflanzen oder Beete herumgestreut werden, könnte auf den Effekt zurückzuführen sein, dass die richtungsweisenden Schleimspuren durch sie unterbrochen werden und die Schnecken dadurch die Orientierung verlieren. Erst nach einem Regen schmecken die Hinweisstoffe wieder durch…
Tja, eine ganz nette Theorie, findet Ihr nicht?
Schnecken hinterlassen Botschaften in ihrem Schleim!
Ich hätte diese Gedanken nicht für der Rede wert gehalten, wäre ich nicht zufällig auf ein Editorial des „Laborjournal“ gestoßen, das mit „Schlaue Schleimereien“ überschrieben ist und sich um Forschungen dreht, die erstmal abwegig erscheinen. „Nehmen wir etwa das Beispiel Schneckenschleim. Warum sollte irgendein Forscher sich ausgerechnet dafür sein Hirn verbiegen und die Hände schmutzig machen? Und vor allem: Welche großen Fragen würde er mit Erkenntnissen über Schneckenschleim wohl schon erklären helfen können?…“
Es ging bei der wissenschaftlichen Forschung, die Anlass zu dem Editorial gab, zwar um eine andere Frage, aber die Antwort zeigte eindeutig, dass Schnecken Schleimspuren „lesen“ können: „Am Ende ihrer Untersuchungen konnten sie tatsächlich festhalten, dass die Schneckenmänner den Schleimspuren der weiblichen Individuen ihres eigenen „Typs“ jeweils derart verwechslungsfrei folgten, dass Paarungen zwischen den beiden Subpopulationen – und damit die genetische Rückvermischung – um über 80 Prozent reduziert waren.“
Schnecken scheinen also tatsächlich Nachrichten, die im Schleim stecken, auswerten zu können…
Warum also nicht auch Hinweise auf gute Futterstellen?
Eine weitere Erkenntnis, die Schneckenforscher:innen zutage förderten und auf die das Editorial hinwies, ist, dass Schnecken gern schon vorhandene Schleimspuren nutzen, da sie auf diesen „fertigen“ Bahnen weniger Eigenschleim erzeugen müssen und somit schneller und energiesparender vorankommen.
Ein weiterer Grund für das Verhalten, auf vorhandenen Schleimspuren zu wandeln, könnte eben auch sein, dass die Spuren wichtige Hinweise enthalten…
Spuren verwischen
Nun, was wäre zu tun, wenn all diese Gedanken richtig wären?
Genau, wir sollten diese informativen Schleimspuren verwischen!
Ich habe sofort einen Teil meiner Schneckenkragen gründlich gewaschen, um die geheimen Informationen zu entfernen, die sie womöglich trugen.
Anschließend schienen meine Melonen von den Schutzringen wieder geschützt zu werden; in der Nacht zuvor waren die Schnecken trotz Schutzkragen hemmungslos über sie hergefallen, justament so, als hätte sie jemand dazu eingeladen…
Mein abschließender Tipp lautet also: Die Schneckenkragen (und auch Schneckenzäune) ruhig ab und zu mal gründlich abwaschen!
Im kommenden Jahr werde ich diesen theoretischen Überlegungen einen etwas exakteren Versuch mit gewaschenen und ungewaschenen Schutzringen folgen lassen, um genauer festzustellen, ob Schnecken in ihren Schleimspuren wirklich „Likes“ für Restaurants hinterlassen, die ihnen gefallen haben.
Vielleicht beflügelt mein Bericht ja auch die universitäre Schneckenforschung, sich mit dieser schleimigen Angelegenheit zu befassen…
Sehr interessant, das klingt wirklich plausibel! Mir war´s zu blöd. Nachdem die Schnecken fast alle meine Chili-Zöglinge gevespert hatten, waren die guten Vorsätze dahin und ich habe Schneckenkorn gekauft. Eine Pflanze gerettet und genug Chilis für die nächsten 3 Jahre
Hallo „Queen All“ Vanessa, danke für Deinen Kommentar!
Habe mir erlaubt, Deinem Link zu folgen und mit einigem Spaß einiges zu lesen (hätte mehr gelesen, wenn ich mehr Zeit übrig hätte)…
Hast Du Schneckenkragen ausprobiert oder sahen sie Dir im Garten nur zu blöd aus?
Im Garten muss man auch etwas großzügig sein und seinen Mitlebewesen abgeben können; dann lassen sie auch etwas für die Gärtner:innen übrig.
Also, beim nächsten Mal mehr Chilis aussäen und auspflanzen, damit Du für die eine Chili weder Schneckenkragen noch -korn brauchst…
Viele Grüße
J:)rgen
Das war sehr interessant und hilfreich! Danke!
Ja, gefiel mir auch sehr. Bin gespannt auf Fortsetzung.
Sehr schön geschrieben.. ich musste immer wieder schmunzeln. Und… deine Theorie klingt ziemlich plausibel.. halte uns doch bitte auf dem Laufenden. LG Tanja
Danke, Tanja, mach‘ ich!