Tomaten wecken
oder: Wie ich meine Tomatensorten in diesem Jahr vorgezogen habe.
Heute war es (endlich) wieder soweit: der Wohnzimmertisch wurde zweckentfremdet, um dem (im Vergleich zu meinen paar Menschenjahren) unendlichen Kreislauf des Lebens eine neue Runde hinzuzufügen.
Wie schon im letzten Beitrag berichtet, hatte ich am Dienstag einen 45l-Sack mit Kompost (torffrei!) aus dem Baumarkt nach Hause geschafft sowie 10l Sand bei passender Gelegenheit eingesackt. Ich wollte den fetten Kompost mit dem Sand ein wenig strecken; denn Anzuchterde sollte nicht zu reichlich gedüngt sein – möglicherweise, um den jungen Keimlingen nicht das Schlaraffenland vorzugaukeln. Sie sollen sich zumindest erst einmal auf ein hartes Dasein einstellen, in dem man nur mit zahlreicher Nachkommenschaft überleben kann. Über „Fettlebe“ können sie sich später immer noch freuen – und dann mit einer freudig erbrachten Gegenleistung in Form von reichem Fruchtertrag danken.
Was brauchte es noch außer Anzuchterde, um den gelisteten 20 Tomatensorten eine Startrampe ins Leben zu bauen?
24 ausgediente Plaste-Blumentöpfchen, in den letzten Jahren auf verschiedenen Friedhöfen gesammelt, ebenso viele Markierungsstäbchen, die Samentütchen sowie meine Liste, in die ich alle Sorten eingetragen und mit einem Buchstaben des Alphabets zusammengebracht hatte (die Zahlen am Ende jeder Zeile bezeichnen die Anzahl der Pflanzen, die ich im Folientunnel aufzuziehen gedenke).
Die Liste noch einmal zum Ausdrucken (die Nummern 1, 5, 6 und 11 bis 20 sind erstmalig angebaute Sorten):
- Flachrunde Rote (von Roland als Frucht erhalten, 2015) – 1
- Green Zebra (Nachzucht, 2012) – 1
- Pink Ponderosa (Nachzucht, 2010) – 1
- Paul Robeson (Originalsamen, 2013) – 2
- Dunkelgelbe (Frucht in Criewen gekauft, 2015) – 2
- Mallortina oder Martinorca? (von Martina aus Mallorca mitgebracht, 2015) – 2
- Berner Rose (Nachzucht, 2013) – 2
- Vesennij Mitschurinskij Mieurinskij (Nachzucht, 2015) – 2
- SuperEO (Nachzucht, 2012) – 2
- Schwarze Krim (Nachzucht, 2015) – 2
- Stupicé (von M. Hahm-Hartmann) – 2
- Virginia Sweets (wie vor) – 2
- Brandywine Pink (wie vor) – 2
- Brandywine Sudduth (wie vor) – 2
- Sandul Moldovan (wie vor) – 2
- Kazahk Schalavije (wie vor) – 2
- Bulgarian Triumph (wie vor) – 2
- Rosa de Barbastro (von Manuel) – 2
- Çanakkale Domates (wie vor) – 1
- Bulgarische Fleisch (wie vor) – 1
Zuerst wurden die Markierungsstäbchen von der letztjährigen Beschriftung befreit und mit je einem Buchstaben sowie einer Kurzform des Sortennamens neu beschriftet. Als nächstes häufte ich eine größere Menge Kompost auf den Wohnzimmertisch, eine nahezu gleich große Menge Sand dazu und mischte beides intensiv durch.
Nun begann ich die Töpfchen mit diesem Gemisch randvoll zu befüllen und steckte je ein Stäbchen dazu.
Dann setzte ich mich gemütlich an den Tisch, das Buch mit der Sortenliste in Blickweite, die Samentütchen griffbereit und atmete tief durch. Einen Moment Konzentration: ich habe es in der Hand, ich gebe neuem Leben eine Chance.
Ich nehme einen Topf, drücke die Erde ein wenig fest, glätte dabei die Oberfläche, greife mir das Samentütchen, das durch den Buchstaben auf dem Stäbchen bestimmt wird, öffne es, schütte mir fünf bis zehn Samenkörner auf die Hand und verteile diese möglichst gleichmäßig auf der Erde.
Nun bedecke ich die Samen mit einer fingerdicken Schicht von dem Erdgemisch, das noch vor mir liegt – bei Tomaten muss man nicht zu vorsichtig sein; sie haben robuste Keime, die ich schon aus einer Tiefe von fast 10cm zum Licht habe vordringen sehen. Ich drücke die Erde noch einmal schön fest, dann kommt das nächste Pöttchen an die Reihe.
So geht es 20 mal, dann stehen alle Töpfchen mit Samenkörnern bestückt vor mir auf dem Tisch.
Achtung, jetzt wird’s pathetisch!
Die Samen mit Wasser in Kontakt zu bringen, ist fast ein göttliches Gefühl: ich erwecke Pflanzen zum Leben! (OK, ich erwecke sie nicht – sie sind ja nicht tot; aber ich wecke sie schon)
Jeder Topf wird ganz vorsichtig (um die Samen nicht freizuspülen), aber gründlich gewässert, auf den vorbereiteten Anzuchttisch gestellt und von nun an der göttlichen Obhut überlassen; ich erfülle nur noch Hilfsdienste, indem ich hin und wieder den Regen durch die Gießkanne ersetze.
Ich werde nun nur noch jeden Tag mehrmals an den Tisch herantreten, um keinen Moment des wunderbaren Lebensprozesses zu versäumen: ich will sehen, wie sich die Stengelchen nach vier bis sieben Tagen aus der Erde krümmen, wie sie die beiden Keimblätter nachziehen – manche Blättchen können sich nicht aus der Samenhülle befreien und beenden schon in diesem frühen Stadium ihr Leben – die meisten aber tragen die Hülle noch eine Zeitlang auf der Spitze eines der Keimblätter, wie sie die Stengel dann aufrichten, die Keimblätter entfalten, und wie es dann nicht mehr lange dauert, bis aus ihrer Mitte die ersten echten Blätter hervorwachsen.
Diesen Prozess werde ich in diesem Jahr einmal gründlich dokumentieren, indem ich jede Woche ein Bild ihrer Entwicklung hier posten werde.
hallo
und wie war der Ertrag?
Am meisten intressiert mich die Canakkale tomate ( R )?
oder was war für sie die beste Ernte?
hallo theo,
die Canakkale-Tomate ist eine gut aussehende, ertragreiche Tomate, die aber in dem Jahr keine Punkte beim Geschmackstest machen konnte; hier kannst Du alles über die Tomatenernte von 2016 erfahren.