Versunkene Kultur
oder: Wie der Samenbau aus den Gärten verschwand.
Heute unternehme ich einen kleinen Streifzug durch die Geschichte: Anhand von Beispielen aus Gartenbüchern zeige ich, wie die Samengewinnung im eigenen Garten von etwas Selbstverständlichem zu etwas Unnötigem oder gar Schädlichem (gemacht) wurde. Wenn Ihr den Beitrag bis zum (bitteren) Ende lest, könnt Ihr verfolgen, wie elementares Wissen langsam verschwindet; gleichzeitig erfahrt Ihr dabei aber die wenigen Grundregeln, die bei der eigenen Samenzucht zu beachten sind.
So hoffe ich, die Vergangenheit fruchtbar mit der Zukunft verbinden zu können.
Die Menschheitsgeschichte fing mit Adam und Eva an; deshalb fange ich auch mit ihnen an.
Die Vertreibung aus dem Paradies
Dass man die Samen einer erwünschten Pflanze aufbewahren und an anderer Stelle oder zu anderer Zeit wieder aussäen konnte, um wieder die gleichen Pflanzen wachsen zu lassen, war die Erkenntnis, die zur „Vertreibung“ des Menschen aus dem Paradies führte. Der Mensch hatte die verbotene Frucht vom „Baum der Erkenntnis“ gegessen.
Bis zu dieser „Grenzüberschreitung“ lebten die Menschen als Sammler und Jäger (glücklich) im Paradies und ernährten sich ausschließlich von dem, das „Gott“, der „Garten Eden“ bzw. die „Natur“ ihnen zur Verfügung stellte. Um diesen Status quo zu wahren, ist jede weiterführende Erkenntnis verboten.
Mit der „Augenöffnung“ nahm der Mensch zum ersten Mal gezielt Einfluss auf die natürlichen Abläufe und bestimmte sie (mit), er machte sich langsam frei von der göttlichen Versorgung. Damit begannen leider auch die Leiden der Zivilisation: „So ist verflucht der Ackerboden um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst von den Pflanzen des Feldes leben. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist.“ (Genesis, 3,17-19)
Erkenntnis bedeutet Fortschritt: Mehr Menschen konnten dank der Erkenntnis von der Funktion des Samens von gärtnerischem Anbau und letztlich unter Zuhilfenahme von Tieren vom feldmäßigen Anbau leben. Eigenes Saatgut, d. h., Samen und Pflanzenteile, die bewusst von der Ernte aufbewahrt werden mussten, waren jahrtausendelang die zentrale Bedingung für einen Anbau im folgenden Jahr und somit für das Überleben der Menschheit.
Erst mit weiteren Erkenntnissen, mit der Industrialisierung des Ackerbaus, der produktivitätssteigernden Arbeitsteilung (Spezialisierung) und der Verteilung aller Erzeugnisse durch den „Markt“ verschwand das eigene Saatgut aus der gewerblichen Landwirtschaft.
Warum verschwand es auch aus den privaten Hausgärten?
Altes Wissen ausgraben und erhalten
Neulich habe ich mir doch endlich auch mal ein paar alte Garten-Bücher gekauft (und nicht nur solche über Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung). In „alten“ Büchern lese ich gern, weil ich aus ihnen erfahren kann, wie die Dinge früher gehandhabt wurden.
In meinen neu erworbenen, alten Büchern interessierte mich vor allem, was dort über die Samengewinnung geschrieben steht. Da ich Bücher aus einem Zeitraum von genau 100 Jahren erwerben konnte (1881, 1898, 1922, 1936, 1948, 1950 und 1981), bin ich auf eine interessante Entwicklungslinie gestoßen, die ich nachfolgend dokumentieren will.
Als ich daranging, diesen Beitrag zu formulieren, wollte ich mehr über den Autor meines ältesten Büchleins von 1881 wissen und befragte deshalb das Internet nach ihm; dabei stellte sich heraus, dass er sein Werk erstmalig 1859 veröffentlicht hatte und dass diese Ausgabe in der Deutschen Gartenbaubibliothek digitalisiert zu lesen ist.
Und nicht nur sein Buch; ich fand dort zahlreiche alte Bücher über Gartenbau digital versammelt, die ich dann hinsichtlich meines Themas auswerten konnte.
Ich hatte schon anhand der Bücher, die ich gekauft hatte, erkennen können, dass sich der Blick auf die eigene Samenerzeugung im Laufe der Zeit veränderte; aber je mehr Bücher ich zu diesem Thema studierte, desto deutlicher ließ sich diese Veränderung herausarbeiten.
Folgendes habe ich dabei vorausgesetzt: Die Ausführungen in den Büchern beschreiben immer die „Gute Praxis“ oder sogar die „Beste Praxis“, also das allgemein anerkannte und verbreitete Wissen sowie die erprobten Vorgehensweisen der jeweiligen Zeit.
Die einzige, Jahrtausende alte Grundregel der eigenen Saatguterzeugung
In einem der frühesten Werke (von 1674) fand ich nur eine einzige Regel vermerkt, die bei der Samengewinnung zu beachten sei; ich dokumentiere sie am Beispiel der Möhren:
„Mohr-Rüben oder gelbe Wurzeln.
Werden jetzo auch im Majo gesäet / wollen eine sandig und etwas lehmichte Erde haben / das Land dazu muß Knie tieff auffgehackt und umbgraben werden / damit sie sich lang strecken können.
Sie sind aber deren verschiedene Arten / aber unter allen die rothgelben die besten.
Den Saamen zu erlangen / läst man etliche den Winter über im Garten stehen / die dann das folgende Jahr in Saamen schiessen; Jedoch ist es besser und gewisser / daß / wenn sie auffgenommen werden / die grösten und besten zu Saam-Wurtzeln außsamlet / des Winters in Keller im Sande verwahret / und im Frühling zur Besaamung wieder in die Erde versetzet.“
(Petrus Nylandt: Der Sorgfältige Haushalter oder Gründliche Anleitung zum Garten-Bau, Osnabrück, 1674, S. 75)
Die größten und besten Exemplare einer Nutzpflanzenart galt es für die Samengewinnung zu nutzen. Das war der Weg, auf dem die Menschheit bis dahin ihre nutzbaren Pflanzen erhalten und verbessert hatte. Mehr zu wissen, war nicht wirklich nötig.
Samen zu kaufen, wird 1674 nirgends erwähnt.
Saatgut wird zur Ware
Nach der Französischen Revolution 1789, dem ersten machtvollen Aufscheinen des wissenschaftlich-technischen, marktwirtschaftlichen Zeitalters, nahmen die Bestrebungen zur Steigerung der Produktion ständig zu. Dies führte zur Spezialisierung auf allen Gebieten und zur Bildung größerer, gewerbsmäßiger Produktionseinheiten. Mehr und mehr Gebrauchsgüter wurden zu (Handels)Waren, die getauscht werden mussten.
Die Entwicklung von der Selbstversorgung zur Versorgung durch den Markt ist sehr schön an den Darstellungen über die Saatguterzeugung in den alten Büchern nachzuverfolgen (alle Zitate stammen aus den alten Büchern, die ich für diesen Beitrag ausgewählt habe, und sind unten in ihrem Zusammenhang zu lesen).
Johann Ludewig Mansa rät 1802, „daß man sich von sicherer Hand den Saamen, welchen man nicht selbst bauen kann, verschaffet;“
Man sollte also Samen selbst gewinnen; nur wenn dies aus irgendeinem Grunde nicht möglich war, sollte man ihn aus vertrauenswürdiger Quelle kaufen. Die Samengewinnung wird anschließend kurz und bündig beschrieben.
1814 ist bei Johann Ludwig Christ zu lesen: „Auch der ehrlichste Saamenhändler, der zumal im Großen verkauft, kann seine Käufer unwissend hintergehen, da er seine Samen unmöglich alle selbst erziehen kann, und leicht von andern kann hintergangen werden, die in der Erziehung desselben keine Vorsicht gebrauchen, oder die Sache nicht verstehen. – Ohne nun hiebey die Kosten für die Sämeryen in Anschlag zu nehmen, ist es am sichersten, wenn man sich seinen Saamenbedarf selbst erziehet, das eben so beschwerlich nicht ist, da man sich auf mehrere Jahre damit versehen kann.“
Nun ist es schon umgekehrt: Man kann den Samen eigentlich kaufen, aber sicherer ist es, ihn selbst zu gewinnen. Wissentliche und unwissentliche Betrügereien kommen zu häufig vor (am Horizont kündigt sich die Notwendigkeit einer Saatgut-Kontrolle an – so wie heute möglicherweise beim Internet-Samenhandel). Herr Christ breitet seine Ratschläge zum Samenbau deshalb ausführlich aus.
Die Selbstversorgung mit Saatgut geht dem Ende entgegen
1866 ist die eigene Samengewinnung für Ludwig Schröter eigentlich schon völlig unnötig: „Bei dem niedrigen Preise, der für dergleichen Samen gestellt, und bei so bewährten Quellen, aus denen dieselben zu beziehen sind und wo alle Sorgfalt auf ihre Anzucht verwendet wird, ist es nur anzurathen, den Bedarf, der doch in den Hausgärten immer nur ein geringer ist, dort zu kaufen, um sicher in dem Erfolge zu sein.“
Er ist aber so freundlich, die überflüssige Kunst der Samengewinnung wenigstens noch kurz vorzustellen: „Doch will ich nicht unerwähnt lassen, wie dieser und jener Same gewonnen wird, um den Gartenfreund und angehenden Gärtner einigermaßen auch damit vertraut zu machen.“
Bis 1898 ändert sich an dieser Haltung nichts; auch Phillip Held ist der Meinung: „Im allgemeinen ist die Samenzucht nur dann anzuraten, wenn sich Klima, Boden und Lage hierzu eignen. Man experimentiere besser nicht bei zweifelhaften Sorten, sondern beziehe seinen Samen lieber von einer soliden Handlung.“, stellt aber die Samenzucht dann ebenfalls noch im Schnelldurchlauf dar.
1922 werden dann die Regeln für den eigenen Samenbau vollständig unterschlagen; denn für Arthur Janson ist völlig klar: „Für den Liebhaber im Gartenbau ist es nicht empfehlenswert, seinen Samenbedarf selbst zu züchten, sofern es sich um Gewächse des Nutzgartenbaues, vornehmlich um Gemüse, handelt.“
Und warum?
„Diese variieren nicht nur sehr stark, sondern ihr Wert verringert sich auch ohne Fremdbestäubung sehr stark, weil Edelsorten schnell Rückschlag in die Urform, also in minderwertige Formen, zeigen. Der Samenzüchter auf diesem Gebiete bedarf umfangreicher, vielseitigster Erfahrung auf diesem Gebiete, um einer Nutzsorte das zu geben, was ihr den praktischen Wert gibt.
Andererseits ist die Gefahr im beschränkten Raume des Liebhabergartens groß, daß Fremdbestäubung nicht nur unter den verschiedenen Sorten, sondern auch Arten eintritt, also eine Bastardierung, die in den meisten Fällen minderwertig ist.
Aber auch da, wo alle diese Hindernisse einer erfolgreichen Samenzucht nicht vorliegen, also Samen unbedenklich für das nächste Jahr gewonnen werden kann, sollte wenigstens in Abständen von vier bis fünf Jahren Samen aus neuer Quelle gekauft werden; denn ebensosehr, wie einmal der Boden bei immer erneuter Verwendung müde wird, erschöpft sich auch die Kraft, die Widerstandsfähigkeit des Samens.“
Eine Darstellung der Samenproduktion ist somit überflüssig; aber es wird noch ausführlich begründet, warum sie unterbleibt.
Der Umbau der Gesellschaftsordnung ist abgeschlossen; die Selbstversorgung (auch mit Saatgut) ist durch die Marktversorgung ersetzt worden: Gärtner:innen werden von spezialisierten Erzeugern mit Samen versorgt.
Der niedrige Preis, die Glaubwürdigkeit und die Sorgfalt des Spezialisten werden 1866 als Grund für den Samenkauf angeführt; 1922 müssen die Naturgesetze als Begründung herhalten, das Saatgut lieber nicht selbst zu gewinnen: Edelsorten schlagen schnell zurück in die Urform, d. h., in minderwertige Formen, Arten mischen sich miteinander, durch dauernden eigenen Nachbau des Saatguts erschöpft sich seine Kraft, seine Widerstandfähigkeit.
Geradezu lächerlich falsche, an den Haaren herbeigezogene Gründe, die leider bis heute zu den festen Grundüberzeugungen vieler Gärtner:innen gehören.
Aus und vorbei, der Handel liefert das Saatgut
Ab 1930 wird dann nicht einmal mehr begründet, warum man sein Saatgut nicht selbst erzeugt: Samen werden selbstverständlich, wie alles andere auch, gekauft; teilweise wird der notwendige Kauf nicht einmal mehr erwähnt, sondern stillschweigend vorausgesetzt und ist somit nur indirekt zu erschließen.
Von Saat und Saatgut
Den Samen beziehen wir vom Händler. Freundliche Nachbarn werden uns gerne eine bewährte Bezugsquelle verraten, und es gibt genug Firmen, die mit größter Bereitwilligkeit ihre meist reich bebilderten, umfangreichen Verzeichnisse abgeben. Da wird uns mit Dutzenden Sorten aufgewartet, und Hunderte von Namen schwirren durcheinander. Wieder hilft uns der freundliche Nachbar und nennt uns jene Sorten, die sich nach seiner Erfahrung für unsere Gegend besonders eignen, und gibt uns sicher gleich manchen Hinweis für die erfolgreiche Pflege.
(Alexander Meier: Wenn du einen Garten hast. Das Buch für alle, die Erfolg im Garten wollen, 1936; S. 28)
Die Saat
„Schlecht gewordenen Samen sollte es bei den bekannten Firmen des Samenhandels heute eigentlich nicht mehr geben.“
Fritz Caspari: Fruchtbarer Garten. Naturgemäße Gartenpraxis, 1948; S. 112)
Das Säen
„Dann besorgen wir uns rechtzeitig den notwendigen Samen, damit wir ihn zur Hand haben, wenn wir ihn brauchen.“
Martha Schmidt-Theile: Das Grüne Gartenbuch. Ein Gartenbuch für jedermann, 1950; S. 32)
So bleibt das bis in neueste Zeit; auch 1981 heißt es noch:
Die Aussaat
Das Saatgut macht mit Ausnahme von Erbsen und Bohnen nur einen geringen Anteil der Gesamtkosten oder vom Wert des späteren Ernteguts aus. Daher nicht am falschen Platz sparen und etwa selber angezogenes Saatgut verwenden. Das beste und frischeste Saatgut ist gerade gut genug und bereitet die wenigsten Enttäuschungen. Nur bei Gurken, Erbsen, Bohnen, Radieschen, Rettichen und Kresse Saatgutreste ein, zwei Jahre aufheben. Alles übrige Saatgut sofort nach der Aussaat verschenken oder den Vögeln verfüttern.
(Karl-Heinz Mücke: Der Intensivgarten. Höchstertrage von kleinster Fläche im ganzen Jahr, 1981; S. 45)
Erst danach wird Saatgut aus dem eigenen Garten ganz langsam wieder ein Thema; 1982 erscheint ein erstes Buch dazu: Bernward Geier: Biologisches Saatgut aus dem eigenen Garten, Synthesis-Verlag, das 1996 noch einmal neu aufgelegt wurde; aber erst in letzter Zeit mehren sich wieder die Veröffentlichungen dazu. Ich habe sie in Samen gewinnen“ zusammengestellt.
Altes Wissen als Quell zukünftiger Hoffnung
Solange der Nutzgarten noch einen (bedeutenden) Teil zur Versorgung mit Nahrungsmitteln beitragen musste, ist es nachvollziehbar, wenn ein größeres Gewicht auf den Maximal-Ertrag gelegt wurde. In Analogie zur gewerblichen Landwirtschaft wurde aus diesem Grunde auch in privaten Hausgärten das Saatgut von „Hochleistungspflanzen“ verwendet; denn eigenes, angepasstes Saatgut verspricht bestenfalls einen guten und sicheren Ertrag.
Aber heute sollte bei den allermeisten Hobby-Gärtner:innen der Maximal-Ertrag nicht mehr im Vordergrund stehen.
Der eigene Samenbau und „die unverfälschte Freude an der Züchtertätigkeit ohne finanzielle Ziele“ (A. Janson) darf sich heute auch auf Nutzpflanzen erstrecken, vor allem, wenn dadurch die genetische Vielfalt dieser, für die Menschheit überlebenswichtigen Pflanzengruppe bedeutend vermehrt wird.
Heutige Selbstversorger:innen können mit jedem (keimfähigen) Saatgut mehr als genug ernten (zur Autarkie reicht es ohnehin nicht).
Damit die Selbstversorgung mit Saatgut wieder Einzug in die Gärten hält und so selbstverständlich wie früher wird, präsentiere ich nachfolgend wortwörtlich die Angaben aller ausgewählten Autoren zum Samenbau. Man sieht dabei, dass es sich nur um wenige (Vorsichts)Maßnahmen handelt, die bei der eigenen Samenzucht zu beachten sind.
Manche Autoren stellen sie übersichtlich und stichpunktartig zusammen, andere beschreiben sie ausführlich, aber die Ausführungen wiederholen sich im Grunde. Doch ich finde ihre Sprache und auch die alte Rechtschreibung so interessant und bemerkenswert, dass ich Euch nichts davon vorenthalten will.
Im letzten Kasten erklärt Artur Janson statt der Samengewinnung bei Nutzpflanzen die praktische, gezielte Züchtung bei Zierpflanzen, die bei Nutzpflanzen aber in der Regel genauso funktioniert; deshalb veröffentliche ich sie ebenfalls hier im Wortlaut.
Viel Spaß beim Lesen und dann – hoffentlich (wieder) viel Erfolg bei der eigenen Samenzucht!
Johann Ludewig Mansa: Garten-Katechismus oder Grundregeln zum nützlichen Anbau der Gartengewächse; Verlag Fr. Brummer, Kopenhagen, 1802, S. 4 – 6
Welche Vorsicht hat man beym Saamen zu beobachten?Man muß beym Saamen auf vier Dinge sehen: 1) daß man sich von sicherer Hand den Saamen, welchen man nicht selbst bauen kann, verschaffet; 2) daß man sich mit gehörigem Fleiße Saamen, welchen man selbst bauen kann, vollkommen gut zu verschaffen sucht, und 3) daß man die Ausartung des letztern verhindert, dadurch, daß man ihn mit gleichen Saamen-Arten, welche an fremden Stellen angebauet sind, vertauscht; 4) daß man solchen so viele Jahre über aufhebt, als die Natur jeder Art, ohne daß es dadurch sein Wachstums-Vermögen verlieren sollte, erlauben will; der aufgehobene Saame muß auch mehrere Male im Jahre gesichtet und gut ausgeschwenkt werden, man muß ihn trocken und luftig, aber ja nicht warm halten.§. 15.
Welches sind die Saamen-Arten, welche man in Dännemark nicht selbst gewinnen kann?
Zu den Saamen-Arten, welche man nicht bey uns gewinnen kann, rechnete man bis seit kurzem folgende: Blumenkohl, Basilicum, Maioran, Artischocken und Cardonen oder spanische Disteln. Aber man hat erfahren, daß von ihnen allen in Dännemark Saamen gewonnen werden könne, wenn man sie zeitig in Mistbeete säet und nachher an warme Oerter, wo sie für den Wind geschützt sind, pflanzt. Doch soll der Saame des Blumenkohls 2 bis 3 Jahr alt sein, ehe er ausgesäet wird.§. 16.
Welches sind die Saamen-Arten, welche man nach Verlauf einiger Jahre umtauschen muß?
Man muß alle Kohl- und Salat-Arten, Sellerie, Petersilie und Erbsen, wenn sie dauern und nicht ausarten sollen, umtauschen.
§. 17.
Welche Regeln hat man zu beobachten, wenn man selbst guten und fruchtbaren Saamen gewinnen will?
Um guten und fruchtbaren Saamen zu gewinnen, muß man folgende Regeln beobachten:
1) Man muß einen gelegenen Ort im Garten wählen, welcher der Luft und der Sonne frey ausgesetzt liegt, und fetten, aber nicht frisch gedüngten Boden hat (Gutartiger Sandboden giebt den reinsten und zuverlässigsten Saamen)
2) Wählt man beständig die größten und vollkommensten Stengel, um Saamen davon zu ziehen.
3) Der Stengel, welcher zu Saamen aufschießt, muß angebunden werden, damit ihn der Wind nicht beschädigt.
4) Muß man den Saamen nach und nach, so wie er reif wird, einsammeln, damit sonst nicht zu viel abfallen möge, so wie z. B. Hafer-Wurzeln, Skorzonere und Salat.
5) Kann man die mehrsten Saamen-Arten in ihren Hülsen oder Saamen-Häuschen bleiben lassen, weil sie hierin, bis zum Gebrauche, am besten aufbewahrt werden.
6) Man muß ihn sehr gut reinigen, welches dadurch geschieht, daß man ihn zwischen den Händen reibt, oder ihn gut in einem Tuche ausklopft.
7)Man hebt diesen Saamen an einem Ort auf, welcher nicht feucht ist und wo die wärme keinen Zutritt hat, oder besser noch hängt man ihn in einem trocknen Zimmer in einem leinenen Beutel unter dem Boden auf.
Johann Ludwig Christ: Allgemein-practisches Gartenbuch für den Bürger und Landmann über den Küchen- und Obstgarten, Verlag der Classischen Buchhandlung, Heilbronn, 1814, S. 43 – 49
§17
Vom Saamen: ächte Erziehung desselben : Reinigung und AufbewahrungWie viel beym Gartenbau auf einen ächten guten Saamen ankomme, ist leicht zu erachten. Zeit, Mühe und Kosten sind dahin, wenn man schlechten, oder wohl gar falschen Saamen erhält, das sich gewöhnlich erst spät zeiget, wenn die Pflanzen schon erwachsen, und sodenn das Land unnütz angewendet und die Früchte verloren sind. Auch der ehrlichste Saamenhändler, der zumal im Großen verkauft, kann seine Käufer unwissend hintergehen, da er seine Samen unmöglich alle selbst erziehen kann, und leicht von andern kann hintergangen werden, die in der Erziehung desselben keine Vorsicht gebrauchen, oder die Sache nicht verstehen. – Ohne nun hiebey die Kosten für die Sämeryen in Anschlag zu nehmen, ist es am sichersten, wenn man sich seinen Saamenbedarf selbst erziehet, das eben so beschwerlich nicht ist, da man sich auf mehrere Jahre damit versehen kann.Allein es erfodert gleichwohl viele Aufmerksamkeit und Sorgfalt, vollkommene und gute Saamen zu erziehen. Dabey kommt mancherley in Betracht: und zwar, so muss erstlich beobachtet werden, daß man nur die allerschönsten und vollkommensten Häupter, Rüben etc. und von allen Gewächsen, wovon man Saamen erziehen will, dazu auswähle. Der schönste, festeste Salatkopf, die glätteste und größte Kohlrabi; die ausgebreiteste, kraußeste Blaukohlstaude; die größeste Blumenkohlstaude; der festeste Kohlkopf; die ersten schönsten Schoten von Zuckererbsen, Bohnen etc; die längste, glätteste Mohrrübe, Rettig u. dergl. muß zum Saamentragen bestimmt werden. Ihr sonnenreicher Stand, fetter guter Boden, weiter Raum, guter Bau etc. wird auch vieles zur Vollkommenheit des Saamens beytragen. Sind aber die Saamenpflanzen nicht gut und mangelhaft, so werden sie auch ihre schlechte Eigenschaften ihren Nachkömmlingen mittheilen.Zweytens ist von großer Wichtigkeit, daß man durchaus eine falsche Saamenvermischung vermeide, und deßwegen alle saamentragende Stauden und Gewächse so weit von einander setze, daß ihr Saamenstaub sich nicht mit einander vermischen könne. – Es ist eine ausgemachte, und durch die Naturkundiger erprobte und bewährte Sache, daß alle Früchte, Gewächse und Saamen durch ihren Blüthenstaub befruchtet, und in ihrer Art fortgepflanzet werden, ob schon unsern beschränkten Begriffen das Wie? unergründlich bleibet, wie tausend Sachen in der Natur. Diese Befruchtung durch den Blüthestaub, als dem männlichen Saamen, wird aber gleichsam irre geleitet, wenn man zweyerley Arten Gewächse von einerley Geschlecht oder Familie nahe zusammen setzt, zum Beyspiel Weißkohl oder Kappeskraut zu Wirsching etc. Wenn der Blüthestaub vom Weißkohl auf die Blume des Wirschingkrauts fället, so wird der Saame davon keinen ächten Wirsching bringen, sondern Schläuche, die halb Wirsching und halb Weißkohl sind, und also Bastarde, Bastardpflanzen. Ich will jetzt die Landleute nur an ihre Maulesel, deren sie bisweilen haben oder sehen, erinnern, als welche, wie sie wissen, daraus entstehen, wenn ein Pferd einen Esel bespringt, da es denn kein rechtes Pferd, und keinen rechten Esel gibt, und der unfruchtbar bleibet. – Man muß also zu Erhaltung eines reinen, guten Saamens die verschiedenen Gewächse von einerley natürlichen Familie so weit von einander setzen (und wohl auf 30 und mehr Schritt, wenn es seyn kann), daß ihr Blüthestaub nicht leicht zusammenfliegen kann. So vermischen sich miteinander, wie gemeldet, die Kohlarten; Salatarten; Kohlrabi ober der Erde [unsere heutige Kohlrabi], mit Kohlrabi unter der Erde [heute: Kohlrübe] und mit den übrigen Kohlarten; rothe Rüben mit Runkelrüben; Buschbohnen mit Stangenbohnen; schwarze Rettige mit den weissen, und mit den Radiesen; die Rüben durch einander; Winterendivien mit Cichorien etc.
Ausser diesen unerläßlichen Regeln muß man aber auch, um guten Saamen zu erziehen, für die gute Durchwinterung der zum Saamentragen bestimmten Gewächsen, die erst im zweyten Sommer ihre Saamen bringen, sorgen. – Diese gute Durchwinterung geschieht am gemächlichsten in einem luftigen, gesunden Keller oder sonstigem frostfreyen Gewölbe, da man sie in ganz mäßig feuchten Sand einschlägt. Fehlt es aber an einem solchen guten Behältnis und Keller, so kann man auch für die Kopfkohlarten Gruben machen, und sie darin überwintern. Man wählt den trockensten Platz im Garten, und gräbt allda Gruben von 2 Fuß breit und anderthalb Fuß tief, so lange, als die Menge der Saamenköpfe, nachdem man die rauesten Wurzeln abgehauen, neben einander in die Grube, noch sich unter einander berühren, und drückt alsdann die Strünke in die lockere Erde. Ueber die Grube legt man etliche Stücke Holz in die Quere, und auf solche nach der Länge Bretter, über welche man Kartoffelkraut, Bohnenstroh etc., am besten aber ein oder zwey Fuß hoch Baumlaub decket. die nichts so leicht verfrieren lassen, und wirft die ausgegrabene Erde, wie gewöhnlich, darauf. An beyden Enden aber wird die Grube einen halben Fuß offen gelassen, damit die Luft durchstreichen könne. Tritt sehr starke Kälte ein, so können diese gedachte Oeffnungen eine Zeitlang zugelegt werden.
Die Braun- oder Blaukohlarten halten über Winter im freyen Lande. Kohlrabi, Rüben, Selleri, Rettige etc. durchwintert man im Keller oder in Gruben unter den Kartoffeln; Petersilienwurzen, Möhren, Cichorien etc. in einer trockenen Lage oder im Keller; auch kann man sie vor dem Winter auspflanzen, und sie mit Baumlaub etc. bedecken.
Setzt man im Frühjahr die Saamengewächse aus, so braucht man kein frisch gedüngtes Land zu geben, sondern ein solches, das zum zweytenmal trägt; sonst treiben sie zu stark, und setzen wenig Saamen an, wenn es fruchtbare Witterung gibt. Kann man sie neben an eine Wand, die viel Sonne hat, setzen, so stehen sie da am besten; denn die Sonnenwärme ist das vornehmste Triebwerk im Gewächsreich. Auch darf man sie nicht zu enge zusammensetzen, damit sich die Samenstängel hübsch ausbreiten und zeitigen [reifen] können. Sobald sich diese zeigen, so muß man sie an beygesteckte Pfähle anbinden, daß sie von Wind und Wetter nicht umgeworfen werden. Oefters setzen sich Erdflöhe und Blattläuse an den Saamenstängeln an, welche ihnen viel Tort [Schaden] thun. Um solchen zu begegnen, muß man sie bey warmem Sonnenschein zuweilen mit der Gießkanne besprengen, und wenn sie es arg machen, auch wohl mit zarter Asche, zumal wenn man Tabacksasche hat, etwas bepudern.
Da nun aber die Saamenstängel nicht auf einmal oder zu gleicher Zeit zeitigen, die frühe reifen aber endlich die Schoten aufspringen, und den Saamen verlieren, oder auch die Vögel zusprechen, so muß man sich die Mühe nicht verdrießen lassen, die einzelnen Dolden an den Stängeln, die zeitige Schoten haben, nach und nach abzuschneiden, und zu sammlen. Denn die noch unreifen zu gleicher Zeit mit abzuschneiden, und sich auf das Nachreifen zu verlassen, ist nicht rathsam, da das Nachreifen in der Luft oder auf dem Speicher gewiß nicht so gut ist, als die Reife, welche die Natur dem Saamen an den Stängeln gibt.
Die Einsammlung des zeitigen Saamens muß bey trockener Witterung geschehen, und sodann, was die Stängeln von Kohlgewächsen und anderen, die ihren Saamen in verschlossenen Schoten und Hülsen haben, betrifft, zusammengebunden und auf einem lüftigen Boden aufgehängt oder auf Stangen gelegt werden, da die Mäuse nicht daran können; die aber offene Saamenbehältnisse haben, und der Saame leicht ausfället und verschüttet wird, müssen auf Tische, Tücher oder in offene Kästen zum Nachreifen geschüttet und öfters gewendet werden, wie auch Bohnen, Erbsenschoten, die Saamenköpfe der Möhren etc. – Sollte indessen bey dem Einheimsen der Saamen anhaltendes Regenwetter seyn, so müssen dieselbe desto fleißiger gewendet, und dadurch vor Modern und Schimmeln verwahret, auch wohl bey nachherigem warmen Sonnenschein auf Tücher in denselben geleget werden.
Kann man die Saamen bis zu ihrer Aussaat in ihren Schoten, Hülsen und Kapseln aufheben, so ist es zur Vollkommenheit des Saamens überaus gut. Da es aber nicht immer der Fall ist, daß solches geschehen kann, auch leicht Verwechslung der Saamen entstehen möchte, so darf er doch nicht eher ausgemacht und gereiniget werden, als er gehörig nachgereifet hat, und in den Stängeln etc. nicht die geringste Feuchtigkeit mehr zu spüren ist. Denn in so lange ziehen die Saamenkörner noch alle Feuchtigkeit aus der abgeschnittenen Pflanze an sich. Ist aber diese Periode vorüber, so haben sie alsdann nicht nur schöneres und vollkommeneres Ansehen, sondern sie haben auch zum Keimen und Aufgehen eine viel längere Dauer, und sind auch viel leichter aus ihren Hülsen und Kapseln herauszubringen.
Dieses Ausmachen des Saamens geschiehet auf verschiedene Weise und nach Beschaffenheit desselben. Vieler wird mit den Händen ausgekernet, der meiste aber ausgeklopft. Dazu muß man einen warmen und sonnenreichen Herbsttag oder heitern und kalten Wintertag wählen; denn feuchte Witterung ist diesem Geschäfte äußerst zuwider. Das Ausklopfen selbst wird vermittelst eines glatten runden Stocks, von ohngefehr zwey Fuß lang, auf einem untergelegten Tuch verrichtet. Ist alles wohl ausgedrochen und ausgeschüttelt, so wird es über einem andern Tuch in ein Sieb mit etwas weiten Löchern geschüttet und gereitert, daß die abgeschlagenen Schoten, Hülsen und Kapseln etc. zurückbleiben: worauf der Staub und andere feine Unreinigkeit durchfället, der Saame aber zurückbleibet. Das Uebrige muß durch Schwingen in Mulden herausgebracht werden.
Ein wichtiger Punct zur Erhaltung eines guten Saamens ist die Aufbewahrung desselben, die man aber nicht eher besorgen muß, als bis der ausgemachte oder ausgedroschene Saamen noch etliche Tage in offenen und flachen Gefässen gestanden, und unter öfterem Umrühren recht ab- und ausgetrocknet ist, damit er vor allem Schimmeln und Modern sicher bleiben kann. – Es geschiehet aber die beste Aufbewahrung der Sämereyen in leinenen Säckchen, welche in trockenen lüftigen Kammern aufgehänget werden, da auch die Mäuse nicht beykommen können. Will man Schachteln oder Kistchen zur Verwahrung des Saamens nehmen, so müssen sie Löcher bekommen, daß die Luft dazu kann. Jedes Säckchen oder Schachtel muß seinen Zettel angehängt bekommen, was für eine Art Saamen darinnen, und in welchem Jahr er gesammelt worden. Für Stubenwärme und Rauch muß aller Saame gesichert seyn, als welches ihm höchst nachtheilig ist.
Ludwig Schröter: Die Hausgärten. Eine praktische Anweisung die Gärten neben den Wohngebäuden auszuschmücken, zu unterhalten und zu benutzen. Ein Handbuch für Gartenbesitzer und angehende Gärtner, Verlag Dörffling und Franke, Leipzig, 1866, S. 137
Da die Gemüse theils mehrjährig, teils annuel oder einjährig sind, so ist auch ihre Samengewinnung verschieden. Bei allen ist aber hauptsächlich darauf zu sehen, die Samen rein zu erhalten, um auf eine sichere Erndte der Sorten rechnen zu können. Bei dem niedrigen Preise, der für dergleichen Samen gestellt, und bei so bewährten Quellen, aus denen dieselben zu beziehen sind und wo alle Sorgfalt auf ihre Anzucht verwendet wird, ist es nur anzurathen, den Bedarf, der doch in den Hausgärten immer nur ein geringer ist, dort zu kaufen, um sicher in dem Erfolge zu sein. Doch will ich nicht unerwähnt lassen, wie dieser und jener Same gewonnen wird, um den Gartenfreund und angehenden Gärtner einigermaßen auch damit vertraut zu machen.Das Erndten der Samen einjähriger Pflanzen als z. B. der Erbsen, Bohnen, des Salats u. dgl. ist andrer Art als bei den zweijährigen Pflanzen. Jene reifen ihren Samen im ersten Sommer, während die andern ihn erst im darauf folgenden liefern. Es müssen also hiervon die Knollen, Wurzeln, Köpfe und Zwiebeln der Gemüse den Winter hindurch aufbewahrt und im kommenden Frühjahre wieder in das Land gepflanzt werden. das Pflanzen selbst aber geschieht auf Beeten in Reihen von 1 bis 2 Fuß Entfernung, je nachdem die Pflanzen mehr oder weniger groß werden, darf aber nicht zu zeitig ausgeführt werden, damit nicht eintretende Fröste den ausgesteckten Samenpflanzen Schaden bringen können. Die Ueberwinterung der hiezu bestimmten Wurzeln, Köpfe und Knollen muß in einem luftigen Keller geschehen.Nahe verwandte Arten dürfen nicht zusammen gepflanzt werden, da sie sich gegenseitig befruchten und so der gewonnene Same nicht die reine Art wiedergeben würde. Man wechselt deshalb bei der Auspflanzung der Kohlgewächse mit den Arten ab und pflanzt zwischen den verschiedenen andere Gewächse, so daß die Arten immer entfernt genug stehen, daß eine gegenseitige Bestäubung unmöglich stattfinden kann.Je näher die Samenarten ihrer Reife kommen, um so mehr hat man darauf zu achten, sie zur gehörigen Zeit einzusammeln, indem viele bei ihrer Reife leicht ausfallen; es ist daher rathsam, die ganzen abgeschnittenen Stengel zu einer kurzen Nachreife an warme luftige Orte zu bringen und sich so der Erndte mehr zu versichern, als es an Ort und Stelle geschehen würde.
Die Samen aber müssen während des Winters an trockenen Stellen aufbewahrt werden. Ihre Dauer ist verschieden und die mehrsten behalten ihre vollständige Keimfähigkeit mehrere Jahre hindurch. Ja, einige, wie z. B. die Gurken und die Melonenkerne, dauern sogar 5 bis 6 Jahre und noch darüber und geben durch ältere Kerne eine bessere Erndte, als durch die frischen, welche mehr in das Kraut zu gehen als Früchte zu bringen pflegen.
Zum Schluß mache ich noch auf die Feinde der Sämereien, die Mäuse, aufmerksam, die namentlich den Gurkenkernen besonders nachstellen, weshalb diese vor allem dagegen zu verwahren sind.
Friedrich B. Hoffacker: Der Hausgarten in Stadt und Land. Eine leichtfaßliche Anleitung zum Gartenbau für Besitzer städtischer und ländlicher Hausgärten, Verlag Moritz Schauenburg, Lahr, 1859, S. 55 – 58; der Text folgt der 3. Auflage, 1881, S. 52 – 54)
VIII. Ernte und Samengewinnung
Gewächse, welche sich durch Zartheit auszeichnen sollen, müssen im Allgemeinen etwas früher, als solche, die wegen Gewürz- oder Nährkraft gebaut werden, geerntet werden. Wo die Blätter genossen werden, wie bei Salat, Spinat, Mangold etc. sind die Ernten daher vorzunehmen, bevor sich noch die größtmögliche Blattmasse entwickelt hat. Pflückerbsen, grüne Bohnen, Gartenbohnen läßt man nicht hart ausreifen. Unmittelbar vor Ausbruch der Blüthe und in der Blüthe haben die Pflanzen mit gewürzigen Blättern gewöhnlich den besten Geruch und Geschmack.
— Alle Obstgattungen dagegen erhalten durch völliges Ausreifen auf dem Baume mehr Zucker und feinern Geschmack.
Blumen für Sträuße, Kränze etc. sind übrigens gewöhnlich vor völligem Aufblühen zu pflücken, da sie dann mehr Duft und Reiz in der Farbe zu entwickeln pflegen.
Viel bestimmter läßt sich der Reifegrad bei allen Pflanzen bezeichnen, die zur Samengewinnung bestimmt sind. Hier steht uns die Regel fest, daß die vollständigste Auszeitigung auf dem Stocke abgewartet werden muß; denn nur ein völlig reifer Samen kann vollkommene Pflanzen bringen. — Schon von Anfang an bleibt darum Mehreres bei der Erziehung der Samenpflanzen zu beachten, was wir hier namhaft machen wollen, obwohl sich am Ende Alles von selbst aus den Grundsätzen ableiten läßt, die wir aus der Kenntniß des Pflanzenlebens geschöpft haben.
1) Zunächst versteht sich von selbst, daß nur die in ihrer Art vollkommensten Pflanzen zur Samenzucht ausgewählt werden dürfen. Geschossene Rettige, rasch geschossener Salat, einfache, schlecht gefärbte Blumen zur Samenzucht zu bestimmen, ist der größte Fehler; man erhält künftig aus dem Samen wieder solche schlechte Pflanzen und kommt mit ihnen immer mehr zurück, bis sie ganz ausgeartet sind.
2) Man bestimme für die Samenzucht eine sonnige, freie Lage und einen kräftigen, aber nicht frisch gedüngten Boden.
3) Die einzelnen Pflanzen setze man etwas weiter, als sie, gewöhnlich entfernt stehen müssen, damit sie sich möglichst vollkommen entwickeln können; achte aber außerdem darauf, daß Spielarten derselben Art, oder Arten derselben Gattung weit von einander entfernt bleiben, sonst werden alle Sorten durch gegenseitige Bestäubung unrein und oft ganz unbrauchbar. — Hätte man z. B. Rothrüben und Mangold auch nur in benachbarten Beeten zu Samen stehen, so werden die Rothrüben aus dem erhaltenen Samen dünner und farbloser werden; hat man neben Weißrüben Kohl, so werden die künftigen Rüben schwächer und der Kohl lockerer und schießt leichter. Stangenbohnen neben Zwergbohnen geben ärgerliche Mischlinge. So dürfen alle Kohlarten nebst den zugehörigen Weißrüben und Reps, ferner Monatrettig und andere Rettige, Mangold, Dickrüben, Rothrüben, Cichorien und Endivien etc. nicht zu nahe zusammen, sie sollen durch wenigstens 15 — 20 Beete von einander getrennt sein, auf welchen am besten theilweise hochgehende Gewächse, wie Stangenbohnen etc., stehen
Viele Sämereien gleichzeitig in einem Garten zu ziehen, ist daher nicht rathsam; man vereinige sich lieber mit Nachbarn über passenden Austausch, oder kaufe einen Theil der Sorten, oder zieht einzelne von längerer Keimdauer in etwas größerem Vorrath und wechsele jährlich mit den zu ziehenden Sorten.—
Ueberhaupt ist es rathsam, in sehr guten, sonnenreichen Jahrgängen etwas mehr Samen im Vorrath zu erziehen, denn in solchen wird der Samen bei weitem am besten.
4) Man lasse, besonders bei Blumen, nur einzelne (2 bis 3) Stengel ein und derselben Pflanze zu Samen, wodurch diese kräftiger werden.
5) Die Samenpflanzen versehe man zu besserer Sicherung mit Stäben und Etiquetten mit Aufschrift.
6) Die Samen müssen in den Samenhüllen reif, die Schoten, Kapseln etc. also gelb geworden und hart sein; ja man verfährt am besten sogar so, daß man nur die überhaupt zuerst gepflanzten Gewächse zu Samen beläßt und von diesen wieder die zuerst gereiften Samen allein abnimmt, wenn man seine Sorten allmählich verbessern will. Um die Samen eher zur Reife zu bringen und um nicht Schimmligwerden zu veranlassen, hält man in der letzten Zeit etwas trockner, jedoch nur so, daß der vollkommenen Entwicklung des Samenkerns kein Eintrag geschieht.— Das Nachreifen auf Speichern oder das Herbeiführen einer Nothreife darf nur als Nothbehelf benützt werden.
7) Zur Samenernte wählt man wo möglich trockenes Wetter und erntet ungleich reifende sowie leicht ausfallende Samen allmählich.
8) Zur Aufbewahrung wähle man einen luftigen, trockenen, nicht zu warmen Raum. Die ausgeklopften, ausgeriebenen oder (bei Gurken und manchen Obstarten) ausgewaschenen Samen breitet man etwas aus, um sie von anhängender Feuchtigkeit zu befreien, und hängt sie in Säckchen frei auf, oder bewahrt sie in irdenen, unglasirten, den Blumenscherben ähnlichen Töpfen mit durchlöcherten irdenen Deckeln. Gestattet es der Raum, die Sämereien in ihren Samenkapseln aufzubewahren, so läuft man am wenigsten Gefahr, daß sie verderben.
Es bleibt uns noch eines Unterschieds zu gedenken, der zwischen ein- und zweijährigen Pflanzen, besonders bei Gemüsen, zu machen ist.
Einjährige Pflanzen können vom Keimen bis zur Samenreife an ihrem Orte verbleiben; jedoch ist es zur Erzielung guten Samens öfter rathsam, sie doch zu versetzen, so z. B. bei Salaten und Monatrettigen.
Zweijährige Pflanzen dürfen nur dann unversetzt bleiben, wenn sie gut im Freien aushalten, wie Möhren, Petersilien, Cichorien und einige andere; in allen übrigen Fällen, aber nimmt man die schönsten vorsichtig aus und überwintert sie in Kellern oder andern frostfreien Orten, indem man sie mit ihren Wurzeln in Sand einschlägt, jedoch so weit auseinander, daß sie sich nicht berühren. Kohlköpfe kann man an Lattengerüsten aufrecht stehend anbinden, wodurch sie sich sehr gesund erhalten.— Im Frühjahre, wenn keine Fröste mehr zu fürchten sind, gewöhnt man sie allmählich an Luft und Licht und versetzt sie nach den oben angeführten Regeln.
Phillip Held: Großes Illustriertes Gartenbuch zur Selbstbelehrung für Gartenbesitzer; August Schultzes Verlag, Berlin, 1898, S. 32 – 34
Zur Samenzucht wähle man nur die vollkommensten Pflanzen, z. B. von Salat- und Krautköpfen nur diejenigen, welche die festesten und schönsten Köpfe besitzen, von Zwiebeln die dicksten und größten u.s.f. aus. Zur gleichen Klasse gehörige Sorten, z. B. Rot- und Weißkohl, dürfen nicht nebeneinander gepflanzt werden, weil sonst durch Insekten die einzelnen Sorten gegenseitig befruchtet werden und eine Sorte, welche weder weiß noch rot wäre, entstehen könnte. Bohnen und Erbsen dürfen ebenfalls nicht nebeneinander gepflanzt werden, denn durch das Vermischen des Samenstaubes würden Abarten entstehen. Viele Gemüsearten liefern im ersten Jahre, wo sie angebaut sind, keinen Samen, sondern erst im zweiten Jahre. Mehrjährige Gemüse reifen gewöhnlich von ihrem zweiten Jahre an jährlich Samen. Die einjährigen Gemüsesamen werden mit Ausnahme von Salat und Radieschen, die zur Samenzucht verpflanzt werden, an ihren Platz gesäet und bleiben dort zur Samengewinnung stehen. Selbstredend verwendet man hierzu nur Frühsaaten und giebt den Pflanzen einen großen Abstand. Lauch- und Petersilienarten u.s.w. bleiben auch des Winters über im freien Lande stehen, wogegen die Kohl- und Rübenarten erst wieder im Frühjahre an einem trüben Tage in das Freie gepflanzt werden. Das Erdreich soll kräftig, aber nicht frisch gedüngt sein und recht sonnig liegen. Die Entfernung der einzelnen Arten unter sich soll 70 bis 90 cm betragen. Die Erde wird mehrere Male behackt und, wenn trocken, begossen. Man lasse der Pflanze nur einige kräftige Samenstengel, binde diese an Stäbe an und lasse nur die Hauptdolden stehen. Um Verwechselungen vorzubeugen, steckt man jeder Sorte ein mit dem Sortennamen bezeichnetes Etikett bei dem Auspflanzen bei.Aus dem federartigen Ansehen einzelner Samenarten, an dem Aufspringen der Hülsen und Schoten, sowie an der Härte, Farbe und Festigkeit der Körner ersieht man die Samenreife. Bei den Kohlarten werden die obersten Schoten bei Zeiten abgestutzt, damit sich die stehengebliebenen besser entwickeln können. Bei zu festen Kohlköüfen, welche nicht allein platzen, muß ein Kreuzschnitt angebracht werden, damit der Stengel emporschießen kann. Da viele Samen nicht gleichzeitig reifen, muß die Samenernte mehrmals erfolgen. Die vorsichtig abgeschnittenen, abgestreiften und abgepflückten Samen werden zur Nachreife an trockenen luftigen Orten auf Tüchern ausgebreitet, oder wenn kein Ausfall zu befürchten ist, im Schuppen auf Stangen gehängt. Im Herbste oder Winter werden die Samen durch Dreschen, Reiben, Auswaschen, Ausklopfen von den Hülsen getrennt, getrocknet und durch Siebe, Mulden und Putzmühlen gereinigt. Der Samen wird dann noch einmal zum Abtrocknen an luftigem Ort aufghestellt und trocken, gegen Mäuse geschützt, aufbewahrt. Die in ihrer JHülle belassenen Samen halten sich bedeutend länger keimfähig, als schon ausgemachter, gereinigter Samen.
Arthur Janson: Neues illustriertes Gartenbuch. Eine gemeinverständliche, leichtfaßliche Anleitung zur Anlage und Behandlung des Haus- und Wirtschaftsgartens; Verlag Reinhold Wichert, Berlin, 1922, S. 106 – 108
…Aber die Zucht neuer Sorten ist ein edler Sport des Gartenliebhabers und dabei dankbar, sofern es sich um Zierpflanzen handelt, um die unverfälschte Freude an der Züchtertätigkeit ohne finanzielle Ziele.
Es gibt da mehrere Wege, um zu neuen Sorten zu gelangen!
Der einfachere ist der durch wechselseitige Bestäubung verschieden geformter oder gefälschter Blüten. Zu diesem Zwecke bindet man vor dem Aufblühen die zu befruchtenden Knospen mit Pergamentpapier ein, so daß kein Blütenstaub zum weiblichen Geschlechtsteil, der Narbe, gelangen kann. Auch öffnet man 1 bis 2 Tage vor dem Aufblühen mit sanfter Gewalt die Knospe und schneidet mit einer spitzen, scharfen Schere alle männlichen Organe, die Staubfäden, fort, so daß nicht etwa Eigenbestäubung eintreten kann.
Ist die Narbe dieser Blüte reif geworden, was man daran erkennt, daß sie klebrigen Saft auf der Narbe absondert, betupft man mit einem weichen Haarpinsel zunächst mit Staubfäden, die gerade verstäubbaren, also reifen Pollen vorrätig hat, dann die eingehüllte, kastrierte Blüte. Dadurch wird der Pollen auf die klebrige Narbe übertragen und die Befruchtung eingeleitet, die dann den im ersten Abschnitt geschilderten Verlauf zur Samenbildung nimmt. Statt des Pinsels kann man auch einen Wattebausch verwenden. Wenn der Fruchtknoten anschwillt, ein Zeichen der Befruchtung, wird die Schutzhülle entfernt.
Es sind nur Bestände von solchen Arten zu erwarten, die einander sehr nahe verwandt sind, besser zwischen Sorten ein und derselben Art.
Die Ansicht ist häufig, daß bei Kreuzungen eine neue Sorte entsteht, die genau die Mitte zwischen Vater- und Muttersorte hält. Das ist ein Irrtum. Wie auch bei Kindern das eine oft mehr der Mutter ähnelt, das andere dem Vater mehr ähnelt, so auch bei den Pflanzen. Ja, es macht sich bei den Arten und Sorten derart mehr oder minder starke Vererbungskraft geltend, daß bei dieser Sorte die Nachzucht stets viel mehr nach dem Vater, bei jener mehr nach der Mutter schlägt. Das muß bei zielbewußter Neuzüchtung berücksichtigt werden.
Freilich wird sich der Liebhaber meist damit begnügen, willkürlich Sorten zu kreuzen, und seine Freude wird sich daran Genüge sein lassen, die aus der Kreuzung nicht selten hervorgehenden Überraschungen, überhaupt die Wunder der Natur auf diesem Gebiete zu genießen.
Ein anderes Mittel der Sortenzüchtung und -vervollkommnung ist die Zuchtwahl (Selektion). Es ist in der Erfahrung begründet, daß die Eigenschaften der Mutterpflanze sich durch den Samen mehr oder minder beharrlich fortpflanzen. Fruchtbarkeit, reiche Blüte, Schmackhaftigkeit, schöne Belaubung, besondere Färbung dieser oder jener Blüte, die zufällig als Naturspiel entstehen, lassen sich durch Samennachzucht oft festhalten, wenn freilich häufig auch die Veredlung (s. d.) hierfür das tauglichere Mittel ist.
Aber auch jeder, der sich nicht mit der Züchtung neuer Sorten befaßt, sondern vielleicht Bäume veredelt, Stecklinge schneidet, Samen zum Eigenverbrauch erntet, sollte aus den Erfahrungen alter Züchter den Nutzen ziehen, stets nur jene Pflanzen zur Nachzucht heranzuziehen, welche sich in jeder Beziehung als vorbildlich erwiesen haben, alle Tugenden der Sorte und der Art aufweisen.
Alexander Meier: Wenn du einen Garten hast. Das Buch für alle, die Erfolg im Garten wollen; Franck’sche Verlagsbuchandlung, Stuttgart, 1936
Fritz Caspari: Fruchtbarer Garten. Naturgemäße Gartenpraxis; Heering-Verlag, Seebruck am Chiemsee, 1948
Martha Schmidt-Theile: Das Grüne Gartenbuch. Ein Gartenbuch für jedermann; Landbau-Verlag, Berlin, 1950
Karl-Heinz Mücke: Der Intensivgarten. Höchstertrage von kleinster Fläche im ganzen Jahr; Südwest-Verlag, München, 1981
Eines der ausführlichsten und fachlich fundiertesten Bücher über Samenzucht ist von Becker-Dillingen: ‚Handbuch des gesamten Gemüsebaues, einschließlich des Gemüsesamenbaues‘, eine fast 900 Seiten dicke Schwarte, von 1924 bis 1956 immer wieder aufgelegt. Aber auch hier wurde der Gemüsesamenbau urplötzlich ab 1950 einfach weggelassen. Also Vorsicht, eh man sich das Buch antiquarisch zulegt, über 100 € bis zu über 200€ muss man jetzt dafür bezahlen, meistens Exemplare ab 1950.
Es dauert noch ein paar Jahre, bis die Urheberrechte frei werden und man es digitalisiert lesen könnte.
Gruss von Susanne
Danke für den Hinweis, Susanne, vor allem auch für die Information, dass selbst in diesem umfassenden Werk der Samenbau ab 1950 weggelassen wurde!
Mir hat das Buch vor einiger Zeit überraschend eine Cousine geschenkt, nachdem ich mir kurz zuvor aufgrund des Preises aus dem Kopf geschlagen hatte, es zu kaufen.
Es ist wirklich ein tolles Buch!
Ich besitze die vierte Auflage von 1943. In der wird der Samenbau noch ausführlich behandelt. Den Teil über die Gurke habe ich für einen Beitrag über meinen Gurkenanbau vor ein paar Jahren in ein HTML-Dokument verwandelt, in dem auch die Saatgutgewinnung bei der Gurke beschrieben wird.
Viele Grüße, J:)rgen
Hallo, da schreibt se schon wieder …. Musste bei diesem tollen Bericht an eine Geschichte denken, die mir mal eine Freundin erzählt hat. Irgendwann fragte sie ihren Grossvater, was für ihn die schönste Zeit im Leben war und er antwortete: „Als die Bequemlichkeit begann! Als es fliessend Wasser gab und Strom. Als man nicht mehr hungern musste durch seine Missernten und Krieg. Man konnte sich satt kaufen und 4 Räder unter dem Gesäss, ohne sich ums Vieh kümmern zu müssen, Tag für Tag. Als es freie Tage -Urlaub- gab ! Auch für die kleinen Leute endlich mal Reisen erschwinglich wurden. Man konnte auch mal krank werden und bekam trozdem Geld. Ûberhaupt das ganze Gesundheitssystem wurde immer besser.
Ja, das war die beste Zeit!“ Wer kann es dieser Generation übel nehmen das sie sich gerne zu „Faultieren“ haben umerziehen lassen ? Ich find das super, das Gott so Leute wie Dich anschubst die sagen: „Momentmal bitte !“
Und uns Generation Faultiere so sachte in Bewegung setzt ! Also, ich sammel dann auch die eigenen Samen von Möhren Lauch usw…..Nicht nur Bohnen, Erbsen, Blumen. Macht Spass, mehr zu lernen. Danke dafür!
Gruss Ina
Nur zu! Lesen, schreiben, sammeln, lernen, so mache ich das auch! Das macht Spaß, da hast Du recht!
Hallo Jürgen, Vielen Dank für diesen gut recherchierten Artikel! Sehr interessant! Das ist wirklich gute und meiner Meinung nach auch notwendige Arbeit!
Das, was passiert, wenn der handwerkliche, lokale Samenbau mit den dazu gehörigen evolutiven Prozessen verschwindet, nennt man ja in Fachkreisen „genetische Erosion“. Was das ist und für die langfristige Nahrungssicherheit bedeutet, wissen nur wenige Menschen. Immerhin haben die meisten schon etwas über die Standardisierung und Privatisierung des Saatguts gehört. Diesen Informationsdienst haben die immer größer werdenden multinationalen Saatgutfirmen geleistet (Die Zahl der größten unter ihnen hat sich ja kürzlich von 6 auf 3 halbiert).
In Luxemburg wurde vor 10 Jahren in der Landwirtschaftsschule, in der ich unterrichte, wieder ein Kurs Samenbau in die Gemüsegärtner-Ausbildung eingeführt (Theorie und Praxis, Dauer 38 Stunden).
In der befreundeten französischen Landwirtschaftsschule in Courcelles-Chaussy bei Metz dauert der Saatgut-Kurs für die Auszubildenden im Bio-Gemüsebau sogar doppelt so lange.
Unser Verein SEED veranstaltet jedes Jahr auch Samenbau-Kurse für Hobbygärtner, und unser Ziel für 2021 ist die Verteilung von unserem lokalen Saatgut auch an professionnelle Gemüseproduzenten (im Rahmen der neuen Bio-Verordnung EU/2018/848).
Hallo Frank,
vielen Dank für Dein Lob; das freut mich natürlich besonders von jemandem, der auf diesem Gebiet langjährig engagiert ist und einer Organisation angehört, die als eine der wenigen wirklich gute und nachvollziehbare Samenbau-Anleitungen über das Internet und kostenlos zur Verfügung stellt. Ich habe sie in meinem Beitrag „Die Saatgutfrage“ schon verlinkt, tue es aber mehr als gern hier noch einmal: Gemüsesamenbau im Hausgarten – Hintergründe und Praxis Teil 1, Teil 2.
Ja, der eigene Samenbau sollte von interessierter Seite mit allen Mitteln gefördert werden, um die genetische Vielfalt unserer Kulturpflanzen zu erhalten bzw. sie wieder maximal zu erhöhen.
Beste Grüße
Jürgen