Wenn Wünsche wahr werden
oder: Wie ich zu Bienen, Honig und neuem Wissen über beides gekommen bin.
Ich möchte vorwegschicken, dass dieser Beitrag jede Menge Werbung für die Wanderimkerei Jan & Doreen Vogel beinhaltet. Ich bin dafür aber weder mit Geld noch mit Honig oder sonstigen Vergünstigungen bezahlt, sondern nur mit einer Vielzahl spannender Informationen und Einblicke belohnt worden; einen Teil davon reiche ich hier an Euch weiter.
Die meisten Bilder entstanden bei einer Kontrolle der Bienenstöcke am 27. Mai, bei der ersten Honigernte am 31. Mai (Vorbereitung morgens, Abfuhr abends) sowie beim Schleudern am nächsten Tag. Sie sind in diesem Fall unabhängig vom Text zu betrachten und erzählen eigene Geschichten.
Der Traum von eigenen Bienen
Schon in meiner Jugend auf einem ostwestfälischen Landwirtschaftsbetrieb habe ich das erste Mal daran gedacht, mir Bienen anzuschaffen. Damals habe ich mir sogar zwei Bücher über Bienenhaltung gekauft (und sie auch zu großen Teilen gelesen); aber aus mir heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe ich diese Idee damals nicht in die Tat umgesetzt – wie so viele andere Ideen seitdem auch nicht. Vielleicht haben meine Eltern Einspruch erhoben, weil meine Kaninchen- und Mäusehaltung jeweils in Interesse- und Totalverlust geendet war.
Dann habe ich nur noch in Städten gelebt und der Gedanke, Bienen zu halten, geriet ebenso wie meine gärtnerischen Neigungen in Vergessenheit. Bis auf ein Bienenseminar im Rahmen meines Biologiestudiums (hier in Berlin) und einen Besuch im Garten eines Bekannten, der Bienen hielt, hatte ich niemals Kontakt zu realen Bienen.
Erst als ich meinen jetzigen Garten bekam, entstand das Bild von Bienenstöcken wieder sonnenklar vor meinen Augen: In meinem Garten sollten ein paar Völker heimisch werden.
Mittlerweile dachte ich jedoch nicht mehr daran, mir eigene Bienenvölker zuzulegen; der Aufwand, mich in Haltung und Pflege einzuarbeiten, schien mir zu groß (oder mein Interesse dazu war schon zu gering bzw. meine Angst vor Bienenstichen zu groß).
Ich wollte lieber einen Imker fragen, ob er die Sache nicht erledigen könne.
Wieder blieb es bei der Idee, weil kein Imker meinen Weg kreuzte.
Einige Jahre beobachtete ich Bienen nur an den Blüten in meinem Garten und fragte mich bestenfalls, woher sie kämen.
2017 hatte ich dabei den Eindruck, dass kaum noch Bienen auftauchten, so dass ich mich ermahnte, die Sache mit den „eigenen“ Bienen endlich weiterzuverfolgen.
Doch 2018 schien sich der Bienenbesuch wieder normalisiert zu haben – und eigene Bienen deshalb nicht mehr dringlich.
Der Traum nimmt Gestalt an
Ich hatte mir zwar hin und wieder gesagt, ich könne auch „das Internet“ nach Imker*innen in Schwedt und Umgebung befragen; aber leider war das niemals in dem Moment, als ich gerade vor dem Compjuter saß.
Bis es im Februar dieses Jahres endlich passierte: Der Gedanke an eine derartige Suche tauchte just in dem Moment aus den Tiefen meines Stammhirns an die Oberfläche des Bewusstseins, als ich mich gerade mal wieder auf einer Forschungs- und Sammelreise durch das galaktische Netzwerk befand. „Imker“ und „Schwedt“ waren schnell in das Eingabefeld des Suchprogramms getippt.
Unter den ersten Ergebnissen fand ich den Imkerverein Ost-Uckermark sowie die Wanderimkerei Jan & Doreen Vogel. (Eine spätere Wiederholung der Recherche förderte noch den Imker Sven Siebert in mein Blickfeld, den ich hier zumindest erwähnen möchte, obwohl ich bisher noch keinen Kontakt zu ihm hatte)
Der Imkerverein hatte seinen Sitz in Kummerow, in einiger Entfernung von Schwedt; die Wanderimkerei jedoch befand sich direkt in meiner Nähe.
Meine Anfrage über das Kontaktformular der Imkerei-Schwedt, ob Interesse und die Möglichkeit bestünde, Bienenvölker in meinem Garten aufzustellen, wurde umgehend beantwortet: „vielen lieben Dank für die Anfrage. Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Lösung zu finden. An besten telefonieren wir mal und treffen uns vor Ort, um dies zu besprechen.“
Wunderbar! Der erste Schritt war erfolgreich getan.
Vor der Mitgliederversammlung des Kleingartenvereins „Zützener Winkel“ Anfang März, bei dem ich durch Übernahme der Parzelle 63 Mitglied geworden war, rief ich Imker Jan Vogel an, um ein Treffen zu vereinbaren.
Schon am nächsten Morgen war es so weit.
Ich führte ihn durch meine Gärten; doch ein oder zwei Völker aufzustellen, ist für einen Berufsimker nicht rentabel: Dafür lohnt der Weg nicht, der im Laufe des Jahres für die zahlreichen Kontrollen eines Bienenvolkes zurückgelegt werden muss. Und für mehr Völker ist in meinen Gärten kaum Platz.
Jan gefielen aber die brachliegenden Flächen ehemaliger Gärten ganz in der Nähe meiner Kleingartenkolonie; dort ließen sich zehn und mehr Völker aufstellen und bequem mit dem Auto erreichen.
Aber wem gehörten diese Flächen?
Ich hatte mal gehört, dass die Stadt sie gekauft habe; aber nichts Genaues wusste ich nicht. Auch eine Vorstandskollegin (ich hatte mich auf der Mitgliederversammlung bereit erklärt, den stellvertretenden Vorsitz zu übernehmen, um eine Zwangsverwaltung zu vermeiden) wusste nur, dass sie nicht zur Kolonie gehörten.
Doch Jan hatte entsprechende Kontakte und brachte schnell in Erfahrung, dass sie Eigentum eines Landwirts aus der Nähe waren. Dieser gestattete Jan das Aufstellen seiner Bienenvölker.
Nachdem ich dann zwei Wochen gewartet hatte und schon leise Zweifel in mir aufstiegen, ob der Traum von „eigenen“ Bienen tatsächlich Wirklichkeit werden sollte, standen sie Anfang April plötzlich da, „meine“ Bienen, in 10 Segeberger Styropor-Beuten auf einer doppelten Lage Holzpaletten.
Theorie von Bienenhaltung und Honiggewinnung
Wenn man Bienen hat, muss man sich ja auch mal wieder ein wenig mehr mit ihnen beschäftigen, sagte ich mir, als die Bienen den Weg aus der Traumwelt in die Wirklichkeit gefunden hatten. Da es ja nur theoretisch meine Bienen sind, habe ich mich natürlich auch nur theoretisch mit ihnen beschäftigt – und Wissensnektar aus dem Internet gesaugt.
Dann habe ich Jan und Doreen mit ein paar grundsätzlichen Fragen gelöchert (siehe unten). Anschließend bin ich wieder stundenlang mit den Bienen durch ihre Welt und die ihrer Halter*innen geflogen und habe dabei viele, viele Internet-Seiten und -Videos besucht.
Sie ist schon eine ganz eigene Welt, die Welt des Bienenvolkes, hochgradig sozial, Jahrtausende alt, symbolbeladen, von großer Wichtigkeit für den menschlichen Obst- und Gemüsebau, mit einem wunderbar süßem Output, dem Honig.
Auf meiner Reise durch diese Welt habe ich eine Menge neues Wissen gesammelt und in meinen Hirnwaben gespeichert. Ich werde aber nur etwas davon für diesen Beitrag schleudern und in ihn einfließen lassen: Ihr sollt ja nicht gleich von einer Überdosis Wissenshonig Kopfschmerzen kriegen (die Bilderflut wird Euch eh schon die Augen flimmern lassen).
Bienen brauche ich ja hauptsächlich zur Bestäubung meiner Pflanzen, an ihrem Honig bin ich weniger interessiert. Trotzdem esse ich ihn manchmal gern; deshalb wollte ich vor allem mehr über „Fremdstoffe“ erfahren, die in ihm enthalten sein können aber nicht dürfen.
Laut Gesetz (Honigverordnung) ist Honig „der natursüße Stoff, der von Honigbienen erzeugt wird, indem die Bienen Nektar von Pflanzen oder Sekrete lebender Pflanzenteile oder sich auf den lebenden Pflanzenteilen befindende Exkrete von an Pflanzen saugenden Insekten aufnehmen, durch Kombination mit eigenen spezifischen Stoffen umwandeln, einlagern, dehydratisieren und in den Waben des Bienenstocks speichern und reifen lassen.“
Und sonst nichts.
Leider gibt es drei Wege, auf denen auch andere Stoffe zu Honig werden:
- tragen die Bienen sie selbst mit dem Nektar in ihre Behausung, die Beute, ein. Das sind in erster Linie Chemikalien, die zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen und -krankheiten von Landwirten und Hobby-Gärtnern eingesetzt werden (Pestizide) und die heutzutage nahezu überall in der Umwelt zu finden sind.
- helfen auch die Imker mit, den Honig mit Fremdstoffen anzureichern, indem sie die Bienen mit bestimmten Stoffen gegen ihre Schädiger, die Varroa-Milbe, die Faulbrut-Bakterien– sowie die Kalkbrut- und Nosema-Mikropilze – um die wichtigsten zu nennen – behandeln; aber auch über das Wachs können Mittel zur Bekämpfung der Wachsmotte in den Honig gelangen
- gibt es so etwas wie Honigfälscher. Honig ist eines der zehn am meisten gefälschten Lebensmittel, weil die Gewinnspanne hierbei ziemlich hoch ist. Zumeist wird er mit billigen Ersatzstoffen, wie Zuckersirup o. ä., gestreckt.
Ist schon der Nachweis von bekannten Schadstoffen und Fälschungen äußerst schwierig und aufwändig, so wird die Honigkontrolle – wie die gesamte Lebensmittelkontrolle – zu einem schier aussichtslosen Unterfangen, wenn man die Liste der ständig neu ins Spiel gebrachten Substanzen sieht: Ist endlich die Zulassung eines Mittels ausgelaufen (BI 58 mit Dimethoat), haben die Chemie-Unternehmen schon wieder ein neues Mittel gefunden (Bi 58® N mit Cyhalothrin) – und die Fälscher neu Wege.
Wie schreibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) so schön: „Nach der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind Rückstände in den behandelten Kulturen unvermeidbar. Ein dichtes Regelwerk sorgt aber dafür, dass diese Rückstände kein Risiko für Verbraucher darstellen…“
Schönen Dank auch.
Die genetische Vielfalt der Honigbiene
Im Laufe meines Rundfluges bin ich natürlich auch wieder auf mein Lieblingsthema, die genetische Vielfalt unserer „Nutzwesen“, gestoßen: Ist nicht auch das Bienensterben und der sich ständig erhöhende Einsatz von Behandlungsmitteln in der Imkerei, zumindest teilweise, durch das einseitige Zuchtziel bedingt, hochproduktive, zahme, schwarmträge Völker zu züchten, also auch aus Bienen „Hochleistungsnutztiere“ zu machen?
Mit dieser einseitigen Selektion ist, wie bei den Hochleistungsnutzpflanzen auch, eine erhebliche genetische Einheitlichkeit verbunden.
Hochleistungswesen brauchen Top-Bedingungen, um ihre Höchstleistungen zu erbringen; sind diese nicht vorhanden, können diese einseitig getjunten „Maschinen“ ganz schnell vollständig zusammenbrechen, da nur wenige genetische Varianten vorhanden sind.
Besser wäre es deshalb auch bei den Nutztieren wieder eine große genetische Vielfalt zu schaffen (entstehen zu lassen); dann könnten die „wertvollsten“ Eigenschaften dieser Vielfalt immer wieder für die „Hochleistungswesen“ genutzt werden.
Ich bin der Meinung, dass „Landwirtschaft“ (Feld-, Garten- und Obstbau, Imkerei) heute zweigleisig betrieben werden muss: Auf der einen Spur sollte „Höchstleistung“ das Ziel sein, auf der anderen maximale genetische Vielfalt. Diese beiden Gleise sollten nicht konkurrieren, sondern sich gegenseitig befruchten und erhalten.
Eine „unproduktive“ Völkervielfalt könnte aber, genauso wie bei den Nutzpflanzen, nur durch Hobby-Imker*innen und Bio-Betriebe ge- und erhalten werden, die nicht vom Ertrag ihrer Völker leben müssen bzw. Mindererträge durch höhere Preise ausgleichen können.
Diese beiden Gruppen sollten deshalb auf Königinnen aus „moderner“ Zucht verzichten und ihre Bienen, ganz altmodisch, ausschließlich über Schwärme vermehren, um dadurch die genetische Vielfalt der Bienen wieder zu erhöhen, auch wenn sie dann weniger Honig ernten oder aggressivere Bienen bekommen.
An diesem Punkt denke ich tatsächlich wieder an die Haltung eigener Bienen; deshalb habe ich mich auch schon mal ein wenig damit beschäftigt, wie Bienen früher gehalten und vermehrt wurden.
Interview mit den Berufsimkern Jan & Doreen Vogel
Hallo Jan, hallo Doreen, schön, dass Ihr Euch Zeit für ein Interview nehmt.
Meine erste Frage: Wann hattet Ihr den ersten Kontakt mit Bienen?
Wir beide hatten schon 1985 zu Schulzeiten, also mit 13-14 Jahren, Kontakt mit Bienen. Doreen hat damals an einer Bienen-Arbeitsgemeinschaft in der Schule teilgenommen; ich bin ungefähr zur selben Zeit durch einen Gartennachbarn meiner Eltern mit Bienen in Berührung gekommen; dieser Nachbar hatte Bienen und hat mich hin und wieder zu seinen Völkern mitgenommen.
Wer von Euch beiden hat zuerst praktisch Bienen gehalten?
Das war ich. Mit 14 habe ich zwei Völker von jenem Nachbarn geschenkt bekommen, die ich dann in unserer Plattenbauwohnung auf dem Balkon gehalten habe. Seit dieser Zeit hatte ich eigentlich immer Bienen.
Wie und wann habt Ihr Euch entschlossen, Berufsimker zu werden? Habt Ihr eine entsprechende Ausbildung absolviert?
Doreen und ich haben beide eine Ausbildung als Imkereifacharbeiter – das war ja noch zu DDR-Zeiten – in Flemsdorf beim dortigen VEG-P Criewen mit bis zu 1000 Völkern absolviert; die Lehre hat zwei Jahre gedauert. Ich habe meinen Abschluss noch 1989 vor der Wende gemacht, Doreen im Jahr nach mir in den chaotischen Zeiten nach der Wende, als schon viele Betriebe geschlossen wurden, so wie auch bald unser Betrieb.
Ich habe mich dann als Imker selbstständig gemacht, was aber nicht geklappt hat; deshalb haben wir beide lange Jahre in der Blumenbranche als Floristen gearbeitet.
Wie gesagt, hatten wir die ganze Zeit Bienen; mit der Zeit wurden es auch peu à peu mehr. Doch erst 2016, als unsere beiden Kinder aus dem Haus waren, haben wir den Sprung in die Selbstständigkeit noch mal gewagt; aber Doreen arbeitet immer noch in einem Blumenladen und hilft nur nebenbei so viel wie möglich in der Imkerei.
Mit wie vielen Völkern seid Ihr angefangen und wie viele Völker habt Ihr heute?
Wir hatten so ungefähr 100 Völker, als wir uns selbstständig gemacht haben; jetzt haben wir um die 170 bis 200.
Woher bekommt Ihr Eure Bienenvölker? Vermehrt Ihr Eure Völker selbst?
Wir hatten ja immer Bienen, die wir langsam vermehrt haben, indem wir Königinnen gezüchtet und mit ihnen neue Völker gebildet haben. Heute verkaufen wir auch einige unserer bis zu 500 Königinnen, die wir im Jahr produzieren.
Nutzt Ihr zur Vermehrung auch Schwärme?
Nein, eher nicht; wir wollen ja schwarmträge Völker haben, also solche, die möglichst lange nicht schwärmen. Völker, die nicht schwärmen, bleiben ja kräftiger und bringen einen höheren Ertrag. Aber wir produzieren Kunstschwärme (1,5 kg Bienen mit einer jungen begatteten Königin) für den Verkauf und unsere eigene Vermehrung.
Welche Bienenrasse oder -rassen haltet Ihr?
Wir haben die Buckfast-Biene. Das ist eine Kreuzung aus mehreren Bienenrassen, die ab 1916 im englischen Kloster Buckfast von Bruder Adam gezüchtet wurde und die sich mittlerweile in der Berufsimkerei durchgesetzt hat, weil sie sanfter und ertragsstärker ist als z. B. die Carnica-Rasse, die noch vor einigen Jahren den Großteil der Völker gestellt hat.
Mittlerweile haben hier in der Gegend fast alle Imker die Buckfast-Rasse; die anderen Rassen werden dadurch langsam verdrängt, weil zur Zeit der Hochzeitsflüge der Königinnen hauptsächlich Buckfast-Drohnen unterwegs sind.
Dafür gibt es sogar einen Begriff: „Verdrängungszucht“.
Wir bemühen uns aber auch, Völker zu halten, die gegen die Varroa-Milbe resistent sind. Wir kennen einen Imker, der die züchtet – der hat Völker, die räumen die Varroa-Milbe zu 100% aus den Brutwaben aus.
Wie viele Völker braucht Ihr, um von der Imkerei einigermaßen gut leben und eine Familie ernähren zu können?
150 Völker braucht man schon, um davon leben zu können.
Haben Eure Kinder Interesse an der Imkerei, so dass die Nachfolge gesichert ist?
Nein, unsere Kinder sind da nicht involviert, die haben andere Berufe.
Im Moment betreuen wir wegen der Corona-Krise häufiger einen Enkel, der bald in die Schule kommt; den nehmen wir mit zu den Bienen und dem gefällt das bei den Bienen. Vielleicht wird es ja was mit dem… (lacht)
Auf wie viele Standorte sind Eure Völker verteilt? Wie oft müsst Ihr sie umsetzen (mit ihnen wandern)?
Wir haben im Moment 14 Standplätze im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern um Schwedt. Weiter weg wollen wir auch nicht; wir wollen vor allem örtlichen Honig anbieten.
Mit einem Teil der Bienen wandern wir noch zu verschiedenen Trachten, die sich lohnen.
Wir fahren die Völker dann – meist 20 in unserem Transporter und Hänger, das geht relativ problemlos und zügig – z. B. zu Rapsfeldern, wo sie teilweise bis zu fünf Wochen stehen bleiben können; danach setzen wir sie für 14 Tage in die Nähe von Akazien. Wir haben aber auch einen Landwirt, der Senf für Saatgut anbaut; dort lässt sich auch ein besonderer Honig gewinnen. Dann kommt noch der leckere Lindenhonig und in manchen Jahren ein wenig Waldtracht.
Das sind so die Sortenhonige, die wir ziemlich rein produzieren können; andere Sorten gibt es bei uns nicht – wir kaufen keinen Honig, z. B. Heidehonig, zu. Wenn Leute diesen wollen, müssen sie ihn woanders kaufen.
Wir versuchen aber, unsere Völker möglichst an festen Plätzen aufzustellen, an denen sie das ganze Jahr über genügend Nektar finden.
Wie vermarktet Ihr Euren Honig?
30 bis 50% unserer Honigernte, das sind ungefähr drei bis fünf Tonnen, vermarkten wir direkt, über kleinere Läden in der Gegend oder auf Veranstaltungen in Gläsern des Deutschen Imkerbundes.
Der Rest geht in 40-Kilo-Eimern vor allem an Großhändler, mit denen wir feste Geschäftsbeziehungen haben, oder an andere Imker, die hin und wieder kleinere Mengen zukaufen, wenn sie mehr verkaufen können, als sie geerntet haben; aber der Großhandel hat Priorität, da dieser uns auf jeden Fall die entsprechenden Mengen abnimmt, obwohl wir das Geld hier teilweise auch erst bekommen, wenn der Honig endgültig abgesetzt worden ist.
Du hast mir erzählt, Jan, dass Euer Honig auf Schadstoffe kontrolliert wird. Wie und wo findet eine solche Kontrolle statt und wie habe ich mir das praktisch vorzustellen? Es wird doch wahrscheinlich nicht der Honig jedes einzelnen Volkes analysiert, oder? Auf welche Schadstoffe wird der Honig kontrolliert? Gibt es in diesem Bereich gesetzlich festgelegte Grenzwerte?
Es gibt da mehrere Kontrollen: Zuerst ist da die staatliche Lebensmittelüberwachung, die stichprobenartig, aber meistens einmal jährlich vom Landkreis Uckermark durchgeführt wird; dabei werden auch unsere Schleuder- und Abfüllanlage sowie sonstige Betriebsräume geprüft.
Dann ist da die Kontrolle des Deutschen Imkerbundes. Dieser hat eigene, teilweise strengere Qualitätskriterien, die er auch selbst überwacht, ebenfalls stichprobenartig; deshalb ist der Honig, der in den Gläsern und mit den Etiketten des Imkerbundes verkauft wird auch teurer: Es ist dadurch eine höhere Qualität gewährleistet.
Dann lassen wir unseren Honig noch selbst prüfen, im Moment durch die Bayerische Firma FOOD-QS; die ist zwar um einiges teurer als z. B. das näher gelegene Bieneninstitut Hohen-Neuendorf, dafür aber zig-mal schneller. Wenn wir montags unsere Probe einliefern, haben wir am Freitag die Ergebnisse. Beim Bieneninstitut kann das schon mal einige Wochen dauern, und das ist schlecht fürs Geschäft; denn die Leute wollen Honig frisch, möglichst bald nachdem er geschleudert wurde.
Wir lassen unseren Honig auf das Pollen- und Zuckerspektrum prüfen, damit wir wissen, von welchen Pflanzen unser Honig stammt; aber noch wichtiger ist die Kontrolle auf Pestizide. Gerade Honig, der von landwirtschaftlichen Flächen stammt, ist in dieser Hinsicht immer gefährdet; aber auch in Klein- und Privatgärten werden Pestizide eingesetzt, teilweise sogar sehr giftige, heute hierzulande verbotene Mittel, wie das Kontaktgift BI58, das schon zu DDR-Zeiten bekannt und heute noch aus Polen zu beschaffen ist – und da wir ja hier im Grenzgebiet leben…
Zuletzt lassen die Großhändler noch Stichproben untersuchen; denn auch die wollen auf der sicheren Seite sein, bevor sie den Honig weiterverkaufen.
Beprobt wird heute jede Charge einzeln; eine Charge ist immer der Honig von allen Völkern eines Standortes. Von einem Volk fallen bei einem Erntegang 10 bis 20 Honigwaben an; unsere Schleuder fasst 40 Waben.
Bis 2018 war das noch etwas anders, da konnte man den Honig von mehreren Standorten mischen, wenn die Grenzwerte überschritten waren. Dieses Vorgehen barg aber das Risiko, dass letztlich eine viel größere Menge unverkäuflich wurde, wenn die Grenzwerte trotz der Verdünnung überschritten wurden. Jetzt wird jeder Honig, der zu hoch belastet ist, gleich für den Verkauf gesperrt.
Im Jahr 2019 musste ein Imker aus Bernau OT Börnicke fünf Tonnen Honig entsorgen, da bestimmte Grenzwerte überschritten waren; der hat dann seinen Laden dicht gemacht. Solche Verluste kann man als kleiner Berufsimker nicht tragen.
Wir begrüßen auf jeden Fall die neue Regelung. Je dichter und je besser die Kontrollen sind, desto größer ist das Vertrauen der Kunden, von dem wir ja letztlich abhängig sind.
Unverständlich ist für uns nur, dass die Grenzwerte in anderen landwirtschaftlichen Produkten so z.B. im Getreide oft viel höher liegen als im Honig, das ist nicht nachvollziehbar.
Die Kontrollen kosten zwar Geld und machen unseren Honig trotz möglicherweise rationellerer Arbeitsabläufe in der Berufsimkerei teurer als den von manchen Privat- und Hobby-Imkern, aber wir sind damit auf der sicheren Seite und können unseren Honig guten Gewissens anbieten.
Kleine Hobby-Imker werden so gut wie überhaupt nicht amtlich geprüft. Sie lassen ihren Honig aus Kostengründen – wie schon erwähnt, sind diese Untersuchungen ziemlich teuer und bei kleineren Mengen wirkt sich das dann überproportional auf den Preis aus – zumeist auch nicht selbst prüfen. Oft ist sogar bei Hobby-Imkern nicht einmal das Bewusstsein dafür vorhanden, dass ihr Honig mit Pestiziden belastet sein könnte. Sie sind sich nicht im Klaren darüber, dass ihre Bienen bis zu acht Kilometer weit fliegen und dass z. B. ein blühendes Rapsfeld eine Wahnsinnsanziehungskraft auf Bienen ausübt.
Grenzwerte für Schadstoffe sind gesetzlich festgelegt; für uns gilt vor allem die so genannte „Honig-Verordnung“.
Ihr seid ja auch im Imkerverband aktiv und gebt Kurse für Neueinsteiger*innen, so viel ich weiß. Könnt Ihr ein verstärktes Interesse an der (Hobby-)Imkerei in Eurem Einzugsbereich wahrnehmen? Wie viele Menschen haben an solchen Kursen in den letzten drei Jahren teilgenommen? Mehr Männer oder mehr Frauen?
Viele Jahre nahm das Interesse an der Imkerei stetig ab; die Imker-Vereine suchten händeringend Nachwuchs; aber seit ca. drei-vier Jahren können wir ein steigendes Interesse, ich würde sogar fast sagen, ein explodierendes Interesse an der Imkerei wahrnehmen. Wir hatten in den letzten drei Jahren zusammengerechnet ca. 100 Teilnehmer an den Theorie-Kursen pro Jahr, die wir über den Imker-Verein Ost-Uckermark anbieten, und immer noch 60 an unseren Praxis-Kursen. Das Geschlechterverhältnis war dabei ausgeglichen, auch das Alter der Teilnehmer war breit gefächert, vom Schüler bis zum Rentner war alles dabei, obwohl vielleicht doch mehr jüngere Leute dabei waren.
Ich glaube, dass das Thema „Insektensterben“ eine besondere Bedeutung für dieses neue Interesse an der Imkerei hat.
Diese neue Begeisterung für das Imkern freut uns natürlich; auf der anderen Seite entstehen dadurch – gerade für uns Berufsimker – erhebliche Probleme. Viele Leute schaffen sich in ihrer ersten Begeisterung Bienenvölker an, merken aber bald, dass diese auch Arbeit machen, vernachlässigen die Bienen dann oder überlassen sie sogar vollkommen sich selbst.
Viele Neu-Imker kennen auch die gesetzlichen Regeln nicht – dass man seine Bienen z. B. anmelden oder dass man bestimmte Krankheiten beim Veterinäramt melden muss.
So breitet sich z.B. im Berliner Raum und vielen anderen Gebieten in Deutschland momentan die Amerikanische Faulbrut, eine gefährliche Bienenseuche, aus. Ein Grund dafür ist, dass befallene Völker oft nicht bekannt sind und entsprechend behandelt werden können; dadurch wird die Krankheit verbreitet bzw. bleibt als Herd latent vorhanden. Es ist nämlich so, dass schwache – das sind oft kranke – Völker von besonders vitalen, starken Völkern „ausgeraubt“ werden, die sich dadurch mit der Krankheit infizieren und anschließend oft selbst zugrunde gehen.
Obwohl heute beim Ausbruch der Krankheit immer noch Sperrbezirke eingerichtet werden, kann man die Faulbrut ganz gut behandeln – wenn die befallenen Völker bekannt sind, so dass nicht mehr ganze Bestände „gekeult“ , d. h., getötet werden müssen.
Was sind die größten Probleme, mit denen Ihr als gewerbliche Imkerei zu kämpfen habt?
Momentan ist der Corona-Virus unsere größte Sorge und die durch ihn bedingten Geschäftseinschränkungen; wir können unseren Honig nicht mehr auf Veranstaltungen verkaufen und auch die meisten Geschäfte, die unseren Honig anbieten, sind geschlossen. Dadurch sind schon erhebliche Mindereinnahmen bedingt.
Da können wir von Glück reden, dass wir unser Geschäft langsam mit eigenen Mitteln aufgebaut haben und jetzt nicht von den Kreditverpflichtungen erdrückt werden.
Weitere Sorgen machen uns natürlich die Faulbrut – wir möchten niemals einen Ausbruch bei uns erleben – und der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, aber vor allem auch im Kleingartenbereich.
Gegen Schäden, die Tiere wie Dachse oder Waschbären an unseren Beuten anrichten, sind wir versichert; solche Schäden kommen auch nicht häufig vor.
Nur gegen Schäden, die Spechte anrichten, müssen wir selbst vorsorgen, die trägt keine Versicherung, die kommen einfach zu häufig vor.
Aber auch wenn wir hier jetzt ein paar Probleme benannt haben, möchte ich doch ansonsten einmal betonen, dass wir mit unserer Situation sehr zufrieden sind.
Es ist alles in Ordnung, wir haben keine wirklichen Probleme.
Welche drei Änderungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder technischer Art würdet Ihr Euch wünschen, wenn Ihr jetzt drei Wünsche frei hättet?
- Weniger Pestizideinsatz, vor allem im Privatbereich
- Mehr Anerkennung der Leistungen der Imker, vor allem in der Landwirtschaft. Wenn man die gesamten Leistungen der Bienen zusammenrechnet, sollten Bienen beim Nutzwert von Tieren für die Gesellschaft nicht auf dem 3. Platz liegen, sondern auf dem 1.
- Einen „Lehr-Bienenstand“ sowie einen „Bienen-Lehrpfad“.Bau, Unterhalt und Betrieb solcher Einrichtungen sind momentan vom Imker-Verein nicht zu stemmen; aber wir wären glücklich, wenn es sie hier gäbe. Als Beispiele schweben uns dabei die „Gläserne Waldimkerei“ in Zehdenik und der Bienen-Lehrpfad vor, den wir auf unserem letzten Urlaub in Kärnten kennenlernen durften. Beide sind wirklich beeindruckend.
Jan und Doreen, ich danke Euch für das Gepräch und Eure freimütigen Auskünfte.