Tomatensamen
oder: Welche Tomatensorten ich in diesem Jahr aus Samen ziehe.
Wenn der Winter vorüber ist, kommt er einem gar nicht mehr so lang vor: in den langen Nächten in der Mitte des Winters hatte ich die eine oder andere genutzt, um im Internet nach interessanten, wohlschmeckenden Tomatensorten zu fahnden.
Jahrelang hatte ich nur in Kaufhallen und Supermärkten nach leckeren Tomaten gesucht und war nur ein einziges Mal fündig geworden (immerhin!): von hunderten Tomaten, die ich probiert/gekostet hatte, fand sich nur eine, der ich überhaupt einen erwähnenswerten Geschmack attestieren konnte (näheres siehe unten).
Angefangen mit dem Tomatenanbau hatte ich 1995 auf meinem Balkon an der Schönhauser Allee mit der Sorte „Harzfeuer“, der einzigen Sorte, deren Samen man damals im Baumarkt käuflich erwerben konnte. Deren faden Geschmack führte ich dann auf ihr tristes Balkondasein zurück – bis ich herausfand, dass auch der ökologische Freilandanbau ihrem Geschmack nicht besser tat.
Das Jahr darauf versuchte ich aus einer geschmacklosen Eiertomate italienischer Herkunft etwas Geschmackvolles zu ziehen. Das Einzige, das ich dabei lernte, war: Tomatensamen, aus Tomaten gepuhlt und getrocknet, keimen nicht so ohne Weiteres im nächsten Jahr.
Erst ein kleines Büchlein belehrte mich (in eigenen Worten wiedergegeben): „Tomatensamen werden von einem keimhemmenden Häutchen umschlossen, das sich erst zersetzen muss, bevor der Keimling das Licht der Welt erblicken kann. Lasse die Samen ein paar Tage in ein wenig Wasser stehen, damit Pilze und Bakterien ihr Zersetzungswerk vollbringen können; dann hast Du im kommenden Frühling viel Freude an rasch keimenden Tomatensamen!“
Nach dieser Lektion habe ich jedes Jahr erfolgreich Tomaten aus Samen gezogen, aber leider nur einmal etwas Genießbares: der Biomarkt „EatOrganic“ (EO) hatte sie im Angebot und ihm zu Ehren habe ich die (unglaublicherweise auch noch samenfeste) Sorte „Super-EO“ getauft. Ich muss gestehen: Sie ist bis heute meine Beste.
Apropos Heute: In diesem Jahr baue ich 11 Sorten an, deren Samen ich im In- und Ausland zugekauft habe. Ich bin immer noch auf der Suche nach einem Sortiment, das mich geschmacklich rundum zufriedenstellt.
Letztes Jahr hatte ich 17 neue Sorten im Anbau (insgesamt 21), von denen mich nur zwei einigermaßen überzeugt haben: Boars Hoof und Berner Rose.
Zwei weitere Sorten, die ich 2012 gegessen und hervorragend bewertet hatte (Green Zebra und eine unbekannte grün-braune Fleischtomate, die ich aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit der Sorte „Tschernij Prince = Schwarzer Prinz“ „Tschernij Prince 2“ genannt hatte), konnten das Geschmackserlebnis in 2013 nicht bestätigen (dafür mache ich noch den braun-verfaulten Anbau im selbstgebastelten Folientunnel verantwortlich); aber dieses Jahr gebe ich ihnen eine weitere Chance – unter hoffentlich verbesserten Bedingungen.
Ich würde gerne 10 Sorten haben, in deren Früchte ich einfach so reinbeißen kann wie in Obst, die ich ohne Salatdressing oder Aceto Balsamico genießen kann. Über Cocktail- bzw. Kirschtomaten und Soßentomaten reden wir ein anderes Mal (die muss es natürlich auch noch geben; aber die fallen für mich nicht unter die Bezeichnung „Tomaten“).
Zurück zu den diesjährigen Probanden, die die winterliche Recherche im Internet mir zugeführt hat:
- Paul Robeson; ich hatte gelesen, dass die Sorte, die unter diesem Namen in Europa zirkuliert, sich geschmacklich erheblich von der unterscheidet, die in Nordamerika mit ihrem Geschmack Preise gewinnt – ein eigener Anbauversuch im letzten Jahr bestätigte diese Version: geschmacklich trist, in Geschmack und Wuchsform der Sorte „Black Ethiopian“ äußerst ähnlich; deshalb habe ich eine Bestellung von Paul Robeson in Nordamerika aufgegeben – was ja auch die Heimat des schwarzen Sängers gleichen Namens ist. Nun hoffe ich.
- Cherokee Purple; nun, wenn ich schon in Nordamerika bestelle, kommt doch gleich noch eine weitere Sorte auf den Bestellzettel, die ihre Heimat dort hat.
- Zürcher Original; da die Küsnachter Tomate ausverkauft war und diese der vorigen auf Abbildungen ziemlich ähnlich sah und erstere von jemandem, der auch meine anderen Geschmacksfavoriten gutgeheißen hatte, hervorgehoben wurde, habe ich diese in mein Testprogramm aufgenommen (Bezugsadresse).
- Gazaleh; diese Sorte soll iranischer Herkunft sein und wurde vom gleichen Anbieter wie „Zürcher Original“ gelobt und da ich immer gern etwas Außergewöhnliches, Exotisches haben möchte, gab es kein Zurück;
- sieben italienische Tomatensorten, die ich vor der letztjährigen Ernte bei einem Anbieter von Original italienischen Samen (Peter Stochay, Köln) entdeckt und gleich bestellt hatte (Costoluto Fiorentino, Costoluto di Parma, Costoluto Genovese, Pantano, Principe Borghese, Fiasketto, Cuore di Bue/Ochsenherz); alle wurden als alte (und schmackhafte) Sorten beschrieben. Im Gegensatz zu den paar teuren Samenkörnchen, die man sonst bei den Liebhaberanbauern so bekommt, enthielt hier ein Tütchen an die 300 Samen. Ich bin gespannt, ob ich den Rest im nächsten Jahr zum Massenanbau verwenden kann – oder in die Tonne treten muss.
Dazu kommt noch eine Pomidor żółty (gelbe Tomate); diese hatte ich letztes Jahr im Nationalparkzentrum in Criewen (im angeschlossenen Schaugarten) gekauft und sie hat mich locker überzeugt, ihr eine Chance unter meinen Anbaubedingungen zu geben – sie schmeckte würzig, aromatisch und außerdem soll mein Sortiment auch schön bunt sein.
Desweiteren warteten auf die Aussaat die schon erwähnten Super-EO, Boars Hoof, Green Zebra, Tschernij Prince 2 (wohl Black Seaman), Berner Rose und eine Sorte, eine Cocktailtomate ohne Namen, die sich aus einer kleinen, grün-braunen Tomate entwickelt hat, die ich vor einigen Jahren in Waren am Müritzsee auf dem Marktplatz erstanden habe. Sie hat wunderbar lange Rispen, ist klein, rot, leicht flaschenförmig und richtig lecker fruchtig-süß. Ich hoffe, sie einmal samenfest (sortenrein) zu bekommen.
Diese 18 Sorten machen es wieder spannend bis zur Ernte.
Bisher sind alle bestens gekeimt und mittlerweile auch schon pikiert. Jetzt hoffe ich nur noch, dass sie so gut weiterwachsen und dass ich mich beim Auspflanzen in den Folientunnel in diesem Jahr zahlenmäßig beherrschen kann (ich habe auf jeden Fall genug Überschuss, mit dessen Untergang ich hadern werde; aber vielleicht nehmen ja ein paar Nachbarn diesen Überschuss – geschenkt).