Treulose Tomaten
oder: Wie manche Tomatensorten Hitze und Trockenheit nicht honorieren.
Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, das letzte Leuchten der Farben erlischt, alles geht langsam in Braun und Grau über; aber die sanfte Trauer, die diese Zeit mit sich bringt, wird überlagert durch die Freude am Ernten: Tomaten, Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln sind reif und warten darauf, Tisch, Mund und Vorratslager zu füllen.
Einen Vorgeschmack haben wir schon am 18. August bekommen: Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln und Knoblauch pur (und ein paar Zukkinistückchen) mit Salz bestreut und Olivenöl übergossen und dann gebacken. Einfach nur lecker!
Die erste größere Ernte war aber die der Tomaten am 22. August, zu der ich wieder ein paar Leute animieren konnte, den weiten Ausflug in meinen Garten zu unternehmen. Familie M.-S., Martina, Annemieke und Antoine sowie Roland folgten meinem Ruf und haben bei der Auswahl der Gewinnertomate des Jahres 2015 ihre Stimme abgegeben.
Vor der Ernte kommt aber die Zeit des Vorziehens, des Auspflanzens, der Pflege und des Wachsens, die ich mal wieder mit einer Galerie von „Tunnelblicken“ sichtbar machen möchte.
Ihr seht: Die Pflanzen im Tunnel entwickelten sich prächtig.
Neben und zwischen 32 Tomatenpflanzen habe ich in diesem Jahr noch sieben Melonen-, ca. 20 Kartoffel– und zwei Bauerntabakpflanzen gesetzt bzw. wachsen lassen. Ich muss gestehen, dass ich mich ab Anfang August kaum noch im Tunnel bewegen konnte, die Platzausnutzung dafür aber optimal war.
Dass dieser maximal gefüllte Raum nicht auch in diesem Jahr wieder zu einer Braunfäulekatastrophe führte (wie 2013), habe ich womöglich dem extrem guten Sommer zu verdanken: so heiß und vor allem trocken habe ich noch keinen Sommer erlebt (zumindest soweit ich mich erinnern kann); die Folie war selten des Morgens mit Kondenswasser beschlagen. Möglicherweise ist aber auch der Raum zwischen den Tomatenpflanzen groß genug gewesen, dass sie genügend belüftet wurden und somit trocken geblieben sind; Melonen und Kartoffeln haben sich ja weitgehend am Boden aufgehalten.
Die Tomaten waren in diesem Jahr früh genug in den Tunnel gekommen, und keine „böse Kraft“ hatte ihr Wachstum unterbrochen, gehemmt oder gar gänzlich verhindert. Am Tag der Ernte waren deshalb (fast) alle Tomaten in genügender Anzahl auf den Präsentiertellern vorhanden.
Bei dieser Pracht und Fülle sollte man denken, dass mein Herz vor Freude übergelaufen ist; leider war das nicht der Fall: meine Favoriten haben mich in diesem Jahr schwer enttäuscht!!
„Paul Robeson“, die „Spitzen“-Tomate vom letzten Jahr, die ich aus diesem Grunde vierfach gezogen hatte, war nur ein Schatten ihrer selbst, wässrig und geschmacklos, und obendrein waren manche Früchte von irgendeiner „Krankheit“ befallen.
Nein, das war nicht die „Paul Robeson“, auf die ich mich besonders gefreut hatte!
Und auch meine „SuperEO“, die sich einige Jahre als geschmackvolle Rote gezeigt hatte, wechselte nicht nur teilweise ihre Form sondern auch teilweise ihren Geschmack: von den vier Pflanzen waren zwei eher geschmacklos. Das gleiche muss ich über die zwei gelben Polnischen („Pomidor żółty“) sagen, die mich im letzten Jahr im kleinen Gewächshaus noch vollends befriedigt hatten: null Geschmack!
Sollte der Folientunnel doch einen – negativen – Einfluss auf den Geschmack haben oder ist der mehr von meiner Pflege abhängig: zu wenig Wasser und/oder zu viel Dünger?
Ich werde weiter experimentieren – und Ratschläge von anderen einholen müssen.
Aber Ihr wollt nun wissen: gab es denn in diesem Jahr Tomatensorten, die unter den strengen Geschmackspapillen der Tester bestehen oder gar neues Entzücken auslösen konnten?
Die kleinen Cocktail- bzw. Kirschtomaten waren alle ausgezeichnet (DT64, Cocktail99, Black Cherry, unbekannte Datteltomate), nur „Vesenij Mieurinskij“ (korrekt muss sie „Vesenij Mitschurinskij“ heißen) fiel anfangs etwas ab. Von den mittleren war die „Schwarze Krim“ eindeutig Favorit – und kommt in die Liste der Anbauwürdigen. Von den großen und Fleischtomaten (Gipsy, Sioux, Frühe Sibirische, Astrachan, Nonna Antonina, Lesbische, Rheinlands Ruhm) konnte nur Grosse Côtelée einigermaßen geschmacklich überzeugen (mich auch noch ein Teil meiner „SuperEO“s) – aber sonst? Schwamm drüber, für Tomatensugo reicht’s allemal.
Vielleicht macht ja die normal-blättrige „Red Brandywine“ noch alles wieder gut; sie war zum Zeitpunkt des Festes noch nicht vollkommen ausgereift; am 12. September, wenn das große Melonen-Schlachten stattfindet, sollte das der Fall sein. Zum x-ten Mal äußere ich also: die Hoffnung stirbt zuletzt (Nachtrag vom 28. September: auch diese Hoffnung erfüllte sich nicht).
Trotzdem: das Tomatenerntefest hat wieder Spaß gemacht, Besucher, Wetter und Kesselgulasch waren 1A; ich werde weiterhin Tomaten anbauen und das entsprechende Fest zur Tradition machen, komme, wer und was da wolle! Irgendwann werde ich die richtigen Tomaten für den Folientunnel sowie die beste Pflege für sie ermittelt haben und umsetzen können – ganz sicher!
Eine „witzige“ Sache muss ich zum Schluss noch erzählen: drei Sorten vereinigten sich bei der Ernte zu einer.
Eine „Sorte“ hatte mir Annemieke als „Gelbe“ geschenkt, eine hatte ich aus einer gekauften (Cocktail)Tomatenmischung ausgelesen und eine hatte mir Xenia im Frühjahr geschenkt, als sie nach der Supertomate fahndete und ich ihr meine „Paul Robeson“ als die gesuchte anpries.
Alle drei „Sorten“ hatten jedoch den gleichen Wuchs, ihre Früchte sahen gleich aus und schmeckten am Ende auch gleich (gut). Gott-sei-Dank hatte Xenias Sorte einen Namen: „Black Cherry“.
Die Zahl meiner Tomatensorten verminderte sich dadurch (leider) von 16 auf 14, die Zahl der namenlosen Sorten dafür aber von sechs auf vier.