Vorsprung durch Technik
oder: Wie ich meine frostempfindlichen Pflanzen in diesem Jahr vorgezogen habe.
Ich benutze als Titel dieses Beitrags den Werbeslogan eines Autobauers, weil er genau das trifft, was ich im Frühjahr tue: mit Hilfe primitiver bzw. alltäglicher Technik, hier: Gastherme und Neonleuchte, einer Anzahl Pflanzen einen gewissen Vorsprung vor denjenigen zu verschaffen, die diese Technik nicht zur Verfügung gestellt bekommen, d. h., ich verlängere künstlich die Wachstumsphase in unseren Breiten.
In diesem Jahr habe ich es geschafft, mit der Aussaat der Pflanzen, denen ich üblicherweise einen Vorsprung gebe, bis Anfang März zu warten; aber dann gab es kein Halten mehr: Der Anzuchttisch mitsamt zugehörigem Equipment (Plane, Lampen, Wäscheständer) durfte sein Kellerverlies und ein Sack Kompost einen Baumarkt verlassen.
Erde aus einem der verbliebenen Blumentöpfe auf unserem Balkon wurde im Backofen erhitzt und mit Kompost gemischt in zahlreiche Blumentöpfchen gefüllt.
Auf die Schnelle musste ich noch einen Satz Markierungsstäbchen produzieren, bevor in der Nacht vom 3. auf den 4. März die Samen der folgenden Pflanzenarten ein Bett in der Erde erhielten (die Buchstaben in den folgenden Listen geben die Kennzeichnung auf den Stäbchen und die Zahlen in Klammern die geplante Menge an Pflanzen an, die ich 2015 im Garten großzuziehen gedenke):
Tomate
Bewährt bzw. Erhaltungsnachbau:
- Cocktail99; rote Cocktail-Tomate, die ich vor Zeiten in einem Blumentopf ausgesät gefunden habe und 1999 zum letzten Mal auf dem Balkon angebaut hatte, dann noch einmal 2009 in Fürstenberg ; Erhaltungsanbau (1)
- DT64; längliche – zuletzt rosa – Cocktail-Tomate, die sich aus kleiner grün-brauner Tomate entwickelt hat; ziemlich sicher noch nicht samenfest (2)
- Pomidor Jouty; gelbe, polnische Tomate (2)
- Nonna Antonina; riesige, rote Fleischtomate (2)
- rote Fleischtomate Astrachan (?); Leider weiß ich nicht mehr, von welcher Pflanze ich die Tomate genommen hatte; es war jedoch die einzige, die eine würzige Geschmacksnote besaß. Außerdem schien mir „Astrachan“ nicht die korrekte Bezeichnung dieser Sorte zu sein, die ich 2014 im Parkgarten Criewen als Jungpflanze erstanden hatte (2)
- Paul Robeson; (4)
- SuperEO; lange Rispe, Früchte mittelgroß (2)
- SuperEO; kurze Rispe, Früchte dick (2)
- Rheinlands Ruhm; Erhaltungsanbau (1)
Neu:
- Tomate von der griechischen Insel Lesbos; Mitbringsel (1)
- Red Brandywine; erneuter Versuch (1)
- Grosse Côtelée; erneuter Versuch (1)
- Gipsy; erneuter Versuch (1)
- Sioux; erneuter Versuch (1)
- kleine, spitze (rote?) Tomate; aus Cocktail-Tomaten-Mischung selektiert (2)
- kleine, grün-rote Tomate; aus Cocktail-Tomaten-Mischung selektiert (1)
- Vesennij Mieurinsky Mitschurinskij; Geschenk (2)
- Black Cherry; Geschenk (1)
- Schwarze Krim; Geschenk (1)
- gelbe Buschtomate Golden Currant; Geschenk (1)
- gelbe Tomate; Geschenk (1)
- Frühe Sibirische; Geschenk (1)
Meine diesjährige Tomatenauswahl besteht aus acht Sorten, die ich in den Vorjahren für besonders gut befunden habe, einer Erhaltungssorte sowie aus 13 Sorten, die es ins Versuchsprogramm geschafft haben: einige sind Geschenke oder Mitbringsel aus dem Urlaub, andere habe ich aus einer Cocktailtomaten-Mischung eines BIO-Supermarktes geschmacklich selektiert. Vier Sorten sind 2013 nicht gekeimt bzw. im Braunfäule-Dschungel untergegangen und erhalten deshalb eine neue Chance.
Es fällt mir verdammt schwer, das Sortiment zu begrenzen. Zu viele Sorten klingen in den Samenkatalogen und Geschmackstests zu verlockend, zu zahlreich sind die Angebote von anderen Gärtner*innen oder auch die Gedanken Reisender an mich, die von meiner Sammelleidenschaft wissen.
Ich habe deshalb in diesem Jahr auf einige gute Sorten verzichtet, wie z. B. Berner Rose, Green Zebra, Boar’s Hoof und Black Seaman, um den Folientunnel nicht zu sehr zu überfüllen und um mehr Sorten testen zu können.
Einige Sorten werde ich wohl nur alle paar Jahre wieder anbauen, um frisches Saatgut zu gewinnen (wie z. B. „Rheinlands Ruhm“ in diesem Jahr; von meiner „Cocktail99“ ist 2009 nach 10 Jahren Anbaupause nur noch ein Samenkorn keimfähig gewesen – beinahe hätte ich sie also verloren; das soll mir nicht noch einmal passieren).
Auf jeden Fall freue ich mich auf die Bewährten und bin gespannt auf die Neuen.
Aubergine
- Äthiopische Eierfrucht; rote Aubergine aus Ruanda (2)
- Mokko (2)
- Kaschalot (3)
- Barbentane (3)
- weiß-violett gestreifte Frucht; Samen 2012 aus gekaufter Frucht entnommen (2)
In diesem Jahr habe ich auch die Aubergine ins Hauptprogramm aufgenommen; das kleine Gewächshaus soll ihre Heimstatt sein.
Ich fange erst einmal mit drei gekauften Sorten an. Nur eine habe ich später noch in meiner Samenkiste gefunden, die das Überraschungsmoment liefert; aber da ich die anderen auch noch nicht kenne, bin ich bei allen auf das Ergebnis gespannt.
Nur die rote Ruandische hatte ich schon erfolgreich gezogen, aber noch nicht gegessen.
Leider ist die erste Partie der Sorte „Mokko“ nach dem Pikieren komplett dahingegangen (komischerweise nur diese), so dass ich Mitte April mit ihr noch einmal von vorn beginnen musste. Nachdem ich eine Zeitlang gezittert habe, ob die vermutete samenbürtige Krankheit wieder Opfer fordern würde, haben sich aber alle Pflanzen bis heute bestens gemacht und mir Hoffnung auf Früchte gelassen.
Der krankheitsbedingte Ausfall hatte jedoch die positive Nebenwirkung, dass ich den alten Samen der weiß-violett Gestreiften aus meiner Samenkiste noch eine Chance geben konnte.
Paprika
- rote Spitzpaprika; Frucht 2014 gekauft (2)
- Jarik; gelb-rot, russisch, süß; Samen gekauft (2)
- ungarische Pfefferpaprika; Samengeschenk (2)
- rote Kastenpaprika; Nachzucht 2014; Frucht 2013 gekauft (2)
- gelbe Kastenpaprika; Frucht 2014 gekauft (2)
- Pepperoni, rot; Frucht Anfang 2015 gekauft (2)
- ungarische Paprika; Samengeschenk (2)
Paprika hatte ich zum ersten Mal im letzten Jahr versuchsweise angebaut. Eine Bekannte beschleunigte in diesem Fall den „professionalisierten“ Anbau, indem sie mir Samen ungarischer Paprika schenkte. Ich konnte es natürlich nicht lassen, der Auberginensamenbestellung im Internet noch eine Paprikasorte unterzujubeln; auf „Jarik“ bin ich doch zu neugierig gewesen.
So fiebere ich den Früchten von drei unbekannten Sorten besonders entgegen.
Kartoffel
- Adretta (3)
- Mischung Blauer Schwede, Shetland Black, Highland Burgundy Red (5)
- Ruandische (5)
Im Garten tummeln sich zwar schon unendlich viele Sorten an Kartoffeln, trotzdem ziehe ich auch noch Kartoffeln aus Samen an, weil es mir doch auch unendlich viel Spaß macht zu sehen, was die Natur so zusammenbraut: bei den bekannten Sorten ist nur die Knollenzahl und -größe unbekannt, die ich bei der Ernte entdecken kann – und deshalb mit gespannter Erwartung verbunden.
Bei den unbekannten Sorten ist es aber viel mehr: neben Knollenzahl und -größe lassen das Aussehen, der Geschmack, die Krankheitstoleranz, der Wuchs, die Fruchtbarkeit u.a. mein Herz jeweils höher schlagen.
Kohl
- Erfurter Zwerg; Blumenkohl (2)
- Neckarperle; Blumenkohl (2)
- Brunswijker; Weißkohl (3)
- Marner Lager; Rotkohl (3)
Ich muss zugeben, dass ich die Kohlsamen nur halbherzig in die Töpfe gedrückt habe, so richtig bereit war ich noch nicht, obwohl ich die meisten Samen schon 2013 gekauft hatte. Das hatte aber in erster Linie Platzgründe: Sowohl auf dem Anzuchttisch wird der Platz mit zunehmendem Anbauprogramm immer knapper als auch im Garten sehe ich kaum noch ein freies, schneckenfernes Plätzchen, das ich füllen könnte.
Die alten Samen der „Neckarperle“ von 2012 trugen kein Leben mehr in sich; die Embryonen der anderen Sorten jedoch strebten fix dem Licht entgegen.
Aufgrund des Platzmangels mussten die Kohlkeimlinge ziemlich lange warten, bis ich ihnen eigene Töpfe gab; erst Mitte April erledigte ich im Garten diese Pflichtaufgabe. Sie schienen sich in ihren eigenen vier Wänden aber auch nicht wohler zu fühlen, im Gegenteil, sie mickerten im Gewächshaus dahin. Anfang Mai stellte ich sie in den Folientunnel zwischen die Tomaten, innerlich schon völlig von ihnen entfremdet.
Doch als ich sie am letzten Wochenende wiedersah, war ich dermaßen erstaunt über ihre Verwandlung in kräftige Kohlpflänzchen, dass an eine weitere Vernachlässigung nicht mehr zu denken war. Alle, aber auch wirklich alle fanden noch einen Platz. Ich habe nun statt der geplanten zehn Kohlpflanzen sogar 22 im Garten untergebracht – aber hoffentlich nicht nur den Schnecken zum Fraß vorgeworfen (sie hatten sich schon in der ersten Nacht ganz ordentlich an ihnen vergangen).
Aber wie schon gesagt: der Kohl hat es noch nicht vollständig ins Hauptprogramm geschafft; doch dieses Jahr wird die Entscheidung bringen.
Zukkini
- Black Beauty (1)
- Striato d’Italia (1)
- Cocozelle di Tripolis (Nachzucht 2014) (1)
Kommen wir zu den Kürbisgewächsen und fangen mit den Zukkini oder Zucchini an (für die, die die italienische Schreibweise bevorzugen – gesprochen wird übrigens beides gleich).
Die erste Herausforderung war, schon im Planungsstadium die Anzahl der Pflanzen zu verringern: Vier waren im letzten Jahr definitiv zu viel (obwohl mir meine Liebste ein Zucchini-Kochbuch zum Geburtstag geschenkt hat, um dem Erntesegen etwas Positives abzugewinnen); also sollen sich in diesem Jahr nur drei im Garten ausbreiten dürfen.
„Black Beauty“, die ich 2013 schon angebaut hatte, wollte ich noch einmal – zwecks Samengewinnung – anbauen sowie die weniger wüchsige „Striato d’Italia“.
Ich war erfreut, dass die drei Black-Beauty-Samen, die ich aufgehoben hatte, problemlos keimten; auch die „Striato d’Italia“-Samen taten es und mit ihnen die Samen, die ich einer ausgewachsenen Frucht des Vorjahres entnommen hatte.
Zwei Zukkini starben leider vorzeitig, da sie aus Platzgründen schon am 3. April ins Gewächshaus übersiedeln mussten und dort gleich einen knackigen Nachtfrost abbekamen; aber dank meiner Vorsorge – immer ein paar Pflanzen mehr anzuziehen, als ich später aufziehen will – konnte ich mein Anbauprogramm am letzten Wochenende in die Tat umsetzen: drei Zukkini kamen ins Freiland.
Z3 habe ich mitten zwischen die Kartoffeln (Blauer Schwede, Shetland Black und Highland Burgundy Red) gesetzt, die im Vorjahr bei der Ernte übersehen wurden, den „Winter“ dort überstanden hatten und nun mit Macht zu neuen Kartoffelbringern heranwachsen. Nun will ich mal sehen, was dabei rauskommt: Kartoffeln sollen einen besonders guten Ertrag bringen, wenn sie die Wartezeit im Mutterboden verbringen dürfen, und Zukkini sind sowieso kaum zu bremsen, wenn sie erst einmal aus dem Gröbsten heraus sind.
Leider habe ich vor ein paar Tagen gelesen, dass man auflaufende Kartoffeln des Vorjahres konsequent ausrupfen soll, da sie die Braunfäulepilze übertragen können; diese Pilze können nämlich den Winter nur an lebendem Material überstehen.
Gurke
- Vorgebirgstraube; eigene Nachzucht (4)
Nach dem herausragenden Erfolg des Vorjahres hat auch die Gurke heuer wieder einen festen Platz im Garten.
Aus den Samen zu groß geratener Früchte des Vorjahres zog ich erfolgreich eine Handvoll Gurkenpflänzchen heran und brachte sie recht früh (siehe die Problembeschreibung unten) in den Folientunnel hinaus, zwei Wochen später allerdings wieder zurück nach Berlin, um sie vor Schneckenfraß und Wassermangel zu bewahren; auch ein wenig Dünger ließ ich den Armen in ihren kleinen Töpfchen zukommen, bevor ich sie am 18. Mai an ihren Startplatz verfrachtete: Auf schwarzer Baufolie sollen sie einem Zaun entgegen robben, daran empor klettern und dort oben dem Mehltau lange trotzen.
Nur die Schnecken können diesen tollen Plan nun noch durchkreuzen.
Melone
- Gelbe Kanarische; eigene Nachzucht 2014 (2)
- Galia; 2014 als Frucht gekauft (1)
- Charentais; 2014 als Frucht (1)
- Wassermelone; 2011 in Kroatien gekauft, hellgrün mit dunkelgrünen Streifen (1)
- Wassermelone; hellgrün mit dunkelgrünen Streifen; 2014 gekauft (1)
Nach den Erfolgen im Melonen-Anbau der beiden letzten Jahre will ich in diesem Jahr ganz groß in diesen einsteigen; sogar Wassermelonen sollen wachsen.
Da die Erfolge bisher ausschließlich mit Saatgut zustande kamen, das ich wohlschmeckenden, gekauften Früchten entnommen hatte, will ich in diesem Jahr vollständig auf dieses setzen.
Bisher ist der Plan aufgegangen – so wie alle Melonen.
Leider haben auch die Melonen-Weichlinge im Folientunnel unter den kalten Tagen Ende April, Anfang Mai gelitten, zwei Exemplare sogar mit dem Leben dafür bezahlen müssen; aber auch hier kam mir der vorgezogene Überschuss letztlich zugute.
Mal sehen, wie sich Tomaten, Melonen und Kartoffeln im Tunnel vertragen.
Kürbis
- Hokkaido; orange; etwas größer und abgeflachter als jener; eigene Ernte 2014 (2)
Auf den Kürbis trifft natürlich vor allem zu, was allen Kürbisgewächsen in meinem Programm eigen ist: Er sprengt jedes Anzuchttöpfchen im Nu; aber die beiden Exemplare, denen ich Platz einräumen konnte, haben zwischen 1. April und 18. Mai alle Widrigkeiten überlebt – ihre frühe Übersiedlung ins Gewächshaus und in den Folientunnel – und können sich nun „da draußen“ (siehe letztes Bild der Gurken-Galerie: im Hintergrund sind dort die Kürbisse erkennbar) beweisen im Kampf um Lebensraum und gegen äußere Feinde.
Schlussfolgerungen
Zum Schluss muss ich noch etwas zu den Kürbisgewächsen allgemein loswerden (auch damit es sich fester in mein Gedächtnis einprägt): säe bitte Zukkini, Kürbis, Melone und Gurke frühestens Anfang April aus, soweit sie im Freiland gedeihen sollen!!!!
Diese Gewächse sind frost-empfindlich und können deshalb nicht vor Mitte Mai in die offene Gartenlandschaft ausgesiedelt werden; außerdem sind sie äußerst wüchsig und brauchen spätestens nach sechs Wochen die Mutter Erde oder zumindest einen sehr großen Topf, um sich einigermaßen weiterentwickeln zu können.
Auch die Melonen, die in Gewächshaus oder Folientunnel übers Jahr kommen sollen, lieben Wärme – und die ist einfach auch dort bei offenen Vorderseiten bis Mitte Mai viel zu gering; sie überleben also bestenfalls, prosperieren tun sie um diese Zeit kaum.
Also bitte: Beherrsche Dich wenigstens bis Anfang April – das ist der früheste Zeitpunkt, Kürbisgewächse vorzuziehen!
Für dieses Jahr kam die Erkenntnis zu spät; ich musste mit dem Problem der verfrühten Aussaat und dem daraus folgenden Platzmangel leben. Ich versuchte mir zu helfen, indem ich schon am 3. April ein paar dieser Gewächse mit in den Garten nahm. Im Gewächshaus, dachte ich, werden sie schon überleben.
Nun, die meisten haben das tatsächlich geschafft, aber zwei Zukkini mussten meine Unwissenheit und Ungeduld mit dem Leben bezahlen; sie haben den beinharten Frost nicht überlebt, der genau in jener Nacht (vom 3. auf den 4. April) den Garten überzog: Sie standen entweder zu ungünstig oder hatten andere Probleme.
Trotzdem zeigte sich deutlich, dass das Gewächshaus schon ein anständiger Schutzraum ist: Das Wasser in einem Eimer außerhalb des Gewächshauses hatte nach jener Nacht eine Eisschicht, das Gießwasser in ihm jedoch war eisfrei geblieben.
Nun wollen wir mal gemeinsam abwarten, was der Sommer aus dieser Brut macht; ein Bericht wird beizeiten in „Ich bin dann mal im Garten“ erscheinen.
Tabak
- Geudertheimer (5)
- Rot Front (5)
Beim Tabak habe ich mich in diesem Jahr auf zwei Sorten beschränkt, auch, um die einzelnen Sorten erst einmal besser kennenzulernen.