Wie der Zufall so spielt
oder: In welche Varianten die F2-Generation meiner Bohnenkreuzungen aufspaltete.
„Eine Bohnensorte für jede*n“, sollte der Titel dieses Beitrags ursprünglich lauten; aber dann wäre ich langsam unter Agitationsverdacht geraten und Du hättest mir bestimmt die folgenden Fragen nicht erspart:
„Es gibt doch schon so viele Bohnensorten! Muss jetzt jede:r eine eigene Sorte haben? Wäre es nicht besser, die alten zu erhalten?“
Und dann hätte ich wieder mein Steckenpferd reiten und für neue (Bohnen-)Vielfalt werben müssen.
Achtung, Werbung! Für mehr Vielfalt
„Ja, es gibt verdammt viele Bohnensorten für Selbstversorger:innen, da gebe ich Dir recht; aber…
Einerseits sind das alte Sorten, Sorten, die den Ansprüchen und Vorstellungen früherer Generationen gedient haben, die unter anderen Wirtschaftsbedingungen, in anderen Gegenden entstanden sind, die für heutige oder zukünftige Verhältnisse und unter Deinen oder meinen Umwelt- und Anbaubedingungen vielleicht nicht mehr so gut geeignet sind.
Andererseits werden die heutigen, modernen Sorten vor allem für den agro-industriellen Anbau gezüchtet. Auch die Sorten für die Bio-Landwirtschaft sind grundsätzlich für gewerbliche Anbaubedingungen optimiert. Letztere sind zwar wie die alten Sorten für Unsereine:n geeignet, aber von lokaler Anpassung kann man bei den gewerblichen Sorten kaum reden.
Am besten wäre es deshalb, wenn jede:r Hobby-Gärtner:in wenigstens eine eigene Sorte hätte, die an die örtlichen Verhältnisse und die eigenen geschmacklichen und optischen Wunschvorstellungen angepasst wäre.
Dann gäbe es zwar noch viel mehr „Sorten“ (korrekterweise sollte ich sie „Varietäten“ nennen), die totale Unübersichtlichkeit also, aber damit gäbe es eben auch viel mehr genetische Varianten, von denen ein paar auch unter neuen, zukünftig veränderten Bedingungen gedeihen und verbreitet werden könnten (meine alte Leier).
Um eine eigene Bohnen-Varietät im Garten zu haben, musst Du natürlich nicht unbedingt Bohnensorten miteinander kreuzen und das ganze Programm abziehen, das ich weiter unten beschreibe. Das Wissen über die Vererbungsregeln bei Bohnen, das ich zusammengesucht habe und in wenigen Grundzügen unten andeute, braucht Dich bei Deiner Bohnenzucht nicht „die Bohne“ zu interessieren; das wirst Du sehen.
Auch, wenn Du eine „alte“ Sorte jedes Jahr selbst vermehrst, d. h., einen kleinen Teil Deiner (Trocken-)Bohnenernte als Saatgut verwendest, züchtest Du eine neue Varietät, Du passt diese Sorte an Deine Bedingungen an und veränderst sie damit. Du erneuerst die „alte“ Sorte dadurch, Du modernisierst und verbesserst sie sozusagen.
Nach einigen Jahren hast Du sie so weit verändert (an Deine Verhältnisse angepasst), dass Du sie auch „Meine eigene Sorte“ nennen könntest, auch wenn sie scheinbar noch genauso aussieht wie zu Anfang.
Jetzt bin ich in Fahrt.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich ständig wiederhole und Euch langweile: „Züchtung“ kann auch das jährliche Auswählen der Pflanzen bedeuten, von denen man Saatgut für den weiteren Anbau gewinnt. Wenn Du das konsquent tust, züchtest Du Dir Deine eigenen „Sorten“, egal welche Bohnen Du dazu verwendest (ja, auch F1-Hybrid-Bohnen von BAYER-MONSANTO).
Oder was glaubst Du, wie die Anbauer:innen das in früheren Zeiten (seit 8000 Jahren, so lange es Garten- und Ackerbau gibt) gemacht haben, als es tausende von lokalen Varietäten gab und niemand auch nur einen Schimmer von Vererbungsregeln und Züchtungstechniken hatte?
Aber egal. Egal welche rationalen Gründe für eine Bohnensortenvermehrung sprechen, mir macht es einfach nur einen Riesenspaß, Schöpfer eigener Bohnenvarianten zu sein; deshalb beschäftige ich mich mit diesen Bohnen, die da zufällig vom Insektenvolk gekreuzt wurden, und versuche, mir daraus meine Wunsch-Bohnensorten zu ziehen.
Da mich die genetischen Hintergründe ein wenig interessieren, habe ich versucht, darüber mehr herauszufinden und sie zu verstehen. Natürlich flechte ich das gefundene Wissen hier und da ein, aber Du brauchst Dir nichts davon zu merken, um auch eine eigene Bohnensorte zu kreieren; das möchte ich noch mal betonen.
Nur wenn Du wie die Profi-Züchter gezielt kreuzen möchtest, um eine Bohnensorte mit genau definierten Eigenschaften zu züchten, brauchst Du Kenntnisse der Vererbungsregeln und -gänge, dann musst Du Dich tiefer in die Materie einarbeiten; aber das sollten wir Hobby-Gärtner:innen der Öko-Züchtung überlassen (aber probieren kann es jede:r).
Ich berichte hier nur so ausführlich über das, was ich mit meinen Bohnen anstelle und was dabei so alles passiert, damit Du auch ein wenig Appetit darauf bekommst. Vielleicht findest Du beim Kreuzenlassen zufälligerweise etwas, das Du Dir nicht einmal in Deinen kühnsten Träumen hättest vorstellen können; das ist sowieso das größte.
Vieles, das ich hier schreibe, kann auch bei der „Züchtung“ (Auslese) eigener Varietäten von anderen Selbstbefruchtern, wie Tomaten, Paprika und Auberginen, verwendet werden. Im Großen und Ganzen funktionieren die Vererbungsregeln bei allen Pflanzen gleich.
Kleiner Exkurs in die Genetik der Bohnen
Alle Eigenschaften der Bohnen sind in ihren Genen kodiert (banal). In den Genen ist festgelegt, ob die betreffende Pflanze als Busch (begrenzt) oder als Stangenbohne (unbegrenzt) wächst, ob die Hülsen grün, violett oder gelb sind, ob die Hülsen Fäden haben oder nicht, ob besser die Hülsen gegessen werden oder die getrockneten Samen, ob die Samen rot, braun, schwarz, weiß oder marmoriert sind, ob sie eckig, länglich, rund oder abgeflacht sind.
All diese Eigenschaften vererben sich dominant (bestimmend) oder rezessiv (bestimmt werdend): Das unbegrenzte Wachstum ist dominant gegenüber dem begrenzten, die grüne Farbe der Hülsen ist dominant gegenüber der gelben, die Fädigkeit dominant gegenüber der Fadenlosigkeit.
Diese zuvor aufgezählten (wirtschaftlich wichtigen) Eigenschaften der Gartenbohnen werden zumeist durch nur ein Gen(paar) bestimmt, so dass die einfachen Vererbungsregeln gelten, die Gregor Mendel im 19. Jahrhundert beschrieben hat: Die F1-Generation ist uniform (1. Regel), in der F2-Generation spalten sich die Merkmale maximal auf (2. Regel) und zwar großteils unabhängig voneinander (3. Regel).
Bei der Farbe der Bohnensamen ist die Sache etwas komplizierter, da mehrere Gene bei der Farbgebung eine Rolle spielen. Auf jeden Fall muss ein bestimmtes Gen (zumeist mit dem Buchstaben ‘P’ bezeichnet) in dominanter Form vorhanden sein, damit die Bohnen überhaupt Farbe zeigen. Wenn dieses Gen nur rezessiv (dann wird es mit dem klein geschriebenen Buchstaben, in diesem Fall ‚p‘, dargestellt) vorliegt, bleiben die Bohnen auf jeden Fall weiß, auch wenn die anderen „Farbgene“ in dominanter Form im Chromosomensatz enthalten sind.
Liste der Farbgene bei Phaseolus vulgaris L. (Gartenbohne), nach Troy, 1977, S. 8/9
P, p – Grundfaktor oder Basis-Gen, notwendig für die Farbbildung
T, t – Faktor für vollständige Farbe, notwendig für eine vollständig farbige Samenoberfläche im Gegensatz zu einer teilweise farbigen
J, j – Glanz-Faktor; produziert auch einen farbigen Nabel-Ring (Hilum-Ring)
D, d – Faktor für die Ausbildung eines Nabel-Rings
C, c, Cr, Cm, Cst – Faktor für dauerhaft-spaltende und konstante Marmorierung
G, g – Faktor für Gelb-Braun
B, b – Faktor für Grünlich-Braun
V, Vlae, v – Faktor für Violett
rk, rkd, Rk – rezessiver Faktor für Rot
Das Aussehen meiner gekreuzten Bohnen und seine genetischen Grundlagen
Im letztjährigen Beitrag „Bohnopoly“ hatte ich berichtet, dass ich durch zufällige Kreuzungen meiner Bohnensorten untereinander zu drei verschiedenen, mir völlig unbekannten Bohnenpflanzen gekommen war, die sich deutlich von denen abhoben, die ich eigentlich erwartet hatte.
Der folgende Bericht handelt von der F2-Generation, die ich im letzten Jahr aus den Samen (Bohnen) der drei „Sonderlinge“ von 2018 gezogen habe.
Aussaat und Pflegemaßnahmen
Ich hatte Mitte Mai ein Kartoffelbeet von den gröberen Pflanzenresten befreit, jede vorgesehene Reihe mit einem Dreizack aufgelockert, mit dem Stiel eine Rille gezogen und dann die Bohnen im Abstand von einer Handbreit darin ausgelegt. Die Rille anschließend mit der Harke zugezogen, festgetreten, angegossen und fertig war die Laube.
Insgesamt gab es eine Reihe „Stangenbohnen“ (‚Afrikanische Trockenbohne‘ x ‚Türkische Maisbohne‘ [x ‚Rote Kidney‘]), zwei Reihen ‚Rote Kidney x ‚Blauhilde‘, zwei Reihen ‚Rote Kidney‘, zwei Reihen ‚Telstar‘ x ‚Borlotto‘ sowie eine Reihe Grüne-Bohnen ‚Telstar‘.
Im Laufe des Jahres habe ich die wenigen „Unkräuter“, die sich zeigten, noch ausgezogen, aber den schnell sich schließenden Reihen der Bohnenpflanzen ansonsten keine weitere Pflege angedeihen lassen. Der wahnsinnig trockene Sommer tat sein Übriges, um den Bohnen ein schönes Leben zu ermöglichen und ihre Hauptblattvertilger, die gemeinen Wegschnecken, in die Schranken zu weisen.
Ich hätte die Bohnen dann Anfang September ernten können, unterließ es aber, da ich dachte, dass der Sommer unendlich sei. So wurden sie noch vom ersten Herbstregen getroffen und mussten ein paar unnötige Tage im Nassen verbringen. Mein überdachter Sitzplatz verhinderte jedoch schlimmere Zersetzungsschäden.
Soviel zu Aussaat und Pflege meiner Gartenbohnen.
Nun zu den Aufspaltungsergebnissen der drei Gruppen. Zur Einführung rekapituliere ich immer kurz die Erlebnisse vom Vorjahr, die in „Bohnopoly“ ausführlich nachzulesen sind.
1. Die Afrikanische Stangenbohne mit den roten (Kidney)Bohnen
Unter meinen normalerweise buschig wachsenden „Afrikanischen Trockenbohnen“, deren hell-beesche Samen immer braunrot marmoriert waren, hatte sich 2018 in der F1-Generation eine Stangenbohne entwickelt. Die meisten Samen dieser Pflanze waren blassgrau und etwas dunkler marmoriert. Einige Hülsen enthielten aber rote Samen, insgesamt 14.
Auch eine buschige Pflanze trug zwei Hülsen mit sieben roten Bohnen.
Diese 21 roten Bohnen hatte ich in diesem Jahr ausgesät in der Hoffnung, dass aus ihnen eine Stangenbohne mit roten Bohnen erwachsen würde.
Nun, was soll ich sagen: Ich bekam, so wie ich mir das gewünscht hatte, überwiegend Stangenbohnen (auf den vorhergehenden Bildern fast immer hinten links zu sehen), aber – keine einzige Pflanze mit roten Bohnenkernen.
Die rankenden Lieblinge wucherten selbstverständlich munter durcheinander, so dass ich erst nach der Ernte eine gewisse, hypothetische Ordnung in das Erntegut bringen konnte.
Drei Pflanzen müssen unterschiedlich geformte Hülsen mit weißen Bohnen getragen haben; dadurch konnte ich zumindest Rückschlüsse auf die Vaterschaft ziehen: Meine „Türkische Maisbohne“ muss ihren Finger im Spiel gehabt haben.
Die restlichen Stangenbohnen hatten braune Bohnen sowie braune und weiße Bohnen mit dunklerer Sprenkelung.
Wohin war das Rot entschwunden? Warum hatte keine einzige Pflanze rote Bohnen?
Tja, jetzt müsste ich echt was von Bohnen-Genetik verstehen. Oder mich zumindest intensiver mit den wissenschaftlichen Artikeln einiger Leute beschäftigen, die die Vererbung der Farben bei Bohnen jahrelang untersucht haben (Emmerson 1909, Lamprecht 1925, Kooiman 1931, Smith 1940, Prakken 1970, Troy 1977); aber ich bin ein Mensch, der nicht mehr tut als nötig: Erst einmal probiere ich aus, bevor ich mir die Mühe mache, alle Details zu verstehen.
Ich habe schon verstanden, dass „Weiß“ rezessiv vererbt wird, d. h., dass das Gen für „Farbe“ nicht in dominanter Form (‚P‘) vorhanden sein darf, wenn eine Bohne rein-weiß ist. Also scheiden aus meiner zukünftigen Zucht alle weißen Bohnen schon mal aus, da sie dieses Farb-Gen bei der Selbstbefruchtung, die bei Bohnen üblich ist, auch nicht mehr bekommen können.
Nur die „farbigen“ Bohnen erhalten eine Chance in diesem Jahr.
Irgendwo muss sich das rote Gen ja verstecken, in irgendeiner Kombination der Farbgene muss es wieder zum Vorschein kommen. Ist zumindest meine Hoffnung. Rot kann sich doch nicht einfach so in Braun auflösen. Nein, nein; ich habe gelernt, dass das Rot der Kidney-Bohnen rezessiv vererbt wird, dass ich also im kommenden Jahr neue Hoffnungen hegen darf.
Ich werde alle „farbigen“ Bohnen, also die braunen und die gescheckten, mit dem schwarzen Zuckermais (und Kürbissen natürlich) zu einer großflächigen Milpa vereinigen.
Dabei schlage ich drei Fliegen mit einer Klappe (und erreiche zwei Zuchtziele): Ich werde am Ende des Jahres mehr reinerbig schwarze Zuckermaiskörner an den Maiskolben haben, ich werde eine große Anzahl an F3-Bohnenpflanzen mit den unterschiedlichsten Farbkombinationen haben und ich werde jede Menge Bohnenstangen gespart haben.
Beim Fremdbefruchter Zuckermais erhöht sich durch die stetige Auswahl der schwärzesten Schrumpelkörner jedes Jahr der Anteil an reinerbigen (homozygoten) schwarzen Zuckermaiskörnern – bis in ein paar Jahren alle Körner eines Kolbens reinerbig schwarz sind.
Bei der Selbstbefruchterin Bohne erhöht sich automatisch der Anteil an reinerbigen Pflanzen, wenn ich mehrere Jahre hintereinander Bohnensamen aussäe, die ich per Zufall aus den Samen aller Nachkommen ausgewählt habe („Ramsch“-Methode; bei dieser findet keine gezielte Auswahl statt) – so dass ich in ein paar Jahren nur noch reinerbige Bohnen habe, und somit sicher sein kann, dass die roten Bohnen, falls welche dabei sind, auf jeden Fall schon reinerbig sind.
Der Mais ersetzt derweil die Stangen für die Bohnen.
Ich bin schon sehr gespannt zu sehen, was dabei herauskommt.
2. Die Buschbohne mit den hell-violetten Hülsen
Unter meinen buschigen, roten Kidney-Bohnen hatte ich 2018 eine Pflanze mit hell-violetten Hülsen gefunden, deren Bohnen später von beescher (beiger) Farbe waren, genau so wie die Bohnen der Stangenbohne „Blauhilde“.
Das hatte mich dazu gebracht anzunehmen, dass im Jahr zuvor eine „Rote Kidney“-Bohnenblüte mit dem Pollen dieser Stangebohnensorte befruchtet worden sei.
Ich gehe davon aus, dass die damals ausgesäte Mischlingsbohne (F1) ebenfalls rot war (so wie alle anderen). Bei den Bohnen kann man Kreuzungen in der Regel nicht am Samen erkennen (so wie beim Mais); die Farbe der Bohne wird ausschließlich von der Mutterpflanze bestimmt.
Wenn sich also eine rote Kidney-Bohne mit der Stangenbohne „Blauhilde“ eingelassen hatte, so kann „Blauhilde“ nicht reinerbig für „Unbegrenztes Wachstum“, also homzygot für „Stangenbohne“ gewesen sein; denn dann hätte die F1-Generation ebenfalls eine Stangenbohne sein müssen („Stangenbohne“ ist dominant gegenüber „Buschbohne“).
Die F1-Generation war aber eine Buschbohne – und um das zu sein, muss der Wuchstyp „Busch“ doppelt rezessiv, also reinerbig, gewesen sein.
Das wusste ich bis vor kurzem leider noch nicht; ansonsten hätte ich nicht hoffen können, aus dieser „Mischung“ eine Stangenbohne (mit roten Bohnen) ziehen zu können. Nur aus Bohnensamen, in denen wenigstens auf einem Chromosom das Gen für „Stangenbohne“ vorhanden ist, kann eine Stangenbohne wachsen.
Das hat mir nun auch die Praxis bewiesen: Ich hatte, unwissend wie ich war, über die beiden Reihen, die ich aus den Bohnen der „Busch-Blauhilde“ säen konnte, ein Rankgerüst aufgebaut. Völlig umsonst. Keine einzige Bohne entwickelte unbegrenzt wachsende Schlingtriebe, die sich um die Wäscheleinen hätten winden können, die ich von oben herab um ihren Stängelfüße gebunden hatte.
Die Buschbohnen blieben Buschbohnen.
Dass es sich um eine Kreuzung (und nicht um eine Mutation) handeln musste, zeigte sich schon an den unterschiedlichen Blütenfarben (rosa, weiß und lila), der unterschiedlichen Hülsen- und Stängelfärbung (grün bis dunkel-violett).
Dass ich auch die Kreuzungspartner korrekt identifiziert hatte, konnte ich dann an der Farbe der Bohnen erkennen: Es gab in der F2-Generation, die ich in 2019 geerntet hatte, rote und beesche Bohnen; ich würde sagen, im Verhältnis 1 : 3, was für eine rezessive Vererbung der roten Farbe sprechen würde.
Diese Kreuzung muss ich also für mein Zuchtziel „Rote Kidney-Stangenbohne“ aussortieren – aus einer Buschbohne kann ohne fremden Einfluss („Fremdbefruchtung“) niemals eine Stangenbohne werden.
Doch wie das so ist, wenn man erst einmal Blut geleckt hat: Eine eigene Buschbohnensorte mit tiefdunkel-violetten Hülsen und roten Bohnen hätte doch auch etwas, oder nicht?
Und diese Mischung ist noch drin.
Ich hatte bei der Ernte dieser Bohnenpflanzen zumindest noch ganz grob eine Unterteilung in grüne und violette Pflanzen vornehmen können (wäre mir mein Zuchtziel eher klar gewesen, hätte ich natürlich alle Pflanzen mit dunkel-violetten Hülsen während des Sommers markieren können). In diesem Jahr werde ich also nur Bohnen aus der Gruppe mit „farbigen“ Hülsen und Stängeln aussäen. Wenn ich nicht genügend Platz habe, werde ich sogar nur die roten Bohnen aus dieser Gruppe der Erde anvertrauen.
Mal sehen; neues Zuchtziel, neues Glück.
Leider ist dieses Zuchtziel doppelt mühsam: Ich muss nicht nur auf dunkel-violette Hülsen und rote Bohnen selektieren, sondern auch auf genießbare, also fadenlose Hülsen; ich will in diesem Fall keine Trockenbohne. Dazu muss ich von allen Bohnenpflanzen mit dunkel-violetten Hülsen ein paar Hülsen frisch ernten, kochen und probieren (kosten) und letzten Endes nur diejenigen Pflanzen weitervermehren, deren Hülsen keine Fäden haben.
Das uralte, simple Züchtungsprinzip: Auslese – immer nur die Pflanzen mit den gewünschten, den besten Eigenschaften weitervermehren.
3. Buschbohne mit schwarz geflammten Hülsen und violetten, marmorierten Bohnen
Als weitere und letzte Kreuzung war mir von den Insekten eine Pflanze mit schwarz geflammten Hülsen und violetten Bohnenkörnern, die heller gescheckt bzw. gesprenkelt waren, geschenkt worden; diese hatte ich als Kreuzung aus der Grüne-Bohnen-Sorte „Telstar“ (schwarze Bohnenkerne) und der Trockenbohnen-Sorte „Borlotto“ (Bohnen mit beescher Grundfarbe und roter Sprenkelung) gedeutet.
Nun sollte also die F2-Generation die volle Bandbreite der möglichen Aufspaltungen und Neu-Mischungen zeigen.
Und so war’s dann auch. Ich will nicht lange rumreden, ich zeige Euch einfach, was dabei herausgekommen ist.
Nicht schlecht, Herr Specht, oder?
Ich, als Züchter, kann da nur sagen: „Ich kann mich gar nicht entscheiden, alles so schön bunt hier“, wie einst Nina Hagen sang.
Soll ich noch ein weiteres Zuchtziel formulieren? Welche Form und Farbe soll ich auswählen? Ich muss gestehen: Gar nicht so einfach. Habe ich überhaupt noch ein Plätzchen frei im Garten?
Ich glaube, ich fange mal mit zwei Varianten an und schaue, wie die sich weiterentwickeln. Die Trockenbohnen mit pummeligen schwarzen (Bohne Nr. 1) und ebensolchen kirschfarbenen Körnern (Bohnen Nr. 12 und 20) gefallen mir momentan am besten. Später muss ich dann noch auf Geschmack, Kocheigenschaften und Hülsen zum leichten Auspuhlen testen und selektieren.
Auf jeden Fall sind hier anhand der Farbe sehr schön die verschiedenen Möglichkeiten zu erkennen, in die sich die Ausgangsfarben aufspalten und wieder zusammensetzen können. Hätte ich mehr Ausgangsbohnen gehabt, hätte ich auch die Aufspaltungsverhältnisse, wie sie Gregor Mendel entdeckt hat, nachvollziehen können.
Die Ausgangsvarianten zeigen sich wieder in den Bohnen Nr. 21 (‚Borlotto‘) und 22 (‚Telstar‘); die intermediäre F1-Form wiederholt sich in den violett marmorierten Bohnen Nr. 9, 18 und 24. Der Rest sind neue Kombinationen, aus denen ich nun wählen kann.
Schluss mit lustig: Komm‘ zum Essen, Junge!
Die Bohnen müssen auch gegessen werden, ganz klar.
Wie Du nun kleinklein gelesen hast, liebe*r Leser*in, mache ich das Ganze vor allem, um der Menschheit einen Dienst zu erweisen, und nicht, um mir möglichst viel kalorienreiche Bohnennahrung zu verschaffen; trotzdem verarbeite ich natürlich alle Bohnen, die ich nicht zur Züchtung brauche, zu Chili-con-Carne, Baked Beans, Bohnensuppe oder… zu „Bohnenmus à la Janna„:
Bohnenmus à la Janna
Zutaten:
- Ein Marmeladenglas voll Trockenbohnen
- Zwei große Möhren
- eine Knoblauchzehe
- ein Stück Ingwer (ca. 2 cm lang, geschält)
Zubereitung:
- Die Bohnen über Nacht mit Wasser bedeckt einweichen und dann zusammen mit den anderen Zutaten kochen, bis die Bohnen weich sind (wichtig: erst am Ende der Kochzeit salzen, sonst werden sie nicht weich); Sud abgießen und auffangen, Knoblauch entfernen.
- Alles pürieren (falls das Pürree zu steif ist, mit dem Kochsud verdünnen).
- Mit zwei bis drei Esslöffeln Tahin (Sesam-Paste), Limonensaft, Chili-Olivenöl (selbst gemacht), Salz, Pfeffer und Kreuzkümmel abschmecken.
Zur Krönung einen gehäuften Teelöffel frischen, schwarzen Kampot-Pfeffer mit Meersalz untermischen (man kann auch einfach eingelegte grüne Pfefferkörner verwenden). Alternativ: Statt Kreuzkümmel und Kampot-Pfeffer gehackte, getrocknete Tomaten und geröstete Mandeln verwenden.
Das Mus hält sich im Kühlschrank eine Woche und ist lecker als Brotaufstrich oder als Dip für Gemüsesticks etc.
Das geht. Mit allen Trockenbohnen. Auch wenn sie keinen Sortennamen tragen. Und sich eventuell schwerer aus ihren Hülsen puhlen lassen.
So. Du hast es geschafft.
Zur Belohnung verrate ich Dir noch ein Geheimnis: Auch in diesem Jahr habe ich wieder eine Zufallskreuzung geschenkt bekommen; wieder eine Stangenbohne und wieder aus einer roten Kidnybohne hervorgegangen (auf den Wachstumsbildern oben kann man sie im Vordergrund sich einsam emporschlängeln sehen). Es sieht so aus, als ob sich dieses Mal die kleine, schwarze Körnerbohne aus China die Vaterschaft gesichert hätte.
Guten Tag,
Ich habe vor in der nächsten Zeit ein paar Bohnen zu kreuzen habe aber noch nicht verstanden wie das Verkreuzen funktioniert?
Vielen Dank im Voraus
Hallo Urzwerghuhn,
ich lasse die Kreuzungen ja von den Insekten erledigen, d. h., ich kreuze die Bohnensorten nicht gezielt; deshalb habe ich keine eigenen, praktischen Erfahrungen damit.
Ich schreibe Dir aber hier mal eine Anleitung aus dem Kapitel „Züchtung von Bohnen“ ab, das in einem kleinen Büchlein über Pflanzenzüchtung (Hermann Kuckuck: Pflanzenzüchtung – Spezielle gartenbauliche Pflanzenzüchtung, Berlin, 1957, S. 21) zu finden ist; dort wird das Vorgehen ganz gut beschrieben. Vielleicht hilft Dir das ja weiter.
„Die Anzucht der Kreuzungseltern erfolgt mit Vorteil in Blumentöpfen (Durchmesser 15-18 cm). Diese erleichtern die Handhabungen bei den Kreuzungen ganz erheblich, erlauben durch leichte Modifizierung der Umweltbedingungen eine Angleichung der Blühtermine beider Eltern und lassen die gekreuzen Blüten viel leichter vor Beschädigungen durch Unwetter und Schädlinge schützen, als dies bei Kultur im Freiland der Fall ist.
Kreuzungen sind nicht schwer durchzuführen, wenn man auf das Kastrieren verzichtet. Durch Kastration wird die Blüte meist so in Mitleidenschaft gezogen, daß nach der Befruchtung kein Samenansatz erfolgt. — Das Öffnen der Knospe geschieht mit einer Pinzette. Nachdem die Fahne zurückgebogen worden ist, werden die Flügel herabgedrückt, wodurch die Narbe aus dem Schiffchen heraustritt, ohne daß die Staubbeutel in diesem frühen Zeitpunkt schon geplatzt sind und den Pollen auf die Narbe entleert haben. Die aus dem Schiffchen herausgetretene Narbe wird sofort mit dem Staub aufgeblühter Blüten befruchtet. Bricht man hierzu den Griffel der Vatersorte kurz unter der Narbe ab, so erhält man gleichzeitig den größten Teil des Pollens mit. Nach der Befruchtung wird die Knospe wieder geschlossen. Wählt man als Vater eine Sorte mit dominanten Genen, so können in der F1 Individuen aus eigener Bestäubung als solche leicht erkannt werden. Es empfiehlt sich also als Vatersorte diejenige mit dominanten Merkmalen zu nehmen, wie z. B. Fadenlosigkeit, buntes Korn, ovaler Hülsenquerschnitt, grüne Hülsenfarbe usw. Zeigt der Bastard die betreffende dominante Eigenschaft der väterlichen Sorte, so ist die Kreuzung mit Sicherheit gelungen. Die F1 ist im allgemeinen von einem einheitlichen Phaeno- und Genotyp, sofern die Eltern homozygot waren.“
Viele Grüße – und viel Erfolg
J:)rgen
Ich habe dieses Jahr ebenfalls vor gezielt zu kreuzen.
Ich verstehe aber noch nicht wie es bei dir zu zufälligen Kreuzungen durch Insekten kommt.
Ja sicherlich, wenn Feuerbohne im Spiel sind, passiert das häufig. Aber nur mit Garten ist das unwahrscheinlich (~1% angeblich)
Jedenfalls baue ich seit Jahren diverse Sorten beieinander an und bei mir ist eine Verkreuzung noch nicht vorgekommen, leider.
Was machst du anders?
Lg
Hallo Thomas,
die Häufigkeit, mit der auch Busch- und Stangenbohnen (Phaseolus vulgaris) sich untereinander verkreuzen, liegt deutlich über 1%, ist aber sehr sortenabhängig, d. h., manche Sorten sind weitaus „anfälliger“ dafür. Außerdem muss natürlich ein Überangebot von Insekten vorhanden sein, dass zu Zeiten der Bohnenblüte ansonsten wenig zu futtern findet.
Diese Bedingungen würde ich auf Deine Frage benennen; ansonsten ist es natürlich immer auch Glück…
Viele Grüße – und noch mehr Glück!
Jürgen
Danke für deine schnelle Antwort. :)
Darf ich noch fragen welche Erfahrungen du in Bezug auf die Größe hast?
Sprich, wenn eine kleine Körnerbohne mit einer sehr großen verkreuzt ist. Hat man da, wie bei den Farben eine große Bandbreite an Größen, oder entspricht die Größe der der Mutterpflanze. (dies war beim Kreuzen mit feuerbohne der Fall)
Außerdem würde ich dich noch gerne fragen: treten die „neuen“ Kornfarben bereits bei den Früchten der verkreuzten Blüten auf, oder erst bei der Ente im Folgejahr?
Lg
(PS: danke für diesen tollen Blog, ansonsten finden sich sehr wenig Infos zu diesem Thema)
Hallo Thomas,
wenn eine Blüte mit dem Pollen einer anderen Sorte bestäubt wird, sieht die Bohne exakt so aus, wie alle Bohnen, die aus einer Selbstbestäubung hervorgegangen sind; Du kannst also keinen Unterschied erkennen (wie z. B. bei Maiskörnern). Unterschiede werden erst bei den Bohnen der F1-Generation sichtbar (also bei den Bohnen, die entstehen, wenn Du die verkreuzte Bohne ausgesät hast).
An den Bohnen dieser F1-Generation kannst Du aber noch nicht alle Möglichkeiten sehen, da diese Bohnen einheitlich aussehen (sie sollten allerdings anders aussehen, als die unverkreuzten Bohnen); erst wenn Du diese Bohnen wieder aussäst, kannst Du die ganze Palette der Möglichkeiten erkennen, also auch, wie sich die Vermischung unterschiedlich großer Bohnen ausgewirkt hat.
Ich habe sogar noch in der F3 neue Typen gefunden; diese können allerdings schon wieder durch neue Verkreuzungen zustande gekommen sein, keine Ahnung…
Manche Eigenschaften der Bohnen werden durch mehrere Gene bestimmt; da ist die Vorhersage schwieriger…
Letztlich ist es am besten, die Bohnen immer wieder, ohne auszuwählen, in größerer Zahl auszusäen. Nach ca. 7-10 Generationen hast Du fast nur noch reinerbige Pflanzen (bis auf die, die sich wieder verkreuzt haben). Dann kannst Du Dir die Bohne(n) auswählen, die Du beim Bundessortenamt als neue Sorte anmelden willst… …Spaß…
Viele Grüße
J:)
Eigentlich war ich ja über Google nur wegen des Möhren-Artikels gekommen. Nun muss ich bald unseren neuen Garten umplanen, da hier beim Lesen richtig Lust entsteht, selber mal das eine oder andere Experiment zu starten. Man merkt beim Lesen richtig, dass du Spaß an der Sache hast, und das steckt an. Naja dann spreche ich wohl mal mit meinen Kindern und wir planen erneut unsere diesjährigen Vorstellungen von unserem Garten. Freue mich auf weitere spannende Beiträge und eventuell noch ein Update zum Geschmack der Bohnenzucht.